„Neeeiin!" schrie Isabella aus voller Lunge und Rosco hielt inne. „Ich werde alles tun, aber lasst Rickard in Frieden! Bitte" sagte sie verzweifelnd. Rosco schien die Klemme zu lockern und sah Isabella begierig an. Isabella atmete tief ein
„Die Dokumente sind verteilt. Eines liegt in London unter der Brücke, ein weiteres in Surrey im Haus der de Warennes und das Letzte ist in Carlisle" endete sie hastig. Talbot wippte auf seinen Füssen
„Jahaa warum denn nicht gleich so!" Isabella wollte ihren Blick senken, doch das böse Glitzern in Roscos Augen verunsicherte sie. Er verzog seine Lippen zu einem Lächeln und entblösste ein paar weisse Zähne. Er drehte sich zu Rickard um und presste das eiserne Folterinstrument zusammen. Rickard schrie und die beiden Söldner hatten grosse Schwierigkeiten ihn am Boden zu halten, denn Rickard versuchte aufzuspringen und schlug mit seinen Beinen aus. Doch sie pressten ihn mit voller Kraft nach unten. Blut floss von seiner Hand den Arm hinab und Isabella fühlte, wie sich ihr Magen drehte. Ein grauenvolles knackendes, knirschendes Geräusch durchbrach das Zelt neben Rickards Schrei. Die drei hinteren Finger seiner rechten Hand fielen lautlos zu Boden. Rosco erhob sich, legte die Klemme in den Beutel auf den Tisch und schritt auf Isabella zu, die mit aller Kraft versuchte sich nicht zu übergeben. Im Hintergrund hörte sie Rickards heftiges Schnauben. Die Söldner hatten ihn mittlerweile losgelassen und er lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Sie wusste, dass alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war
„Wieso?! Wieso habt ihr das getan! Ich habe euch meine Verstecke verraten!" schluchzte Isabella. Er lehnte sich nach vorne und sprach so, dass nur sie ihn hören konnte
„Ihr habt euer Spielchen mit Talbot gehabt Mylady. Doch ich bin eine ganz andere Sorte Mann. Sollte euch in Zukunft der Gedanke kommen, euch erneut quer zu stellen, wird Rickard de Warenne als Krüppel aus unserem Treffen hervorgehen... und mir ist es ziemlich egal, ob ihr die Wahrheit spricht oder nicht". Er ging an ihr vorbei und trat aus dem Zelt. Die beiden Söldner nahmen den Beutel mit den Folterinstrumenten mit und folgten ihm. Isabella warf Talbot einen wütenden Blick zu, doch er schien selbst schockiert über diesen Vorfall, als dass er sie bemerken würde. Talbot war zwar ein gewalttätiger Mann und sprach gerne von mörderischen Dingen, doch wirklich abscheuliche Taten liess er lieber von seinen Männern, ausnahmslos in seiner Abwesenheit, erledigen. Er hastete an ihnen vorbei und verliess mit seinen Männern ebenfalls das Zelt. Rickard lag mit dem Kopf nach unten und schien das Bewusstsein verloren zu haben. Isabella kniete auf den Boden und rutschte zu ihm hin. Ihre Beine waren immer noch zu schwach, als dass sie sie tragen konnten.
„Rickard" wisperte sie und strich ihm über den Kopf. Sie riss ein grosszügiges Stück ihres Unterrockes ab und verband notdürftig seine Hand. Er hatte drei Finger gelassen und das alleine war nur ihre Schuld! Sie betete seinen Kopf in ihren Schoss und strich ihm gedankenverloren über die Stirn. Wie weit würden diese schlimmen Barbaren noch gehen? Sie durfte sich keinen Fehltritt mehr erlauben. Rickards Augen flatterten leicht und er kam zu Bewusstsein. „Es tut mir so leid Rickard... ich... hätte ich gewusst... was sie dir antun würden... ich hätte niemals versucht... versucht Talbot die Stirn zu bieten! Er ist ein fieses kleines Wiesel... wenn er nicht solch grobe Barbaren um sich hätte... dann" sie blickte verzweifelt in sein Gesicht. Ganz langsam schien sein Schmerz zurückzukehren. Er wurde kreideweiss und lehnte sich hastig auf die Seite. Er musste sich übergeben. Isabella strich ihm sanft über den Rücken und er versuchte sich mit dem gesunden Arm abzustützen.
„Kannst... kannst du mir hochprozentiges besorgen?" sagte er mit zitternder Stimme. Isabella vermutete, dass er zum einen sicher seinen Schmerz betäuben, zum anderen hatte sie aber das Gefühl, dass er kurz allein sein wollte. Mühsam rappelte sie sich auf. Mit allerletzter Kraft schaffte sie es ihren Beinen zu befehlen einen Schritt vor den anderen zu setzen. Sie erreichte den Zelteingang und schritt hindurch. Die Wachen waren weg und weit und breit war kein Söldner zu erblicken. Sie schaffte es ins Lazarett, denn dort bewahrten sie den starken Alkohol auf. Die Lagerbetten waren leer, bis auf eine Handvoll, bei denen Tücher über die Betten ausgebreitet waren. Langsam schritt sie zu den Betten und stellte sich vor ein Laken. Ihre Hände zitternden als sie eines der Laken nach unten zog. Es war ein Söldner. Er war einbalsamiert. Der Geruch des Todes schwappte zu ihr hinauf und sie hielt sich mit einer Hand die Nase zu. Neugierig wer sich unter den anderen Laken verbarg, lüftete sie alle Tücher. Nur Söldner. Die beiden, die Rickard auf dem Gewissen hatte und auch Lexington, den Isabella mit ihrem Stilett erstochen hatte. Was die Söldner allerdings Rickard anrechneten. Alle waren sie vorbereitet worden und schienen auf etwas zu warten. Im ersten Moment wurde ihr Herz leichter, bedeutete dies, dass keiner ihrer Männer getötet worden war? Doch schon im nächsten Augenblick spürte sie einen Stich mitten in ihr Herz. Dustin. Er war tot. Er müsste ebenfalls hier liegen. Was hatten sie mit seiner Leiche getan? Ihn verscharrt? Den wilden Tieren zum Frass vorgeworfen? Sie erschauerte. Sie deckte die Männer wieder zu, ergriff eine Flasche Brandwein und Verbandsmaterial. Mit dem Willen herauszufinden was mit Dustin geschehen war, fühlte sie die Kraft in ihre Beine zurückströmen. Sie beeilte sich und ging zu Rickard ins Zelt zurück. Er hatte sich auf den Stuhl, auf dem Isabella vorhin Platz genommen hatte, niedergelassen und starrte auf den Boden vor seinen Füssen. Sie räusperte sich und riss Rickard damit aus seinen düsteren Gedanken. Er streckte seine Hand nach der Flasche aus und Isabella reichte sie ihm. Zwei helle Linien führten von seinen Augen hinab auf die Wangen. Isabella tauchte ein Leinentuch, welches sie aus dem Lazarett mitgenommen hatte, in die Wasserschüssel auf dem Tisch und reichte Rickard das Tuch. Er sah sie überrascht an
„Wenn dich ein Geistlicher jetzt gesehen hätte, wie du dich am Weihwasser bedient hättest". Isabella drehte sich um und erkannte, dass sie das Tuch im Weihwasser, das für Betende und den Gottesdienst hier aufgestellt worden war, genetzt hatte. „dann würde er uns die Verdammnis aufhetzen" sagte er sarkastisch.
„Schön, dass du deinen Humor nicht verloren hast... und ich denke Gott schert sich nicht darum, woher ich frisches Wasser nehme, damit du dein schmutziges Gesicht reinigen kannst" meinte sie mit einer gewissen Strenge und reichte ihm das frische Tuch. Er begrub sein staubiges Gesicht darin
„Humor... was bitteschön bringt einem denn Humor?" Isabella kniete sich vor ihm hin und nahm seine verbundene Hand in ihre
„Rickard... es ist alles meine Schuld, das weiss ich" setzte sie an, Rickard wollte sie unterbrechen, doch sie gebot ihm mit ihrer Hand Einhalt „Nichts was du sagen würdest, könnte meine Ansicht ändern... und ich hoffe du wirst mir eines Tages im Innern verzeihen, denn alles was du jetzt sagst ist nicht ehrlich. Ich bin deine Schwägerin, die Frau deines Bruders. Natürlich willst du mir die Schuld dieser Verletzung nicht aufbürden, doch du tust es, innerlich". Rickard schwieg und blickte an Isabella vorbei. „Ich wünsche mir nur, dass es dein frohes Wesen nicht verändert. Und deshalb möchte ich, dass du deine Wut darüber an mir auslässt" sagte Isabella entschlossen und stand auf „Schrei mich an. Beschimpf mich". Rickards Blick richtete sich auf Isabella und schien entsetzt
„Niemals... Isabella"
„Doch du musst! Du musst die Wut, die in deinem Innersten lodert, frei lassen, sonst frisst sie dich auf". Noch immer stand sie entschlossen vor ihm.
„Nein!" sagte er abweisend.
„Rickard Ramsey Hugh de Warenne". Rickard schien überrascht, dass sie seinen vollen Namen kannte „wenn du die Wut nicht frei lässt, wird sie dich zermürben. Das habe ich bei genügend Soldaten gesehen, die im Krieg Körperteile oder Familien verloren haben. Nie waren sie wieder dieselben wie zuvor" sagte Isabella eindringlich. Rickards Blick war starr und es sah aus als würde er ihrer Aufforderung nachkommen, doch plötzlich veränderte sich sein Ausdruck
„Niemand" er verzog seine Lippen zu einem merkwürdigen Grinsen „ausser meiner Mutter hat mich je beim vollen Namen genannt... und natürlich immer nur wenn ich Unfug angestellt hatte". Er sank zurück in den Stuhl und hing den Geistern seiner Vergangenheit nach.
„Ich wollte dich wütend auf mich machen und nicht grüblerisch" sagte sie und setzte sich vor ihn hin. Rickard sagte erschöpft
„Isabella, ich weiss du meinst es nur gut, doch ich kann nicht! Meine Erziehung und auch meinen Respekt vor dir lassen es nicht zu. Verzeih mir" er nahm einen grossen Schluck Brandwein.
„Es ist besser du trinkst noch ein wenig mehr. Es wird schmerzen die Wunde zu verbinden". Rickard trank weiter und reichte ihr dann die Flasche. Sie zog das verblutete Tuch ihres Unterrockes von der Wunde und zog die Hand näher zu sich. Ohne viel federlesen goss sie einen Schuss des Brandweines über seine grosse Fleischwunde. Rickards Arm zitterte und er schnappte sich erneut die Flasche. Sie wiederholte die Prozedur und umklammerte sein Handgelenk. Den Rest der Flasche liess sie ihn austrinken. Sie wischte das Blut weg und versorgte die Wunde so gut es ging. Mit einem Handgriff legte sie das saubere Verbandsmaterial um seine verstümmelte Hand und verband sie.
„Versuch die Hand so wenig wie möglich zu bewegen. Zumindest die erste Zeit. Der Blutverlust tötet dich sonst". Sie erhob sich, packte die Sachen zusammen und stützte Rickard als sie das Zelt verliessen. Zielstrebig brachte sie ihn in ihr Zelt, manövrierte ihn an ihren Ketten vorbei und setzte ihn auf die Liege.
„Das werden sie nicht zulassen" meinte Rickard gequält.
„Zuerst muss ihnen auffallen, dass wir beide nicht mehr im Kommandozelt sind und dann... dann werden wir sehen. Talbot weiss nun alles, ich werde nicht mehr rebellieren und werde alles tun was er will. Aber er hat auch eine Verantwortung, die kann er nicht einfach ignorieren, wenn jemand stirbt muss er alleine dafür seinen Kopf hinhalten"
„Du meinst, wenn Alec uns befreit?" Isabella nickte und steckte ein weiteres Kissen hinter seinen Kopf. „Es kann Monate, wenn nicht noch länger dauern bis der Krieg zu Ende ist. Er wird nicht einmal wissen, dass wir von Talbot überfallen wurden". Isabella hielt in ihrer Tätigkeit inne, legte geistesabwesend eine Hand auf ihren runden Bauch und setzte sich auf die Schlafstatt. Er hatte vollkommen recht. Sie würde ihr Kind sehr wahrscheinlich hier in Gefangenschaft zur Welt bringen und Talbot würde es ihr wegnehmen, damit er sie noch mehr erpressen konnte.
„Wir müssen fliehen" sagte sie trocken und nach einer Weile sah sie zu Rickard „Wir müssen uns einen Plan zurechtlegen, wie wir alle Heil aus dem Lager entfliehen können". Ihr Blick war klar und unmissverständlich.
„Wie willst du das bewerkstelligen? Die Söldner sind uns zahlenmässig weit überlegen. Unsere Männer sind geschwächt von der Folter und dem Nahrungsentzug. Sie können unmöglich kämpfen"
„Folter? Er hat sie alle gefoltert?" fragte Isabella entsetzt und schollt sich selbst, dass sie nicht daran gedacht hatte. Rickard atmete tief ein und schien es bereut zu haben, so offen zu sprechen. „Rickard, versuch nicht mich aus falschem Stolz von der Wahrheit fernzuhalten. Ich ertrage die Wahrheit und werde dafür geradestehen, was ich zu verantworten habe. Also bitte, was ist passiert?" Rickard sah aus, als hätte er in eine besonders saure Zitrone gebissen und antwortete
„Isabella... es ist nicht deine Schuld" er betonte jedes einzelne Wort „du selbst wurdest gefoltert, man sieht es dir an und genauso hatten die Söldner ihren Spass mit unseren Männern... aber" sagte Rickard schnell „sie leben alle noch. Sie haben uns nur ausgepeitscht und kein Essen gegeben"
„Nur ausgepeitscht" wiederholte Isabella hohl. Sie hob ihre Hände zum Gesicht und bedeckte es.
„Isabella! Nein, deshalb wollte ich es dir nicht erzählen" er rückte nach vorne und nahm sie liebevoll in die Arme.
„Wir müssen fliehen" wiederholte sie abermals „Es ist ganz einfach... wir müssen uns nur einen Plan ausdenken. Möglicherweise gibt es einen Zeitpunkt bei dem sie abgelenkt sein werden... oder... oder". Isabella kam ein Gedanke. Erst war er unklar, doch dann formte er sich zu ihrer scheinbar einzigen Möglichkeit. Rickard schien ihr aufmerksam zu zuhören. „Welcher Kirche gehören Söldner an?" fragte sie. Rickard lachte auf
„Welcher Kirche? Ist das ein Scherz?" Isabella schüttelte energisch den Kopf. „Sie gehören keiner Kirche an, das sind Söldner. Gesetzlose, sie haben ihre eigenen Regeln und ihre eigene Kirche"
„Kennst du dich mit ihren Bräuchen aus?" Rickard schüttelte den Kopf und blickte sie neugierig an. „Ich frage mich, wie lange sie die Toten aufbewahren bis sie diese zur letzten Ruhe betten"
„Ziemlich merkwürdige Frage" sagte Rickard und musterte sie besorgt „Ich hätte nicht geglaubt, dass sie ihre Toten überhaupt begraben würden" sagte Rickard spöttisch.
„Natürlich! Selbst Gesetzlose folgen Riten, immerhin ist ihre Gemeinschaft wie eine Familie". Isabella erhob sich und lief vor dem Bett hin und her „Glaubst du jemand der anderen weiss mehr über ihre Bräuche?" Rickard zuckte nur mit den Schultern. „Du bleibst hier" sagte Isabella und ging aus dem Zelt. Sie musste herausfinden, wie lange sie die Toten aufbahrten. Draussen herrschte nun geschäftiges Treiben. Zelte wurden anscheinend abgebaut und Männer schrien sich Anweisungen zu. Als sie um das nächste Zelt bog, lief sie einem Söldner in die Arme. Sie hätte sich verfluchen können.
„Na sie einer an. Unsere Gefangene stolziert hier frei rum... tztzz sowas". Er griff nach ihrem Handgelenk „dich müssen wir doch gleich zu Rosco bringen" grinste er breit und zog sie mit sich.
„Lasst mich los! Ich will nur nach den Verwundeten sehen!" Doch der Söldner machte keine Anstalten sie frei zu lassen und zog sie zum Lagerfeuer. Um das grosse Feuer sassen Rosco und die beiden anderen Söldner, welche auch vorhin im Kommandozelt dabei gewesen waren.
„Rosco" schrie der Söldner, der Isabella fest im Griff hatte. Rosco der gerade einen Knochen in das Feuer warf, blickte auf. „Rosco". Er schleifte Isabella näher zu den drei Männern „die Kleine hier schlich zwischen den Zelten umher" meinte er und stiess Isabella vor die Füsse von Rosco. Er beäugte sie von oben herab
„Nichts gelernt meine Lady? Du willst mich tatsächlich herausfordern?" Isabella rappelte sich auf, stand vor ihn hin und blickte ihm direkt in die kalten verdorbenen Augen
„Nun ich kann nichts dafür, wenn eure dummen Söldner mich alleine zurück im Zelt lassen". Der Söldner, der Isabella gebracht hatte, keifte und holte bereits mit seiner Hand aus
„Du verdammtes Miststück, wie kannst du es wagen mit Rosco in dieser Art zu sprechen?!" doch bevor seine Hand Isabella berührt hatte, war Rosco aufgesprungen und hatte die Hand seines Söldners abgefangen. In keinem Moment allerdings, wichen seine Augen von Isabella
„Sie hat Recht Soggy Pete. Es ist die Schuld von Brody und Ismael". Er sah nach hinten über die Schulter „ihr hättet die beiden Gefangenen zurückbringen sollen. Doch, es überrascht mich, dass ihr nach dem Spektakel von heute Vormittag erneut meine Nähe sucht" grinste er und setzte sich zurück auf den Baumstamm, der neben dem Feuer lag. Isabella wischte den Dreck von ihrem zerschlissenen Rock und erwiderte
„Es ist nicht so, dass ich eure Nähe gesucht hatte. Mister Pete hat mich gegen meinen Willen hierhergebracht. Ich hatte ihm gesagt, dass ich mich um die Verwundeten kümmern wollte"
„Wir haben keine Verwundeten" meinte er amüsiert.
„Nun ja, ich vergass... alle anderen, ausser eurer Bande, sind natürlich nicht relevant. Ich meinte meine Männer, die verwundet und verletzt sind, dank eurer Foltermethoden". Ismael und Brody lachten.
„Ich muss sagen, ich bin selten einem aufmüpfigeren Weibsbild begegnet als euch. Ihr habt den Schneid vor mich hin zu stehen, obwohl ich euren Rickard verstümmelt habe" er lachte und klatschte sich auf das Knie „und werft mir vor, dass ich eure Männer gefoltert habe"
„Ich habe euch alles gesagt, was ihr wissen wolltet. Nichts habe ich verschwiegen, was ich im Übrigen auch zuvor nicht getan habe. Ich wollte die Bedingungen lediglich anpassen". Rosco lehnte sich zurück
„Bedingungen anpassen? Wo lebt ihr zum Teufel?! Ihr und eure Männer seid Gefangene" Isabella schnitt ihm das Wort ab
„Wir sind Talbots Gefangene"
„Meinetwegen. Gefangene sind Gefangene, sie stellen keine Bedingungen. Sie halten die Klappe und tun was man von ihnen verlangt und weil ihr euch für etwas Besseres haltet, musstet ihr nun dafür bezahlen" sagte Rosco sanft und genüsslich. Ihr lag bereits ein weiteres Widerwort auf der Zunge, doch sie hielt es zurück. Er wollte sie aus der Reserve locken und dazu bringen ihn zu beschimpfen, doch das würde sie nicht tun.
„Ja allerdings... und ich bereue es zutiefst" sagte Isabella kleinlaut „ich möchte nicht betteln und ich will auch nicht so töricht erscheinen und euch um etwas bitten, doch auch wenn wir eure Gefangenen sind, so nutzen wir euch lebendig mehr als tot. Ich möchte nur die Wunden meiner Männer verarzten und den toten Dustin auf seine letzte Reise senden" sie senkte ihren Blick, damit er ihre tiefe Trauer nicht sehen konnte.
„Ich bin kein Armenhaus" sagte er gedehnt „und ihr seid Talbots Gefangene. Mir bedeutet ihr tot, wie auch lebendig nichts. Ich habe keinen Profit von euch". Er zeigte ihr seine weissen Zähne und grinste in die Gesichter seiner Männer, die ebenfalls ein verschmitztes Lächeln aufsetzten.
„Und doch habt ihr uns nicht getötet" sagte Isabella.
„Ich bin zwar ein Söldner, der ohne Gesetze und Regeln lebt, aber ich bin nicht dumm. Ich glaube" er beugte sich nach vorne „selbst euch ist nicht bewusst, was Talbot hier für eine Fehde angezettelt hat". Isabella war verblüfft. Von was genau sprach er da? Rosco erhob sich und lief um Isabella herum „Ich habe recht, nicht wahr?" Er grinste „Talbot ist ein Narr, er hätte sich das Geld eurer Familie einfach unter den Nagel reissen und euer Anwesen verkaufen oder abfackeln sollen. Nun hat er sich in einen Todeskampf mit einer der reichsten und mächtigsten Familie Englands eingelassen, nur um euch und euer Erbe zu bekommen". Isabella schluckte, er schien über ihre Familie und auch die von Alec gut informiert zu sein. „Einer von beiden wird sterben und so sehr ich auch das Silber von Talbot mag, bezweifle ich, dass er mit der Schwertkunst deines Mannes mithalten kann". Isabella schluckte
„Woher...?" doch sie musste die Frage nicht beenden.
„Woher ich weiss, dass er euer Ehemann ist?" Er schnaubte gelangweilt „Ich habe meine Späher und kann eins und eins zusammenzählen. Wieso will ein angesehener Kriegsherr eine Frau mit in den Krieg nehmen und sie Dingen aussetzen, die eine Lady nie sehen sollte?! Warum sendet ein Mann einen Boten aus, um nach einem Priester zu suchen, den er dann in Gretney findet und ihn mit sich nimmt? Das ergibt doch alles keinen Sinn... ausser, dieser Narr hat sich verliebt und will seine Lady gesichert und beschützt wissen" er blieb vor ihr stehen, das fiese Grinsen immer noch auf seinem Gesicht. Er schüttelte den Kopf, wechselte die Richtung und umkreiste sie erneut „Dass ihr allerdings sein Kind austragt, das habe ich nicht gewusst... bravo! Etwas konntet ihr vor mir verheimlichen, doch im Rückblick fügen sich so die Puzzleteile nur noch besser ineinander. Ich nehme an, er selbst hat es nicht gewusst?" Isabella wurde kreidebleich und starrte ihn an. Sie war erstaunt, seine Späher und seine Kombinationsgabe waren ausserordentlich präzise. Er nickte wissend und wurde vertrauter „Und um wieder auf den Hauptteil zurückzukommen... ich denke dein Mann wird Talbot töten und dich damit aus seinen Fängen befreien... das ist allerdings für dich kein Grund zur Freude, denn dann wird er auf mich treffen und ich persönlich muss sagen, da ich schon lange auf einen würdigen Gegner gewartet habe, werde ich mich mit Freude auf den Kampf einlassen"
„Weshalb? Wenn Talbot tot ist, dann könnt ihr sein Gold und alles was er besitzt an euch nehmen und gehen" doch gleich als sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, dass dies sein Wesen war. Das Gold und Silber war eine Trophäe gewiss, aber ein Kampf um Leben und Tod, das allein war sein wahrer Antrieb. „Ich verstehe... das Gold schert euch in keinster Weise, es ist der Stolz, der euch leitet und eure Eitelkeit" meinte Isabella verachtend „Nur frage ich mich, wieso ihr dann Richtung Norden reitet, wenn ihr sowieso gegen meinen Mann kämpfen wollt?" Rosco schien im ersten Moment verblüfft und dann lächelte er
„Dein Mann besitzt eine ganze Armee, glaubst du ich opfere mich für einen Kampf, der von vornerein festgelegt ist? Ich möchte ausgeglichene Verhältnisse schaffen. Von dort habe ich die gesamte Entwicklung im Überblick und dein Mann ist niemals so schnell mit seinem ganzen Heer im Norden, wie er sein möchte... und das meine Liebe, ist der Grund warum ich Söldner bin. Natürlich ist der Reiz oft das liebe Silber, die Weiber und eine gewisse Macht, die eine solche Position inne hat, aber wenn du schon so lange kämpfst, wie ich und jeder Gegner mit einem Schlag am Boden liegt, dann sehnst du dich nach einem echten Kampf und einem ebenbürtigen Gegner, der dich eventuell sogar töten kann" er kam ganz nah an ihr Gesicht, strich ihr Haar zurück und flüsterte „und dieser Blutdurst vereinigt alle Söldner". Er liess ihre Haarsträhnen durch seine Finger gleiten und sprach wieder mit normaler Stimme „Wer weiss... wenn ich deinen Mann getötet habe, dann nehme ich mir dich als Preis" seine Augen wurden dunkler und Isabella sah ein wachsendes Verlangen in ihm aufsteigen. Mit stockendem Atem erwiderte sie
„Niemals". Die Männer lachten und er setzte sich wieder auf den Baumstamm. „Wo ist die Leiche von Dustin?" fragte sie und hoffte inständig, dass sie ihn nicht den Tieren zum Frass vorgeworfen hatten. Rosco sah sie lange an und antwortete dann
„Er liegt bei deinen verwundeten Männern. Jetzt geh... tu was du nicht lassen kannst, aber ich behalte dich im Auge". Isabella reckte ihr Kinn und hielt seinem durchaus unanständigen Blick stand. „Mach dir keine Sorgen, solange du dieses Balg mit dir rumträgst, reizt du mich nicht". Isabella schnaubte, drehte sich aber hastig um und lief von den Söldnern weg.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...