Kapitel 3.8 - Stoke Whist

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Alexander begann leicht zu hüsteln
„Um Himmelswillen nein" und fügte dann leise hinzu „und woher weisst du bitte, wie ein Bordell aussieht?" Doch Ramsey blieb ihm eine Antwort schuldig, da ein Diener zu ihnen trat und ihnen den Weg wies. Ramsey zuckte nur mit den Schultern und sie folgten dem Diener in die obere Etage. Bei dem Gedanken, dass Ramsey glaubte, Alec würde ihn in ein Bordell mitnehmen, musste er grinsen. Du meine Güte! Im Spielsalon spielte sanft ein Violinist, doch die Spieltische waren noch leer. Die Lordschaften sassen in den Sesseln, rauchten ihre Zigarren und unterhielten sich. Die Kammerdiener der Herrschaften standen in einer Ecke, unterhielten sich ebenfalls und tranken etwas. Dies war in den Clubs üblich. Sie hatten eine Art Sonderstellung, sie blieben zwar unter sich, durften trinken und spielten mit ihren Herren zusammen um grosse Gewinne. Sie wurden als Mitspieler bei den Glücksspielen gebraucht und für manche Lordschaften mussten die Kammerdiener wahre Meisterspieler sein, um sie vor grösserem Schaden zu bewahren.
„Lord Cumberland! Welche Überraschung!" kam es aus einer Ecke des Raumes.
„Ramsey" sagte er aus seinem Mundwinkel „gesell dich zu den anderen Kammerdienern, Freunde dich mit deinen Mitspielern an... trink etwas, aber nicht zu viel ja" nickte er ihm zu und Alec wandte sich dem Lord zu, der ihn so überschwänglich begrüsst hatte.
„Vermutlich bin ich im Vorteil. George Lord Goring, Earl of Norwich. Ich habe schon vieles von ihnen gehört, ich meine, wer schon nicht! Sie haben immerhin die Schotten besiegt!" sagte er euphorisch und erhob sein Glas darauf „Meine Herren" rief er in den Raum „Meine Peers, lassen sie uns die Gläser auf Lord de Warenne, den Earl of Cumberland und den ersten Hauptmann unseres Königs Henry VIII anstossen!" Die Lords ihm Saal erhoben alle ihre Gläser, wie auch die Kammerdiener und prosteten dem bei.
Alecs Geduld wurde an diesem Abend auf eine harte Probe gestellt. Nachdem er überzeugt war, dass er der öffentlichen Etikette genug gefolgt war, hatte er sich aus Lord Gorings Griff befreit und es sich in einem Sessel weiter hinten im Club bequem gemacht. Er begann eine Partie Schach mit einem alten Lord, der praktisch kein Wort von sich gab, was Alec nur allzu recht war. Die Zeiger an der Wandräderuhr tickten unaufhörlich voran. Er hatte wohl noch nie so sehnsüchtig auf die Ankunft eines Gentlemans gewartet, dachte Alexander ein wenig amüsiert und schob seinen Läufer auf den Turm seines Gegners zu und nahm ihn vom Brett. Stimmen drangen von draussen in den Raum und für einen Moment verstummten die Gespräche der Peers. Die Salontür flog auf und ein gutgekleideter Gentleman Mitte dreissig trat ein. Links und rechts im Arm hatte er zwei junge Damen, zweifellos Maitressen. Hinter ihm erschienen nun weitere Gentlemen und der Butler des White Clubs.
„Mylord ich bitte sie inständig, Damen sind in diesem Hause nicht erlaubt!" sagte er etwas ausser Atem und sichtlich nervös. Der Gentleman, der die beiden Damen immer noch umklammert hielt und die eine sanft auf die Wange küsste, sagte
„Dobson, alter Knabe". Doch der Butler des Hauses insistierte
„Mylord ich bitte sie, wir haben heute sehr" er senkte seine Stimme „viele angesehene Gäste und sie wissen, sie sind eines unserer sehr geschätzten Mitglieder, doch ich muss sie bitten die Damen nach Hause zu schicken". Der Gentleman seufzte und schien sich geschlagen zu geben. Er nahm seine Arme von den Schultern der Damen
„Ladies leider trennen sich unsere Wege für heute Nacht". Die beiden Damen wirkten spielerisch gekränkt und winkten ihm zu, als sie von Dobson die Treppe hinunterbegleitet wurden. „Mein Kutscher wird sie überall hin fahren wo es ihnen beliebt" sagte er und drehte sich zu seinen Freunden um. Die hatten sich bereits Getränke genehmigt und einige hatten sich an ein paar Spieltische gesetzt. Nun war der Moment gekommen. Alexander wandte sich seinem Schachpartner zu und wollte die Partie beenden, er hatte sie nur hinausgezögert, doch der alte Lord war eingeknickt und hatte von all dem Trubel nichts mitbekommen. Alexander erhob sich und liess seine Königin nach vorne fahren. Er hatte seinen Gegner Schachmatt gesetzt. Er nahm sich einen Cidre von einem Diener und trat an den Tisch der Gentlemen. Ramsey hatte seinen Wink verstanden und schloss sich ihm an.
„Darf ich sie zu einem Kartenspiel herausfordern?" wandte sich Alec an die Runde der Gentlemen und die Drei blickten auf. Die lockere freundliche Fassade des Gentlemans, der seine beiden Damen wegschicken musste, flackerte kaum merklich. Er behielt sein verschmitztes Lächeln und sagte
Alexander Lord de Warenne, Earl of Cumberland und neu Earl of Surrey nicht wahr?". Die Peers erhoben sich und stellten sich einander vor. Scheinbar waren nicht alle diese Männer Peers, obwohl sie sehr gut gekleidet waren und dennoch schien Lord Croft dies nicht im Geringsten zu kümmern. Einer seiner Freunde zog sich aus dem Spiel zurück, doch Lord Goring und zwei andere Gentlemen setzten sich mit ihren Dienern dazu und sie begannen Brag zu spielen. Es handelte sich zwar nicht direkt um ein Teamspiel, doch mit einem Partner verhinderte der Gentlemen, einen grösseren Verlust. Alexander wollte die Sache ruhig angehen und spielte verschiedene Karten, mal schlechte, mal etwas bessere. Lord Norwich und die beiden anderen Gentlemen gehörten zu der Sorte der eher schlechteren Kartenspieler, oder sie hatten schon viel Getrunken, den ihr Blatt zeugte von schlechter Taktik. Ihre Diener hatten aller Hand zu tun, um ihre Fehler aus zu bessern und ihren Pot wieder zu sichern. Die Gentlemen versuchten verbissen den Pot zurück zu erobern, doch sie und ihre Diener blieben chancenlos. Duke Croft, sein Begleiter, Alec und Ramsey dominierten das Spiel, bis Ramsey den Stich gewann und somit das Spiel für sich entschied. Ramsey strahlte über das gesamte Gesicht und meinte
„Mylord... wir haben gewonnen!". Alexander lehnte entspannt zurück
„Nein mein Junge, du hast gewonnen" und lächelte ihm zu. Erst jetzt bemerkte er, dass es im Salon des Clubs langsam still geworden war und sie praktisch noch die einzigen waren, die sich hier aufhielten. Goring und seine geschlagenen Peers hatten sich weit zurück an den Kamin gezogen und schienen ihre Niederlage zu beklagen. Ein beachtlicher Stapel an Münzen und Bancozettel lagen vor Ramsey auf dem Tisch und er sah Alec immer noch fassungslos an, ebenfalls wie der Duke of Leicestershire und sein Begleiter. Da war es wieder dieses flackern in William Lord Crofts Augen und er musterte Alec neugierig. Er lehnte sich in seinem Sessel ebenfalls zurück, genehmigte sich seinen Scotch und sprach
„Ich kann mich nicht erinnern sie hier je einmal gesehen zu haben Lord Cumberland... oder überhaupt in London. Man sagt, sie sind eher selten in der Gesellschaft anzutreffen. Sie ziehen eher die Einsamkeit der schottischen Grenze vor?" Sein Begleiter runzelte die Stirn, nahm eine Flasche Whisky vom Servierwagen und goss sich ein. „Man könnte fast den Gedanken fassen, sie hätten etwas sehr Dringendes zu erledigen... so kurz nach dem Krieg, wo doch andere Dinge anfallen sollten. Allen voran die Totenfeier des Königs". Lord Crofts Begleiter hielt inne und fixierte nervös Alexander, da er zweifellos glaubte er würde nun beleidigt sein Recht fordern. Alexander grinste, trank einen weiteren Schluck seines Cidres bevor er erwiderte
„Gut, ihr seid ein Mann der klaren Worte. Das ist durchaus einfacher als die halbe Nacht damit zu verbringen so zu tun als müsste ich sie mögen". Duke Croft schien erheitert und hob seine Augenbrauen. „Ich will Informationen... die ihr gewiss habt oder ohne viel federlesen beschaffen könnt. Wie man sich erzählt, spielt ihr darum und wer euch besiegt, kann jede Information erhalten" schloss Alexander und blickte Lord Croft an. Sein Begleiter lachte
„Ja wenn man ihn besiegt und glauben sie mir, wenn William spielt Sir" doch er brach ab, da er offensichtlich das Gefühl hatte genug gesagt zu haben. Alexander blickte immer noch zu William Croft und dieser schien nachzudenken, dann antwortete er
„Das ist möglicherweise richtig. Doch ich spiele nicht gegen jeden... sofern sie mich im Spiel schlagen ist dies lediglich der Zugang zu meiner Aufmerksamkeit, wenn wir spielen... und falls sie gewinnen sollten, liegt meine Bezahlung für die Information in Gegenantworten". Alexander sah ihn an
„Ich stehe in einer sehr hohen gesellschaftlichen Position. Den Krieg, den ich mit englischen Soldaten soeben Brustpanzer an Brustpanzer beendet habe und die Tatsache, dass ich der erste Hauptmann des Königs bin und war, versetzen mich in die Lage, dass ich gewisse Informationen nicht preisgeben kann und darf, da ich auf das Banner der englischen Krone auf dessen Sicherheit geschworen habe und ich ausserdem Menschen beschützen muss, die unter meiner Obhut stehen. So werde ich möglicherweise nicht in der Lage sein alle Gegenfragen zu beantworten. Ich hoffe sie können diesen Umstand berücksichtigen". Er nickte
„Das muss ich dann wohl so hinnehmen" meinte er „Nun gut... wir spielen. Kennen sie Stoke Whist?" Alexander lachte
„Selbstverständlich". Lord Croft griff in seine Innentasche und holte ein metallenes Etui hervor, worauf das Wappen der Familie eingraviert war.
„Sind sie damit einverstanden, wenn wir meine Karten nehmen?" er hielt Alec das Etui hin, jedoch winkte er ab
„Ihr Spiel, ihre Karten". Der Duke breitete die Karten vor ihnen aus, damit alle Spieler sehen konnten, dass es keine gezinkten waren. Alec sah, dass Ramsey blinzelte und die Karten verblüfft ansah. Es waren keine englischen Karten, wie Alexander mit einem Blick feststellte. William Croft bemerkte Ramseys verwirrten Blick und erwiderte
„Es sind spezielle Karten aus der Eidgenossenschaft, wie sie sich selbst nennen. Um genau zu sein aus der Stadt Basel. Man nennt sie Eichel, Schelle, Rose und Schilte" er deutete auf die Karten, als er sie ihnen vorstellte. Er nannte die Namen auf Deutsch und ergänzte noch „Sie sind unserem Kreuz, Pik, Herz und Karo gleichzusetzen. Die Zehn ist diese Karte" er hob eine Karte die Ähnlichkeit mit einer Fahne hatte hoch „man nennt sie Banner. König, Dame und Bauer sind hier König, Ober und Unter". Ramsey griff nach einer Karte und begutachtete sie
„Verrückt" murmelte er vor sich her. „Warum haben die keine Dame" stellte er trocken fest und gab den Ober an Croft zurück. Stoke Whist war ein anspruchsvolles Kartenspiel, das mit Trümpfen und Stichen zum Sieg führen konnte. Alecs Soldaten hatten es gespielt, meist wenn sie Nachtwache hatten, um sich bei Laune zu halten, doch es hatte den Weg bisher noch nicht in die Gesellschaft gefunden. Man spielte es zu viert und jeweils zwei waren Verbündete. Ramsey tauschte mit Murf, dem Begleiter von Croft, den Platz und William Croft mischte seine Spielkarten während Ramsey zu seiner Linken den Stapel teilte. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass derjenige der Sieger war, der zwei Partien, also einen sogenannten Rubber, für sich entscheiden konnte. Das hiess für Alec, dass er insgesamt zwanzig Points für sich entscheiden musste, um Crofts Antworten, die er brauchte, zu erhalten.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt