Zwei eindrucksvolle Gestalten richteten ihren Blick auf Alec.
„Lord und Lady Campbell, nehme ich an?", fragte er. Die Lady erhob sich von ihrem Sessel und trat neben ihren Begleiter. Sie schwiegen bis die Frau die angespannte Situation löste:
„Lady Maud MacKinnon mittlerweile", sie streckte ihm ihre Hand entgegen. Alexander nickte und sah den grossen Bären an, der neben ihr verweilte und Alec abschätzend musterte. Lady MacKinnon stiess ihm in die Rippen, was diesen zum Brummen brachte:
„Ja." Mit einer schwingenden Handbewegung meinte Alec:
„Wollen Sie sich nicht setzen?", dabei trat er zu den Sesseln am Kamin. Lady MacKinnon nickte, aber ihr Begleiter bliebt an Ort und Stelle stehen:
„Nein", durchschnitt seine Stimme den Raum. Lady MacKinnon schüttelte den Kopf. Es war unmöglich die malenden Kiefer nicht zu beachten, welche sich bedrohlich aufeinanderpressten als der Mann weitersprach: „Wir sind den ganzen Weg hierhergereist, weil meine Schwester glaubt, Ihr Brief könnte der Wahrheit entsprechen. Nun", sagte er herausfordernd und blickte im Salon umher, „wo ist meine Nichte?", knurrte er. Alec wollte sich, trotz der beeindruckenden Gestalt, nicht einschüchtern lassen:
„Wie ich sehe ist es mit den Höflichkeiten dahin", erwiderte Alec entspannt und sah seinen Herausforderer an. „Ihre Nichte ist nun meine Frau und Sie befinden sich in meinem Haus, zu einer sehr unchristlichen Zeit und Sie fordern dennoch, auf sehr unhöfliche Weise, dass ich Ihnen Auskunft erteile?" Alexander konnte das Muskelspiel auf den Wangen des Bäres deutlich erkennen. Maud MacKinnon sprang auf und hielt ihren Bruder am Arm zurück.
„Verzeihen Sie Lord de Warenne. Mein Bruder ist ein halber Barbar", zischte sie, während sie ihn auf einen Sessel zerrte, „wenn es um Anstand geht. Wir bitten um Verzeihung. Die Reise war lang und sehr anstrengend. Es ist meiner Ungeduld zu zuschreiben, dass wir um diese Stunde an Ihre Haustür klopfen", die Frau kam einige Schritte auf ihn zu. Alec nickte verständnisvoll.
„Ihre Nichte ist momentan beschäftigt", begann er aber ihr Bruder sprang auf und unterbrach ihn:
„Siehst du Maud! Ich habe es dir gesagt, man kann diesem diesem"
„Robert duin do bheul agus thu samhach(6)! Sin a bhean(7)!" Dann wandte sie sich wieder an Alec, „Verzeihen Sie meinem Bruder, aber sein Temperament scheint mit ihm durchzugehen! Was ist mit Isabella, geht es ihr gut?" Alec konnte es dem schottischen Bären nicht übelnehmen. Wenigstens hatte Isabella jetzt einen Verwandten, der sich um sie sorgte.
„Ich versichere euch, sie ist gerne meine Frau und ihr geht es gut hier. Nur ist sie momentan in anderen Umständen", und ein Lächeln übermannte ihn.
„Tha i leatromach(8)?!", rief Maud begeistert und die grosse Frau griff nach Alexander und umarmte ihn. „Wie lange dauert es noch?"
„Eben in diesem Moment", und Alec kam es schlagartig wieder ins Bewusstsein, „ist sie am Niederkommen. Die Hebamme und der Doktor sind bei ihr." Maud MacKinnon löste sich von Alec und umschlang ihren Bruder.
„Hörst du das? Sie bekommt ihr erstes Kind und wir sind zum richtigen Zeitpunkt gekommen." Ihr Bruder legte den Arm um sie und nickte. „Nun gib ihrem Ehemann die Hand. Immerhin hat er uns unsere Isabella wiedergebracht!" Robert Campbell murrte widerwillig, streckte jedoch seine grosse raue Hand Alec entgegen:
„Tapadh leat(9)", meinte er. De Warenne nahm seine Hand und vermutete es hiess Danke.
„Folgt mir. Unsere Freunde sind im Salon im ersten Stock. Ihr könnt dort mit mir warten oder wenn Ihr wünscht lasse ich zwei Gemächer vorbereiten und Ihr könnt Euch schlafen legen." Er ging ihnen voraus in die Eingangshalle.
„Oh ich kann jetzt bestimmt nicht schlafen", meinte Maud, „ich warte gerne mit Euch im Salon." Isabellas Familie folgten ihm zum Blauen Salon. Alexander stellte den Campbells die Anwesenden vor und sie freuten sich die Verwandten seiner Frau kennenzulernen. Robert und Maud setzten sich beide an den Kartentisch und spielten die nächsten Runden mit. Isabellas Tante war die offenere und kontaktfreudigere, während ihr Bruder, der ausgezeichnet Karten spielte, der Verschlossenere war. John goss weiter Whiskys ein und Alec hatte bereits weitere vier Gläser getrunken, als Carson in den Salon stolperte:
„Mylord", haspelte er. Die Gespräche verstummten. „Mylord, Doktor O'Leary hat gesagt, dass es bald soweit sei!" Alec sprang sofort vom Stuhl auf und brachte den Tisch ins Wanken:
„Wie lange genau noch?", verlangte Alexander zu wissen und sein Herz hämmerte stärker denn je in seiner Brust. Sein Butler schluckte verlegen. Schweiss brach auf seiner Stirn aus und er tastete nach einem Taschentuch. Er zog es hinaus und betupfte zittrig seine Stirn:
„Mylord... ich weiss nur, dass es nicht mehr lange dauert." Alecs Unmut überschlug sich:
„Minuten?! Weitere Stunden?!"
„Mylord zwingen Sie mich nicht die Worte des Doktors in dieser Runde zu wiederholen", sprach Carson steif und sichtlich errötend. Alec fühlte, wie ihm die Wut ins Gesicht schoss. Marie schien sich ob des Butlers zu erbarmen und erhob sich:
„Alec, lass mich gehen, ich werde es herausfinden", sagte sie einfühlsam und verliess den Salon auf eiligen Fersen.
„Verzeihung Mylord", meinte Carson entschuldigend.
„Schon recht Carson. Es ist eine besondere Situation", beschwichtigte Rickard und entliess den Diener damit. Die Zeit schien in diesem Moment festgefroren zu sein. Alexander horchte und wartete. Die anderen mischten die Karten und begannen ein neues Kartenspiel, aber er umklammerte sein Glas. Wann kam Marie endlich zurück?! Plötzlich glitt die Tür auf und Penny trat in den Salon.
„Alec", rief sie. Erneut sprang er auf und fühlte sich nahe einer Ohnmacht. Seine Füsse traten von alleine zu ihr. Als er vor ihr stand sagte sie: „Es dauert höchstens noch eine Stunde. Dann ist euer Kind da", lächelte sie über ihre roten Wangen. Alecs Kehle wurde trocken. Es war unmöglich weiter hier im Salon zu bleiben. Er musste hinauf. Penny wich zurück als er sie zur Seite schob. „Alec, so warte doch!" warf sie ihm hinterher, aber er erklomm bereits die Stufen bis ins dritte Stockwerk. Er hörte, wie Penny ihm nachrannte. „Alec! Alec!", rief sie erneut und keuchte die letzten Stufen empor. „Alec mein Lieber. Es dauert nicht mehr so lange, dann ist alles ausgestanden."
„Ich muss zu ihr", er flehte sie beinahe an. Seine Freundin legte ihre Hand beruhigend auf seinen Arm:
„Alec, dies würde Isabella nur verunsichern und glaub mir", sagte sie ehrlich, „da will kein Mann hinein. Es ist Frauensache. Lass uns unsere Arbeit tun, so wie ihr eure auf dem Schlachtfeld verrichtet." Ihre Augen versicherten ihm, dass es seiner Liebsten gut ging.
„Ich bleibe hier draussen. Ich warte", meinte er stur. Sie schmunzelte:
„Tu das. Ich gehe wieder hinein und werde dir Bericht erstatten." Alec nickte und sah ihr nach als sie im Gemach verschwand. Einige Stimmen, die von Miss Stratford, Marie und seiner Ehefrau konnte er erhaschen. Isabella stöhnte beängstigend erschöpft. De Warenne lehnte den Kopf an die Wand und versuchte seine flatternden Nerven zu beruhigen. Seine Ehefrau war nur einige Schritte von ihm entfernt. Es ging ihr soweit gut. Seine Glieder zitterten, sie wollten bewegt werden. Er konnte nicht hier stehen bleiben, also begann er auf dem Flur vor der Tür auf und ab zu gehen. Immer wenn er die Tür passierte, warf er einen Blick auf sie und hoffte jemand käme herausgestürzt und würde ihn erlösen. Es konnten unmöglich erst fünf Minuten vergangen sein seit er hier vor der Tür hin und her schritt, dachte er erbost, als er die Holzuhr betrachtete, die im Gang hing. Er hörte Schritte, die sich im Raum bewegten und hielt inne. Kämen sie heraus? Aber die Schritte entfernten sich wieder und Alec begann seinen Trott von neuem. Zehn Minuten. Es war zum Haare raufen! Mittlerweile bedachte er die Tür mit bösen Blicken, so als würde dies etwas ändern. Er ging auf und ab. Wann käme Penny und würde ihm Neuigkeiten berichten! Weitere fünf Minuten zogen sich gähnend dahin. Als er soeben die Tür hinter sich liess, ging sie auf und er wandte sich hastig um. Pennys braune Mähne erschien:
„Man kann schon den Kopf sehen!" Ihr Lächeln war breit und sie nickte Alec aufmunternd zu: „Nicht mehr lange." Sie schloss die Tür und Alec lief noch schneller auf und ab. Zum Teufel! Es wurden Schlachten und Verhandlungen schon eher gewonnen und besiegelt, als dass dieses Kind die Welt erblickte. Was hatte der Herrgott nur gegen ihn! Er warf den Blick aus dem Fenster. Die Sonne war aufgegangen und erhellte den Flur. Ein neuer Tag brach an und tauchte Surrey in gleissendes Licht. Alec griff mit beiden Händen in sein Haar, diese Spannung war unerträglich. Auf und ab lief er. Dreissig Minuten! Er stellte sich vor die Tür, legte sein Ohr an und lauschte. Die Stimmen und hastigen Schritte konnte er wahrnehmen, jedoch waren die Worte nicht klar zu verstehen. Die Tür war zu dick.
„Isabella", wisperte er und schlug mit der Faust in die Wand. Verflucht, das tat weh! Er rieb sich missmutig die Knöchel und trabte weiter vor der Tür her. Seine Handflächen waren schweissnass und seine Ohren warteten auf das kleinste Geräusch. De Warenne versuchte sich daran zu erinnern, wie es gewesen war als Rickard auf die Welt gekommen war, aber er musste noch zu klein gewesen sein, um dies zu realisieren. Als Elaine zur Welt kam, da war sein Vater ebenfalls rastlos in seinem Arbeitszimmer umhergelaufen. Alec hatte ihn damals beobachtet. Dort hatte er sich schon verändert, aber zum Zeitpunkt von Elaines Geburt waren wieder die liebenswerten Züge zum Vorschein gekommen, die Alec bei seinem Vater so vermisst hatte. Ein weiterer Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er schon geschlagene vierzig Minuten den Läufer im Flur malträtierte. Er verschränkte seine Arme auf dem Rücken und wartete. Plötzlich hörte er einen lauten Aufschrei, der durch seine Glieder fuhr, dann viele Schritte und jäh trat Ruhe ein. Alec war wie angewurzelt stehen geblieben und hypnotisierte die Tür. Weitere Fusstritte waren zu hören. Alec hielt den Atem an.
(1) Halt deinen Mund und sei still
(2) Sie ist seine Frau
(3) Sie ist schwanger
(4) Danke
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...