Kapitel 4.18 - Überraschende Ankunft

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Am nächsten morgen verabschiedete sich Elaine und fuhr zusammen mit Jackson nach London. Der Rest des Morgens verbrachte Alec im Arbeitszimmer und kontrollierte die Pachtverträge, die die Bauern mit ihm vor gut zwei Jahren abgeschlossen hatten. Wie Alec es vorhergesehen hatte machten die Bauern mit den neuen Gerätschaften und Anbaumethoden mehr Gewinn als zuvor. Es hatte ihn viel Überzeugungsarbeit gekostet die Bauern dafür zu gewinnen. Zufrieden legte er die Verträge in eine Schublade, als es gerade klopfte.
„Jawohl, herein", rief er und Carson kam zum Vorschein.
„Mylord", sagte er etwas aufgeregt, „ein Bote hat soeben die Nachricht gebracht, dass Lord Beaufort und seine Familie auf dem Weg hierher sind. Sie müssen nur noch wenige Minuten von dem Anwesen entfernt sein", keuchte er. Alec wusste wie nervös es Carson machte, wenn Besuch kam, der angemeldet war und nun kam einer, der sich nur Minuten zuvor ankündigte.
„Carson, lassen Sie die Dienstboten antreten und rufen Sie nach Rickard. Wir wollen unseren Freunden einen angemessenen Empfang bieten. Danach können Molly und Sie alles für die Gäste einrichten. Sie werden es uns verzeihen, dass wir nicht vorbereitet sind." Alec stand auf und sah in das erbleichte Gesicht von Carson, der heftig nickte und aus dem Arbeitszimmer zu fliegen schien. Alec erreichte als Erster die Haustür und trat in die sonnige Wärme des Frühlings. Bald darauf versammelten sich einige Dienstboten mit Molly und Carson hinter ihm. Er warf einen Blick zum Weg und sah eine schwarze Kutsche, die soeben aus der Kurve kam und den Weg zum Herrenhaus einschlug.
„Was ist los?", hörte er Rickard aus der Eingangshalle sagen und kurz darauf trat er neben ihn. Alec sah ihn fröhlich an:
„Familie Beaufort beehrt uns mit ihrer Anwesenheit", meinte er süffisant und genoss den versteinerten Anblick seines Bruders. Er stellte sich pflichtbewusst neben ihn und starrte stur geradeaus. Die Pferde klapperten mit den Hufen und zogen die Kutsche den Hang hinauf. Der Kutscher liess sie wenden und kam einige Fuss vor Alec und Rickard zum Stehen. Ein Diener sprang vom Bock und öffnete sogleich die Tür.
„Alec", rief John und kletterte mühsam aus der Tür, „Rickard! Diese Dinger werden immer enger", murrte er und schüttelte den beiden die Hand. „Schön dich sobald wieder zu sehen mein Junge", meinte John und drehte sich zur Kutschtür um. Seine Frau Marie streckte ihre behandschuhte Hand ihm entgegen und er half ihr aus dem Gefährt.
„Alexander! Rickard!", sagte sie äusserst erfreut und nahm sie beide in den Arm. „Ich bin so froh, dass mein Mann heil aus diesem Krieg an meine Seite zurückgekehrt ist! Er ist mittlerweile einfach zu alt dafür", tadelte sie John und er lächelte sanft. Ein Fuss stellte sich auf die Stiege und eine junge Frau kam aus der Kutsche geklettert. Sie trug einen eleganten Hut, etwas schräg auf dem Kopf und ihre blonden Haare wallten leicht über ihre Schultern. Durch und durch eine edle Erscheinung, dachte Alec und warf einen Seitenblick auf Rickard. Er schien erstarrt und hatte seine Augen auf die junge Frau gerichtet, die nun ihren Rock glättete. Sie liess sich nichts anmerken. Als Penny den Kopf hob, begannen ihre Augen freudig zu funkeln:
„Alec!", rief sie und trat auf ihn zu. Warmherzig umarmte sie ihn. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht! Vater hat uns erzählt was geschehen ist." Sie schien den Augenblick, wo sie sich Rickard annehmen musste, solange es der Anstand gebot, hinaus zu zögern. Penelope drehte sich ein wenig ab, sah Rickard ebenso steif an, wie er sie und meinte knapp: „Rickard." Sofort wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Alec zu. Er sah wie sein Bruder mit dem Kiefer malmte, aber seinen Blick stur geradeaus zur Kutsche hielt.
„Lasst uns nach drinnen gehen", schlug Alec vor und seine Gäste kamen ihm nach.
„Es tut uns sehr leid, dass wir unangemeldet hier erscheinen, aber wir wollten so schnell es ging zu euch", sagte Marie entschuldigend.
„Das macht uns nicht das Geringste aus. Es freut mich, uns, dass ihr gekommen seid." Er führte sie in den Grünen Salon und bat Carson für Kaffee und Gebäck zu sorgen. Rickard stiefelte, in einem gewissen Abstand, hinter ihnen her. Die Damen nahmen Platz und streiften ihre Handschuhe ab. Penny nahm ihren Hut vom Kopf und liess ihre blonde Mähne frei.
„Wie geht es euch? Wir haben gehört was geschehen ist und dachten ihr könntet unsere Unterstützung benötigen", sagte John als er sich in einen Sessel niederliess.
„Es ist alles einigermassen glimpflich ausgegangen... wenige wurden getötet. Aber den Umständen entsprechend, geht es allen Beteiligten wieder gut." Er warf einen Blick auf Rickard, der nun am Kamin stand und anscheinend mit aller Macht versuchte keinen Blick auf Penny zu werfen.
„Ihr seid noch rechtzeitig in Carlisle eingetroffen? Ich muss gestehen, ich habe nicht alles gehört, als dein junger Soldat seine Geschichte erzählt hatte. Erst kurz bevor ihr den Ratssaal verlassen habt, habe ich einige Gesprächsfetzen erhascht. James hat mich danach aufgeklärt, über die Geschehnisse unterrichtet und gesagt, dass er auf eine Nachricht deinerseits warten würde. Als sie dann endlich eintraf waren wir alle äusserst erleichtert." Alec nickte dankbar:
„Rickard und die Soldaten, die ich zum Schutze im Lager in Dun Rig zurückgelassen hatte, hatten sich ungefähr zwei Wochen zuvor befreien können und hatten sich nach Carlisle durchgeschlagen. Die Söldner und George Talbot waren bis in den Norden eingedrungen, um sich vor mir zu verbergen. Meine Ehefrau war noch die Einzige, die sie in der Gewalt hatten." Marie und Penny stöhnten entsetzt und Alec sah in seinem Augenwinkel, wie Rickard missmutig ins Feuer starrte.
„George Talbot", sagte John grimmig, „er war schon immer ein elender betrunkener Wüstling." Sie schwiegen, dann unterbrach es Penny:
„Aber weshalb?", flüsterte sie. „Wieso haben sie das getan?"
„Es ist abstossend und doch so simpel", meinte Alec, „Talbot wollte das Erbe meiner Frau für sich beanspruchen, doch sie hatte Beweise, dass er ihre Eltern töten liess, um an die Erbschaft zu gelangen."
„Das ist ja widerlich", sagte Marie erbleicht. Alec nickte zerknirscht:
„Rickard und die Männer haben alles getan, was ihnen möglich war, um sie zu schützen... ich hatte viele junge und unerfahrene Männer im Lager zurückgelassen, da ich sie erst an die Front mitnehme, wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Einen der Jungen haben sie getötet und einen alten Freund, der meine Kämpfer schon jahrelang ausgebildet hat."
„Du meine Güte", hauchte Penny und Alec war sich sicher, dass sie sich nun vorstellte, was sie mit dem Rest getan hatten. Ihr Blick fiel zum ersten Mal auf seinen Bruder. Er musste ihren Blick gespürt haben, da er rasch zuckte und dann sagte:
„Entschuldigt mich bitte." Penny machte eine Bewegung, als wollte sie ihn aufhalten, doch dann senkte sie den Blick. Rickard verliess den Grünen Salon und hinterliess Schweigen.
„Hat es ihn hart getroffen?", fragte John und sein Blick verweilte auf der Tür. Alecs Augen fielen auf die Damen, doch Marie sagte:
„Du kannst es sagen, nimm keine falsche Rücksicht auf uns. Ich bin immerhin die Frau eines Heerführers. Glaube mir, ich weiss welche Gräueltaten verübt werden." Er seufzte und sah John an:
„Sie alle wurden schrecklich gefoltert. Vor allem Rickard, da er mein Bruder ist und natürlich haben die Ältesten versucht die Jungen zu schützen und das meiste abbekommen. Der Anführer der Söldner hat Rickard drei seiner Finger abgetrennt, um meine Frau zu zwingen das Versteck ihrer Beweise zu verraten." Nun war es Penny die erbleichte und schluckte. „Er hat sich tapfer gehalten und alles getan was in seiner Macht stand... aber ich fürchte die Ohnmacht trotz allem nichts ausgerichtet und meine Frau zurückgelassen zu haben, scheint ihn zu peinigen", schloss er seine Ausführungen. Penny sah ihn an:
„Wieso mussten sie deine Frau zurücklassen?", fragte sie ängstlich.
„Es war eigentlich der Plan meiner Frau... sie ist schlau", schmunzelte er. „Sie hatte sich eine List ausgedacht, damit sie alle in einer Nacht fliehen konnten. Aber Rosco, der Anführer, hat ihren Plan vereitelt. Anstatt alleine mit seinen Söldnern in den Wald zu reiten, um ihre Toten in einer ihrer Zeremonien zu begraben, hat er meine Frau mitgenommen und so ihre Flucht verhindert. Also blieb sie in ihren Fängen, doch so konnten dafür die Männer fliehen."
„Das war äusserst mutig", sagte Penny und John meinte:
„Und töricht! Ich wäre tausend Tode gestorben, hätten sie meine Marie gefangen." Alec nickte zustimmend.
„Um Himmelswillen, ich glaube nicht, dass ich die Geistesgegenwart besessen hätte, um mich und andere Gefangene zu befreien. Ich wäre verloren gewesen", meinte Marie anerkennend und Penny hielt die Hand ihrer Mutter. Penelope versuchte die düstere Stimmung aufzuheitern, indem sie sagte:
„Aber sie haben es geschafft, zumindest fast alle", dann schmunzelte sie und setzte einen tadelnden Blick auf, „aber wie bei Jupiter konntest du heiraten, ohne deine Freunde einzuladen Alexander?"

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt