Kapitel 3.13 - Talbots Ingrimm

392 32 2
                                    

Sie schreckte auf. Isabellas Nacken tat weh. Sie blinzelte und als sie die Augen endlich geöffnet hatte, wusste sie genau, wo wie war. Sie lehnte an der Hütte neben dem Teich. Es war still. Nichts war zu hören. Der Schmerz in ihrer rechten Hand kam jäh zurück und Isabella versuchte sich an der Hüttenwand hochzustemmen. Sie glitt an ihr entlang und spähte abermals an ihr vorbei. Die Feuer waren erloschen, der Kessel war fort und von der Alten war keine Spur mehr zu sehen. Das grosse Feuer räucherte noch vereinzelt und verriet damit, dass es vor Stunden noch gebrannt hatte. Keine Leiche war mehr am Boden. Sie waren alle auf irgendeine Weise weggeschafft worden. Isabella blickte umher. Auch kein Söldner war zusehen. Waren sie gegangen, ohne sie mitzunehmen? Doch bevor sie mehr darüber nachdenken konnte, bewegte sich in der Nähe ein Busch und Isabella starrte darauf. Einen Augenblick später kam Rosco gefolgt von seinen Söldnern aus dem Wald. Sie sahen sehr mitgenommen aus. Die meisten von ihnen trugen nur Hosen, hatten teils tiefe Kratzer und waren blutverschmiert. Er sah sie unbeteiligt an, stieg auf sein Pferd und ritt auf sie zu. Sie wich an die Hauswand zurück, aber er packte sie unsanft an ihrem Arm und zog sie hoch. Isabella wusste nicht was es für Blut war, aber keiner der anderen Söldner fehlte oder war verletzt. Sie schauderte. Er sprach kein Wort und sie ritten ins Lager. Das Schweigen war zum zerreissen gespannt und die Gedanken, welche in ihrem Innersten kreisten, verbesserten diesen Umstand keineswegs. Waren die anderen geflohen? Hatte es geklappt? Oder hatten sie erfahren, dass Isabella gezwungen worden war die Söldner zu begleiten? Und hatte sie dies abgehalten den Plan zu verfolgen? Nervös liess sie ihre Augen über die Zelte gleiten, als sie näherkamen. Das Gefangenenzelt stand noch immer am Rande des Lagers. Rosco stieg ab und überliess Isabella sich selbst.
„Verschwinde in deinem Lager" sagte er zu ihr und Isabella nickte. Sie lief zwischen den Zelten hindurch und sah wie Talbot mit ein paar Männern vor dem Feuer sass. Was für ein Dummkopf, er hatte seit der letzten Nacht nicht einmal nach den Gefangenen gesehen?! Hoffentlich waren sie geflohen, betete Isabella. Als sie an einem Zelt vorbeikam, sah sie, dass eine Whisky Flasche davor stand, sie griff nach ihr und steckte sie unter ihren Mantel. Als sie ihr Zelt erreicht hatte, setzte sie sich erleichtert auf ihre Pritsche und lauschte. Sie konnte nichts hören. Sie öffnete die Flasche und nahm einen Schluck. Sie brauchte wenigstens einen. Rasch löste sie ihren provisorischen Verband. Sie presste ihre rechte Hand auf ihr rechtes Bein, sie wusste sie würde stark Zucken und könnte die Hand nicht alleine ruhig halten. Sie nahm die Whisky Flasche in die linke Hand.
„Na dann". Sie spreizte die Finger der Rechten und goss mit der Linken den Alkohol über die klaffende Wunde. Ein Schrei entfuhr ihrer Kehle, doch sie biss sich auf die Zunge, um einen Weiteren zu unterdrücken. Ihre rechte Hand zitterte und krampfte. Sie hielt inne. Ihr Kopf war glühend heiss. Sie keuchte und schnappte nach Luft. Der Blick ging zu ihrer Handfläche. Die Wunde schimmerte rosé und die durchsichtige Flüssigkeit glitzerte. Sie schüttelte die Hand und atmete tief durch. Sie wiederholte die Prozedur noch dreimal, bis sie das Gefühl hatte der stechende Schmerz wäre nicht mehr so durchdringend. Aber um ehrlich zu sein, musste sie sich eingestehen, dass sie bald in Ohnmacht fallen würde, sollte sie nicht aufhören. Sie stellte die Flasche unter ihr Bett. In ein paar Stunden könnte sie es noch einmal wiederholen. Sie liess sich auf ihre Felle niedersinken, ihre Augen schlossen sich.
Jemand riss sie an ihrem Arm hoch und Isabella erwachte unsanft aus ihrem Halbschlaf. Sie konnte unmöglich sagen, wie viel Zeit schon vergangen war seit sie eingenickt war, doch nun blinzelte sie verwirrt in die teuflischen kleinen braunen Augen von George Talbot. Seine Augenbrauen hatten sich zu einer Linie zusammengezogen und er sah sie finster an. Mit einem Ruck riss er sie von ihrer Pritsche und schleifte sie aus ihrem Zelt. Isabella mühte sich auf die Beine zu kommen, doch vergeblich. Er zerrte sie vor den Eingang des flatternden Zeltes und liess sie angewidert los. Isabella sah weitere Fusspaare und blickte in einen Halbkreis aus Söldnern und Talbots Männern, die sich um sie und ihr Zelt aufgestellt hatten. Talbot zitterte vor bebender Wut und schritt vor ihr auf und ab. Von Sinnen schrie er
„Duuuu hast sie befreit! Du widerwärtige Hure!" Talbot sprang auf sie zu und Isabella verspürte einen donnernden Knall. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Schädel entzweibrechen. Es war ihr unmöglich aufrecht zu bleiben, so kippte sie auf die Seite. Blut quoll aus ihrem Mund. Sie öffnete die Augen, doch sie nahm alles nur noch verschwommen wahr. Sie fühlte die Beule, die sich an ihrem Hinterkopf formte und wie Talbot weiter auf sie einschlug. Ein weiterer harter Schlag traf sie auf den Rücken und liess sie ganz auf den Boden sinken. Die Geschehnisse um sie herum bewegten sich auf einmal ganz langsam und Isabella versuchte ihren Kopf, der nur noch einige Zoll vom Boden entfernt war, auf zu heben. Sie schwankte und konnte ihn kaum ruhig halten, um etwas zu erkennen. Ihr Mund hatte sich unangenehm mit metallisch schmeckendem Blut gefüllt, sie spie es aus. Ein Gedanke erschien in ihrem benebelten Verstand; sie hatten es geschafft! Und dann glitten ihre Lider zu.


Das Schmatzen von Schuhen, die durch matschigen nassen Schlamm wateten, weckte Isabella unsanft aus ihrem Schlaf. Noch bevor sie die Augen geöffnet hatte, berührte sie eine pochende Stelle an ihrer Schläfe
„Aua" murmelte sie und öffnete ihren Wimpernkranz. Verschwommen nahm sie war, dass sie auf ihrer Pritsche unter einem ihrer Felle lag, angekettet an ihren alten Pfahl. Ihr linkes Auge schien zugeschwollen und allmählich fühlte Isabella auch den Rest ihres geschundenen Körpers. Jeder einzelne Knochen schien sie zu schmerzen und bei jeder Bewegung musste sie kurz innehalten. Vorsichtig betastete sie ihr Ungeborenes. Es fühlte sich wohlig vertraut und immer noch warm und lebhaft an. Isabella setzte sich aufrecht hin und hörte, wie sich ein schmatzendes Fusspaar ihrem Zelt näherte. Schützend legte sie ihre Hände auf ihren Bauch und bedeckte ihn mit Fellen. Die Zeltwand hob sich und einer von Talbots Männern trat ein, warf einen abschätzenden Blick zu ihr und stellte eine Schüssel auf den Tisch neben ihre Pritsche. „Wie lange war ich weg?" fragte Isabella leise. Der Soldat schien überrascht, dass sie ihn angesprochen hatte. Er blickte sie verwirrt an. „Wie lange habe ich geschlafen?" fragte sie noch einmal, dieses Mal jedoch mit etwas Nachdruck. Der Soldat murrte und meinte ganz knapp
„Mehrere Tage". Er liess Isabella zurück und verliess ihr Zelt. Missmutig stocherte sie in dem Essen herum. Sie konnte es schwer kauen. Ihre Mundhöhle war von den Schlägen noch stark aufgeschlitzt und nach ein paar Bissen, stellte sie den Teller beiseite. Als sie ihrem Wärter erklärt hatte, sie wolle sich kurz zurückziehen, hatte er ihre Fesseln vom Pfahl gelöst und sie trat vor ihr Zelt. Doch was sie da sah, liess ihre Stimme erzittern
„Wwarum sind wir nicht mehr in Buthbren?"

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt