Kapitel 3.17 - Der neue König

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Jackson trank den heissen dunklen Kaffee, den er sich hatte eingiessen lassen.
„Gab es sonst noch irgendwelche Geschehnisse auf der Reise hierher?", fragte Alec neugierig.
„Nichts Spezifisches... Lord Wiltshire hat sich nicht gerade beliebt gemacht. Er hat natürlich versucht Geoffrey Rudin als Verräter darzustellen, doch zum Glück hat sich der Richter nicht blenden lassen." Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee: „Viele Heerführer haben ihre Truppen vor London campieren lassen. Ich habe unsere jedoch nach Hause gesandt. Sie sollten mittlerweile aufgebrochen sein." Alec nickte zustimmend. Wenigstens würden seine Männer in ungefähr fünf Tagen Carlisle erreichen und Rickard unterstützen, falls er sie benötigte. Jackson blickte sich im Saal umher und flüsterte dann: „Wie lange glaubst du wird unsere Anwesenheit hier noch verlangt?" Alec schüttelte den Kopf. Er war sich sicher, dass der erste Hauptmann verpflichtet war hier zu bleiben, bis ein Thronfolger gefunden worden war. Seine Augen fielen auf Graham Lord Ainsworth, der Earl of Wiltshire, der gerade an einem Tisch Platz genommen hatte und sich angeregt mit einem Gentleman unterhielt, den Alec nicht kannte.
„Wann wurde eigentlich die Nachricht des Todes von König Henry VIII verbreitet?", fragte Jackson.
„Am nächsten Morgen", brummte Alec und sah finster zu Lord Ainsworth.
„Dann hat sich die Nachricht ziemlich schnell verbreitet", meinte Jackson. „Je näher wir nach London kamen, umso mehr Dörfer hatten schon Kenntnisse darüber. Wir mussten dafür sorgen, dass gewisse Heerführer und ihre Männer nicht allzu ausgelassen feierten... und Lord Wiltshire", er blickte über seine Schulter, „war keine grosse Hilfe. Seine Männer trieben es auf den Gipfel und James musste ihnen Einhalt gebieten." Alec schnaubte. Dies sah einem solchen Mann ähnlich. Während der Schlacht möglichst weit hinten stehen und wenn es um den Sieg ging, als Erster die Lorbeeren einsammeln. Ein Diener trat an ihren Tisch.
„Verzeihung Mylord, eine dringende Nachricht des kleinen Rates." Er überreichte Alec ein Pergament, worauf er James kritzelnde Handschrift erkannte. Er überflog die drei Zeilen und sah auf:
„James bittet mich erneut an einer Sitzung des kleinen Rates teilzunehmen." Sie erhoben sich und Jackson begleitete ihn zum Saal des kleinen Rates. „John", rief Alec, als sie in den Korridor zum Saal einbogen. John Beaufort blickte auf und hielt in seinem auf und ab gehen inne.
„Alexander, Thomas", und sagte dann an Alec gewandt, „hast du ebenfalls eine Nachricht erhalten?" Alexander nickte. Die doppelte Flügeltür wurde, wie schon so oft, von einem Diener geöffnet und Alec und John traten in den Saal. Jackson warf ihnen einen Blick nach und wartete im Korridor. Die Drei, die neun Ratsmitglieder und Gillian Lumley sassen alle um eine lange eckige Tafel. Zwei Stühle standen leer. Gillian deutete auf sie und bat sie sich zu setzen. John und Alec folgten der Aufforderung und liessen sich auf die Stühle nieder. Duke de Clare räusperte sich und zog somit die Aufmerksamkeit auf sich:
„Herzlichen Dank, dass sie beide unserer Einladung gefolgt sind." Lord Napier blickte säuerlich zu Alec und wandte dann rasch den Blick ab. „Wir alle wissen, welch grosse Dienste sie und ihre Männer im Namen der englischen Krone vollbracht haben. Nicht nur, dass sie den Krieg für uns gewonnen haben, sie haben uns unseren König auch so schnell es die Umstände erlaubt haben nach London gebracht und uns ermöglicht ihn in Ehren zu begraben und die Botschaft seines Ablebens dem Volke mitzuteilen. Die englische Krone ist ihnen zu grossem Danke verpflichtet! Der kleine Rat und auch die Drei, haben diese Woche intensiv genutzt, um die Thronfolge sicher zu stellen. Leider hat unser verstorbener König keine Nachkommen hinterlassen. Er wollte eine Ehe eingehen, wenn der Krieg vorbei und Schottland sein wäre... und leider hat auch seine einzig noch lebende Schwester Margarete Plantagenet keine Nachfahren mit König Jakob IV gezeugt, sodass wir vor einem grossen Problem standen." Ein Diener trat an den Tisch. Er trug ein grosses altes in ledergebundenes Buch und legte es vor Duke de Clare auf die Tafel. „Aber uns ist dieses alte Buch in die Hände gefallen. Es enthält die Stammbäume aller englischen Monarchen. Jeder König von England, so scheint es, hat seine Stammeslinie in diesem Buch festgehalten. Wir, der kleine Rat mussten mit Bedauern feststellen, dass wir darüber keine Kenntnisse hatten. Doch", auf dem Gesicht von William de Clare breitete sich ein grosses Lächeln aus, „Theobald Gurdin vermutete, dass ein solches Buch existierte und er hat sich auf die Suche danach begeben." Duke de Clare schlug das Buch auf und legte sanft die Seiten um, so als befürchtete er sie würden zerbrechen. „Wir hatten nach alten Verbindungen gesucht, die uns möglicherweise entgangen waren... und tatsächlich fanden wir wonach wir gesucht hatten. Der Stammbaum der Plantagenets. König Henry VII, Gott sei seiner Seele gnädig, hatte einen Bruder!" Er wendete das Buch so, dass nun Alexander und John den Stammbaum der Familie betrachten konnten. „Diese Verbindung war uns allen unbekannt." Er machte eine Pause und Alexander folgte dem Stammbaum auf dem vergilbten Pergament. Neben dem Namen von Henry VII stand ein weiterer Name, der mit einer feinen Linie mit diesem verbunden war. Harald. Er war verbunden mit dem Namen einer Frau, Magdalena Tudor. Von ihnen aus ging eine Schlangenlinie nach unten zu dem Namen Arthur. Dieser war verbunden mit dem Namen Catherine de Warenne und eine weitere Schlangenlinie führte zu dem Namen Edmund Tudor. Alec schluckte. Er blickte auf und suchte die Augen seines Cousins. Edmund hob seine Augenbrauen und lächelte verstohlen. Alec sah sich in der Runde um, warf einen verblüfften Blick zu James und wandte sich dann an William de Clare:
„Dies bedeutet..., dass Edmund Tudor der neue rechtmässige König von England ist?" Er versuchte seine Überraschung so gut es ging zu verbergen, doch er schien nicht der Einzige zu sein, den diese Nachricht vollkommen kalt erwischte.
„Jawohl", entgegnete Duke de Clare. „Selbstverständlich müssen noch einige Dinge geklärt und Dokumente überprüft werden", de Clare sah ebenfalls zu Edmund, doch es scheint so, dass Duke Tudor der neue und rechtmässige Thronfolger von England ist." Alexander war baff. Seine Familie?! Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Er ist der einzig männliche Bluterbe, den wir haben", sagte de Clare.
„Wieso wusste niemand von dieser Verbindung?", fragte John, der ebenfalls geplättet über diese verblüffende Nachricht schien.
„Wir vermuten, dass der Grossvater von Duke Cornwall der geheime Zwilling des verstorbenen Königs Henry VII war." William de Clare machte eine bedeutungsvolle Pause: „Viele Herrscherfamilien, wie auch andere, fürchten sich vor zu vielen Söhnen, geschweige den Zwillingen. Eine solche Konstellation könnte die gesamte friedliche Atmosphäre zerstören. König Henry VII hat nie verlauten lassen, dass er einen Bruder besitzt und das Buch hier, war lange Zeit verschwunden", erwiderte William de Clare.
„Und", sagte nun Edmund, „auch meine Familie liess nie etwas darüber verlauten, muss ich gestehen. Ich wusste nur, dass mein Grossvater früh verstorben war, wie danach mein Vater und er mit seiner Familie gebrochen hatte. Es scheint wohl, als hätte er den Namen seiner Frau, Tudor, für alle seine Nachfahren übernommen." Stille trat ein. Dies war eine solch überraschende, wie auch unglaublich gute Nachricht, dass Alec schmunzeln musste. Sein Cousin war der neue König von England!
„Wir, der kleine Rat und auch die Drei wollten, dass sie Lord Cumberland und auch sie Lord Somerset, als Erste über diese Information in Kenntnis gesetzt werden, da sie über alle Massen das Vertrauen dieser Runde geniessen. Natürlich bitten wir sie, bis die offizielle Erklärung verlautbart wurde, den Deckmantel des Schweigens darüber auszubreiten." De Clare erhob sich und die Mitglieder der Runde taten es ihm gleich. Das Buch wurde sorgfältig von Theodor Gurdin vom Tisch gehoben und er übergab es einem Diener. Alec und John gingen auf Edmund zu und machten eine Verbeugung.
„Es ist noch nicht soweit", er schmunzelte. James kam hinzu und sie begannen sich zu unterhalten. „Ich denke in ein paar Wochen werden die nötigen Dokumente gefunden sein und der kleine Rat wird es verkünden. Von nun an bin ich aber nicht mehr im kleinen Rat tätig. Dies war meine letzte Besprechung, ausser es würde sich zum Gegenteil wenden", meinte Edmund und James sagte:
„Das vermag ich nicht zu glauben. Dieses Buch ist meiner Meinung nach der einzige Beweis, den wir benötigen. Wenn ich dich wäre, würde ich deine Frau darauf vorbereiten." Edmunds heiteres Gesicht wurde blass:
„Daran habe ich ehrlicherweise noch nicht gedacht... ich weiss nicht, wie sie diese Nachricht aufnehmen wird", sagte er etwas besorgt. John erhob sein Glas, dass ihnen von Dienern gereicht wurde:
„Ich möchte mich hiermit für das Vertrauen des Rates und der Drei bedanken und auch wenn es noch nicht offiziell ist, so hoffe ich bald euch Duke of Cornwall, als neuen König von England gegenüber zu treten!" Die Gespräche um sie herum wurden wieder lauter und Alec hörte nicht einmal, dass jemand an die doppelte Flügeltür geklopft hatte, bis er am Arm gestupst wurde. Die Gespräche verstummten erneut. Ein Junge stand vor ihm und er erkannte ihn.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt