Kapitel 2

565 37 6
                                    

Auf dem Versammlungsplatz hielten sich schon alle bereit. Dustin hielt Arac und Alec stieg auf.
„Marcus" rief Alec „wenn mein Bruder eintrifft, soll er sich erst ausruhen und dann nachkommen. Ohne Schlaf ist er ein zu grosses Hindernis". Marcus nickte. Jackson trabte neben ihn und sie ritten mit den Männern los.
Die verschiedenen Gruppen der Heerführer trafen in der Hälfte des Weges aufeinander und bildeten eine einzige grosse Front, die gen Edinburgh ritt. Auch Alecs Offiziere stiessen mit seinen Männern hinzu und kannten nur eine Richtung. Wie schon bei Arcioldun zogen sich dunkelgraue Wolken am Himmel zusammen, je näher sie ans Ziel gelangten. Einige Meilen vor Edinburgh stand eine Front aus Schotten. Keine Kavallerie, nur Fusssoldaten. Die Engländer waren ihnen hoch aus überlegen. In dieser Distanz war es schwer zu erkennen, doch Alec glaubte, bevor die Sonne untergegangen war, Männer mit Stallgabeln bewaffnet gesehen zu haben. Thomas blickte ihn an
„Das ist wohl ein schlechter Scherz!? So wenige Schotten verteidigen eine so wichtige Stadt?!" Thomas schüttelte ungläubig den Kopf „und ich könnte schwören, ich habe eine Stallgabel bei einem der Soldaten entdeckt"
„Arrrrh! Wir müssen etwas tun" sagte Alec. Er winkte ei-nen Knappen zu sich „Verbreite die Nachricht unter den Männern, sie sollen alle gefangen nehmen. Sie sollen die gegnerischen Männer überwältigen, wenn nötig mit Faustkampf" der Knappe nickte und rannte los. Alec wendete Arac und galoppierte die Linie entlang zu James. „James!" er drehte den Kopf und sah ihn an „die Soldaten" sagte Alec und James erwiderte
„Ich habe es gesehen! Keine Kavallerie! Nur Stallgabeln und was weiss ich noch! Ich gab meinen Männern den Befehl sie zu überwältigen!" Alec nickte
„und John?"
„Ich bin mir sicher, er handelt genauso!". Alec nickte erneut und wendete Arac um zu Thomas zurückzureiten.
„Selbe Taktik?" fragte Thomas.
„Ja"
Die letzten Strahlen der Sonne verblassten und die Dunkelheit breitete sich zwischen den beiden verfeindeten Linien aus. Das donnernde Klopfen und schlagen der Schwerter liess die Erde erzittern. Die Front aus Engländern zog nach vorne. Arac schnaubte vor Erregung und Alec hielt ihn so gut er konnte zurück. Immer näher kamen sich die beiden Linien. Als sie eine gewisse Distanz erreicht hatten, blieben beide Fronten stehen. Die Linie der Engländer war fünfmal so lang, wie diejenige der Schotten. Es grenzte an Wahnsinn, was diese Schotten hier taten. Die Piper stimmten ihr erstes Lied an und mit dem Schlachtruf begann der Kampf.

Ω

Seit Alexander sie vor zwei Tagen verlassen hatte fühlte sie sich rastlos und unruhig. Gedankenverloren strich sie sich immer wieder über ihren Bauch. Was sollte sie nur tun, wenn er im Kampf fiel? Schlimme Bilder stiegen auf und sie rieb sich ihren Kopf. Ruhe bewahren, sagte sie sich innerlich. Schuld war nur dieser König! Sie hatte einige Gespräche mitgehört, als Alexander hier seine Soldaten empfangen hatte. Dieser Henry war einfach noch jung und naiv, als dass er eine Ahnung hatte, wie viel Elend ein Krieg über das Volk brachte. Sie war entsetzt darüber gewesen, als sie Einzelheiten über diesen König erfahren hatte. Blutrünstig und rücksichtslos metzelte er alles nieder, was ihm in die Quere kam. Isabella hatte aus den Gesprächen vernommen, dass die Mehrheit der Peers absolut nicht hinter seinen Ideen standen und sie die Zeit seines Vaters zurücksehnten, doch sie hielten zu ihrem Treueschwur und würden für ihren König sterben.
„Wie dumm" presste sie hervor. „Oje... Ruhe bewahren... Ruhe". Es war schwer, sie konnte sich kaum abgrenzen. Sie fühlte sich verloren, da sie nichts ausrichten konnte. Doch sie musste Alec und dem Kind zu liebe ihre Wut vergessen. Nun gut, sie würde nun ihr Buch hervorholen und sich von den Zeilen ablenken lassen. Sie schlug ihr Buch auf Seite neunundsiebzig auf.
„Isabella? Bist du hier?" fragte die vertraute Stimme von Rickard. Froh, um eine wirkliche Ablenkung schlug sie ihr Buch zu und setzte sich auf
„Rickard?". Er trat ein
„Meine Schwägerin" grinste er und umarmte sie.
„Welch glückliche Abwechslung. Alexander ist vor bald drei Tagen abgereist und ich langweile mich zu Tode"
„Dann bin ich froh, dass ich den Doktor gefunden habe. Der wird euch schon auf andere Gedanken bringen. Er muss sich nur erst frisch machen"
„Ach Rickard, Alec ist einfach überfürsorglich. Etwas Würzwein?" Rickard nickte bejahend und Isabella goss ihm einen Becher ein.
„Er hat recht... ihr und das Kind, bedeutet meinem Bruder alles" sagte Rickard aufrichtig, trank einen Schluck und meinte etwas wehmütig „wäre ich ein solch glücklicher Ehemann, mir würde es genauso ergehen". Isabella sah ihn an und erkannte die Einsamkeit in seinen Worten.
„Rickard... ihr wisst schon, dass ihr an eurem Pech selbst Schuld habt?" Abrupt hob er den Kopf und senkte seinen Becher
„Wie darf ich das nun verstehen?" Isabella neigte den Kopf zur Seite
„Rickard... ich bin nicht blind. Ihr und Miss Beaufort?" Eine zarte Röte stieg ihm den Hals hinauf und verfärbte seine hohen Wangenknochen. Er nippte verlegen an seinem Becher und Isabella fuhr fort „Als Dienstmädchen in einem Haushalt, erfährt man so allerlei Interessantes. Ich war der Ansicht, dass ihr euch sehr zugetan seid, bis zu dem Abend des"
„Maskenballes" seufzte Rickard „allerdings... es ist nur... Penny ist, sie ist" er sah sie direkt an „noch so jung, fast noch ein Kind". Isabella strich ihr Kleid glatt und erwiderte
„Nun, mir kam sie nicht wie ein Kind vor. Im Gegenteil, ich habe sie als sehr reife Frau erlebt. Sie hat sich rührend um euch gekümmert, als ihr verletzt wart". Isabella liess ihre Worte wirken. Rickard schien in Gedanken. „Ich weiss es geht mich durchaus nichts an, doch es würde mich interessieren wieso ihr gebrochen habt, denn danach kam mir Lady Penelope Beaufort ziemlich traurig vor"
„Wirklich?" fragte Rickard erstaunt „Sie kam euch traurig vor?" Isabella nickte und nahm einen Schluck Würzwein. „Isabella, ich weiss ich bin ein Tunichtgut" er rieb sich die Augen „für mich war... ist dieses Gefühl vollkommen neu. Es hat mich verwirrt, ja gar geängstigt. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich wusste schon länger, dass Penelope eine Art Schwäche für mich hatte, doch sie war so ganz anders als die anderen Damen, die mir unverblümt zu verstehen gaben, dass sie an mir interessiert waren. Ausserdem war sie für mich immer dieses kleine süsse Mädchen gewesen, das lieber in Büchern schmökerte als mit anderen Damen zu Klatschen. Sie war soo... ich nun ja, war sicherlich kein einsamer Mann. Ich habe einen gewissen Ruf und den habe ich als Junggeselle auch genossen"
„Und dann kam dieser Abend, als Miss Beaufort sich um euer Wohl gekümmert hat und ihr habt festgestellt, dass sie zu einer reifen und wunderschönen Frau herangewachsen ist?" Rickard blickte Isabella an und schloss die Augen
„Jaa... genau so war es. Plötzlich habe ich sie als weibliches Wesen wahrgenommen und es hat mir gefallen... Ich wollte sie um mich haben und mich mit ihr unterhalten. Unbewusst behandelte ich sie wie eine Lady, die ich begehrte, machte Komplimente, berührte sie sanft und bevor ich mich versah, musste ich mir eingestehen, dass ich mich nach ihr verzehrte. Dann kam dieser eine Moment und ich habe sie geküsst". Er schwieg, blickte betrübt in seinen Becher. Nach einer Weile sprach er weiter „Dieser Moment... er hat mir Angst eingejagt. Ich wollte alles rückgängig machen, ich würde sie nie glücklich machen. Ich bin nicht geschaffen für die Ehe. Ich wäre kein guter Ehemann". Isabella streckte ihre Hand aus und legte sie auf seine.
„Rickard... in der Tat ihr seid ein Dummkopf" lächelte sie „welchem Mann macht diese Hürde den keine Angst?" Er schüttelte die Schultern
„Alec?" Isabellas Lächeln wurde breiter
„Ihr glaubt wirklich euer Bruder war von Anfang an dafür mich zu ehelichen? Mich, eine Dienstmagd? Nein. Euer Bruder hat mir mehrere Angebote unterbreitet, die ein Mädchen in dieser Stellung dankend angenommen hätte. Wir beide hätten bestimmt niemals geahnt, dass unsere Geschichte so enden würde. Und als Frau kann ich euch nur sagen, es ist nicht einfach in einen Mann eurer Familie verliebt zu sein. Ständig laufen euch Damen und Dienstmädchen hinterher und gerade bei euch, kann ich mir vorstellen, dass es für Miss Beaufort nicht gerade einfach war mit anzusehen, hinter welchem Rock ihr nun erneut her seid". Rickard erhob sich und lief im Zelt umher
„Ich weiss... ich weiss! Was hab ich nur angerichtet. Jetzt weiss ich, dass ich eigentlich nur Penelope an meiner Seite wissen will, doch ich bin meilenweit entfernt von ihr und wer weiss wie lange dieser verdammte Krieg noch dauert" er liess sich auf den Stuhl sinken.
„Ich bin mir sicher, dass sie euch noch eine Chance gibt. Sie wirkte auf mich nicht wie eine Lady, die sich schnell von einer Sache abwendet... ich denke sogar sie hat noch lange daran zu knabbern. Immerhin habt ihr sie vor den Kopf gestossen". Rickard sass zusammengesunken auf dem Stuhl und Isabella überliess ihn seinen Gedanken. Sie war überzeugt, wenn Rickard sich endlich eingestehen würde, dass er tiefe Gefühle für Penelope Beaufort hegte, alles ein gutes Ende nehmen würde. Seit dem Tag an dem Rickard und sie einen Neuanfang beschritten hatten, behandelte er sie bereits wie eine Schwägerin. Er hatte sich immer nett mit ihr unterhalten und sie hatten eine freundschaftliche Basis geschaffen. Rickard war ein unsteter Mann, voller Energie und Lebensfreude und Isabella fand es interessant mitanzusehen, wie er langsam begann sein Leben in ernstere Bahnen zu lenken. Eine Penelope Beaufort würde nur allzu gut in sein Junggesellendasein passen, da sie für ihn einen guten Gegenpol darstellte. Sie verliess das Zelt und machte einen letzten Spaziergang bevor die Sonne am Horizont versank. Das Lager war um einiges ruhiger, wenn die Soldaten weg waren und erinnerte Isabella eher an ihr Dorf in den Highlands. Die Jungen gingen auf die Jagd und versorgten die Lagernden mit Wild. Obwohl Dustin oft freiwillig die Wache vor Isabellas Zelt übernahm und somit die meiste Zeit beschäftigt war, sah sie ihn auch wie er mit einigen seiner Kameraden mit Pfeil und Bogen in das Grasland und die Hügel neben dem Lager verschwand, um einige Stunden später mit fetten Hasen und Fasanen zurückzukehren. Wie auch jetzt. Dustin und eine Gruppe von jungen Soldaten kehrten ins Lager zurück. Er winkte ihr zu und verschwand dann im Versammlungszelt. Als Isabella in ihr Zelt zurückkehrte, wartete Rickard dort mit ihrem Arzt.
„Es tut mir leid, aber Doktor Hemsmith muss so schnell wie möglich weiterreisen. Deshalb, müsste er euch jetzt noch untersuchen, wenn es für euch genehm ist?" fragte Rickard.
„Mylady" sagte Doktor Hemsmith und machte einen Knicks.
„Doktor. Ich habe Rickard, wie auch meinem Ehemann bereits gesagt, dass mit mir und dem Kind alles recht ist, doch leider wollten sie nichts davon hören" lächelte Isabella und setzte sich auf das Bett.
„Nun meiner Erfahrung nach, machen sich die Väter immer zu viele Sorgen um ihren Erben und die Mütter haben ein natürliches Gefühl für ihre Situation" meinte er und stellte seine Arzttasche auf das Fussende des Bettes. „Wenn sie uns nun entschuldigen würden Sir" meinte er an Rickard gewandt. Rickard nickte
„Natürlich Doktor. Isabella ich bin vor dem Eingang, falls ihr etwas benötigt"
„Mylady ich bitte sie sich zu entkleiden und unter die Decke zu schlüpfen. Hat schon jemals ein Arzt eine Untersuchung bei ihnen durchgeführt?" meinte er sanft.
„Nein Doktor Hemsmith" sagte Isabella sichtlich nervös.
„Keine Sorge meine Dame" er hantierte mit seiner Tasche und Isabella nutzte die geschenkte Möglichkeit, streifte ihr Kleid ab und schlüpfte unter die Decke. „So, dann wollen wir mal nachsehen, wie es dem Kind geht. Bitte winkeln sie die Beine an Mylady". Isabella befolgte seine Anweisungen. Doktor Hemsmith plauderte sichtlich entspannt weiter und verwickelte Isabella in ein angenehmes Gespräch. Als er fertig war, strich er die Decke wieder glatt und trat an ihre Seite „Mylady wo und wie genau waren die Schmerzen, die sie verspürt haben?" Isabella setzte sich etwas auf und antwortete
„Sie waren auf der Seite des Bauches und es fühlte sich an wie ein sehr unangenehmes Ziehen". Hemsmith schritt nachdenklich zu seiner Tasche
„Gut, was ich sagen kann ist, dass sich das Kind gut entwickelt und gesund ist für ein Kind im ungefähr fünften Monat. Auch habe ich keine Veränderungen ihrer Gebärblase erkannt und somit sehe ich keine Gefahr für euch und das Kind. Die Kontraktionen könnten allerdings frühe Wehen gewesen sein. Deshalb verordne ich euch Ruhe und dass ihr euch entspannt". Er machte eine Pause „und Mylady sie sollten den Beischlaf von jetzt an auslassen, bis das Kind geboren wurde. Denn leider führt häufiger Beischlaf zu frühen Wehen und sie wollen doch nicht, dass ihr Kind zu früh auf die Welt kommt?" Isabella schüttelte den Kopf
„Natürlich nicht. Da mein Ehemann sich gegenwärtig im Krieg befindet und längere Zeit nicht zurückkehrt, sehe ich darin keine Gefahr mehr". Die unverblümte Art und Weise, wie Isabella dies sagte, verursachte beim Doktor eine rosa Färbung im Gesicht. Scheinbar war er es nicht gewohnt, dass die Damen, die er sonst untersuchte, so offen darüber sprachen. Er verabschiedete sich und Isabella schlüpfte in ihr Kleid. „Rickard ihr könnt wieder eintreten" rief sie nach draussen, da sie sicher war, dass er noch wartete. Er trat hinein und schmunzelte
„Uuund?"
„Rickard, ich habe es ja bereits gesagt, es geht uns gut" und Isabella lächelte ihn an.
„Da bin ich beruhigt und Alec bestimmt auch. Ich werde ihm einen Boten senden... Morgen" gähnte er.
„Tut das. Geht und ruht euch aus, ihr sieht furchtbar aus" neckte sie ihn und Rickard folgte ihrer Aufforderung und verliess das Zelt.
In dieser Nacht schlief Isabella äusserst schlecht. Sie wälzte sich unruhig zwischen den Fellen und wachte mehrmals schweissgebadet auf. Als sie erneut aus dem Schlaf hochschreckte, strich sich Isabella im Dunkeln über ihren Bauch. Irgendetwas beunruhigte sie, liess sie nicht zur Ruhe kommen. Sie entzündete eine Kerze und setzte sich aufrecht ins Bett. Gerade als sie sich davon überzeugen wollte, die Kerze zu löschen und dem Schlaf noch einmal eine Chance zu geben, vernahm sie Stimmen. Es waren mehrere. Sie klangen aufgeregt, hektisch und waren ihr vollkommen unvertraut. Ihr Herz begann wild zu pochen und sie spürte den Herzschlag bis zu ihrem Hals. Hastig schlüpfte sie unter den Fellen hervor, griff auf ihrem Nachttisch zum Stilett und hielt es sich hinter den Rücken.


Sorry für den Cliffhänger ;p!
Irgendwelche Verdächtigungen??

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt