Duke Croft wartete draussen auf ihn. Die Türen verschlossen sich. Alec sah ihn an. Duke Croft ihn ebenfalls:
„Und?" fragte dieser neugierig.
„Und was?!" blaffte ihn Alec an. Er wusste es, dachte Alec. Er hatte die Dokumente selbst gefälscht! Er ging ganz nah an Crofts Gesicht: „Wie um Himmelswillen konnten sie", begann Alec, doch er brach ab. Die Doppelflügeltür ging erneut auf und Lord Napier schritt heraus. Er grinste und schritt an ihnen vorbei:
„Schön, dann haben sie nun ihre schottische Wildlingsbraut, Lord de Warenne... wie der Vater so der Sohn", sagte er spöttisch und wandte sich um. Alec fühlte, wie es in ihm brodelte. All der Zorn, der sich in den letzten Tagen angestaut hatte und die Unsicherheit, die ihn nicht losliess, prasselten auf ihn nieder. In zwei Schritten war er bei Napier und packte den Kerl am Kragen. Dieser wusste nicht recht was mit ihm geschah. Alec klatschte ihn an die Wand und presste ihn wütend dagegen. Napiers Beine berührten nicht einmal mehr den Boden und Alec knurrte ihn wütend an:
„Wiederhol das noch einmal du Wurm!" Duke Croft war in zwei Sprüngen bei Alec und sagte:
„Sehen sie mal, was sie angerichtet haben", an Napier gewandt und meinte zu Alec, „Nun mein Freund, ich weiss jetzt warum man sie lieber nicht verärgert." Er packte Alecs Arme und presste sie langsam nach unten, so damit Lord Napiers Füsse wieder Boden erreichten. Oliver Napier sagte kein Wort mehr. Alexanders Kiefer knirschte und William Croft löste jeden einzelnen Finger Alecs von Lord Napiers Kleidung. „Gentlemen", meinte er und gab Napier mit dem Kopf einen Wink, dass er nun verschwinden sollte, dann packte er Alexander. Er zog ihn durch die Korridore weit weg, bis er in eine einsame Bibliothek kam, stopfte Alexander in einen Sessel und reichte ihm ein Glas Scotch. Nach einer Pause, in der Alec trübselig in das Feuer im Kamin gestarrt hatte, begann Duke Croft zu sprechen: „Runter damit", befahl er Alec und setzte sich in den zweiten Sessel neben dem Feuer. „Also ich gebe zu, das Dokument ist natürlich gefälscht. Wie sie herausgefunden haben." Alec machte sich nicht die Mühe ihn anzusehen, dass hatte er ja schon gewusst. Er starrte in die gelborange züngelnden Flammen. Sie schienen ihn im Moment zu beruhigen. Ihre schlängelnden Bewegungen hatten eine entspannende Wirkung. „Ich habe nach dem echten Dokument selbstverständlich gesucht, nicht das sie denken, ich hätte sie an der Nase herumgeführt. Das habe ich nicht", sagte William Croft betont. „Ich halte mein Wort. Aber es gibt ein solches Dokument nicht, da Robert und Maud mit einem Schiff nach Frankreich gefahren sind, dass sich nicht die Mühe gemacht hat Namen illegaler Passagiere aufzuschreiben für die es Geld abgeknöpft und nichts an die Krone gezahlt hat... und ganz sicher haben sie das nicht festgehalten! Ich wusste aber, ihrer Aussage nach zu urteilen, dass sie das Dokument dringend benötigen." Alec hob den Kopf und blickte William Croft an:
„Und dann dachten sie, sie würden mir einen Gefallen tun, wenn sie es fälschen?" sagte Alec ungläubig.
„Meine Fälschungen gehören zu den Besten", sagte er stolz und lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Ich hatte noch nie eine Beschwerde."
„Damit rühmen sie sich auch noch?" sagte Alec spöttisch.
„Sie sind der Erste, der eine meiner Fälschungen erkannt hat", sagte William Croft verblüfft und erschien nicht im mindesten darüber erschüttert, dass Alec ihn mit einer Fälschung erwischt hatte. Alec schnaubte:
„Der Erste?" er konnte es nicht fassen. Er diskutierte hier mit einem Fälscher. Gut... er hatte mit Jackson auch schon, die eine oder andere Sache fälschen müssen. Aber... er blickte William Croft an. Er war sich immer noch nicht sicher, wie er ihn einschätzen musste. „Und dann?" fragte Alec.
„Ich dachte, ich täte ihnen einen Gefallen", sagte er unverblümt und stürzte genüsslich seinen Scotch hinunter. „Und habe ich oder nicht?" Alec runzelte die Stirn und gab widerwillig zu:
„Ja."
„Na also", sagte Croft, als würde er Alecs Dank erwarten. „Wie haben sie die Fälschung eigentlich erkannt?" fragte er neugierig.
„Falsches Gewicht... nach knapp neunzehn Jahren", sagte Alec und seine Laune schien sich unfreiwillig zu bessern. Trotz seiner selbstgefälligen Manier hatte Duke Croft offensichtlich eine nette und freundliche Seite und William Croft hatte sich entschieden Alec zu seinem Verbündeten zu machen. Ob die Art mit einer Fälschung nun eine passende oder eher unpassende war, schien ihn jedoch nicht im Geringsten zu kümmern. Sie blieben noch lange in der Bibliothek sitzen und William Croft amüsierte sich über den Anblick auf Lord Napiers Gesicht, als Alexander ihn mühelos an die Wand geklatscht hatte. Alexander konnte sich allerdings nicht darüber freuen. Er hatte sich von einem trotzigen Bengel dazu hinreissen lassen seine Beherrschung zu verlieren und er erinnerte sich ungern an die Zeiten zurück, als er ein junger Flegel gewesen war, der sich rücksichtslos geprügelt hatte. Er hatte mit den Jahren praktisch alle Laster verloren und im letzten sogar die betäubende Wirkung von Alkohol ad acta gelegt, da er nun etwas gefunden hatte, was ihm seine Alpträume weitgehend vertrieben hatte. Er schwenkte die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas umher. Croft unterdrückte ein Gähnen und kurz darauf verabschiedeten sie sich und suchten ihre Gemächer auf.
Bilder und wirre Gesprächsfetzen zogen dahin und Alexander wälzte sich in seinen Laken umher. Er konnte nicht einschlafen, ohne dass ihn grausame Alpträume heimsuchten, die sich nun vermischten mit den Hilferufen seiner Geliebten. Er öffnete seine Augen. Das Zimmer war noch dunkel. Es musste noch früh am Morgen sein. Die düsteren Traumgestalten schossen in seine Gedanken und umklammerten sie. Er warf das Laken von sich und setzte sich auf. Wie konnte er Ruhe bewahren, während sich in seinem Geist die Gewissheit formte, dass der Kampf noch nicht vorbei war. Mit einem flauen Gefühl im Magen betrat er den Salon, indem jeden Morgen das Frühstück gereicht wurde. Vereinzelt sassen einige Gentlemen an Tischen und genehmigten sich ihr englisches Frühstück. Sein Blick fiel auf zwei ihm sehr vertraute Gesichter, die sich am Rande des Salons an einem Tisch niedergelassen hatten und sich über ihrem ausgiebigen Frühstück leise unterhielten. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, seit sie sich getrennt hatten. Alexander schlängelte sich an den diversen Tischen vorbei, Dienstboten wichen ihm aus, bis er vor ihrem zu stehen kam. Haselnussfarbene Augen wanderten von dem üppigen Teller mit Rührei, Speck und Pastete hinauf zu Alec. Ein Grinsen breitete sich auf dem müde wirkenden Gesicht aus und er schluckte seinen grossen Happen hinunter:
„Alec!" James, der gerade in einen Brief vertieft war, hob den Kopf:
„Alec", sagte auch er überrascht und legte den Brief beiseite.
„Jackson, James! Endlich seid ihr eingetroffen!" Er zog einen Stuhl zu sich heran und setzte sich.
„Du wirkst bedrückt. Was ist passiert?" fragte Jackson sofort und er legte seine Stirn in Falten.
„Nichts", er tat es ab, „nichts, so hoffe ich doch. Es gab einige Komplikationen hier", auf die fragenden Blicke hin, erwiderte er nur, „der kleine Rat". James nickte wissend und biss in ein Stück Brot. Alec wandte sich an Jackson: „Du hast nicht zufällig eine Nachricht von Rickard oder Alfred erhalten?" fragte er eindringlich.
„Nein... ich war mir sicher, du würdest eine Nachricht erhalten", er stutzte. „Möglicherweise sind sie aufgehalten worden... immerhin war bis vor kurzem Krieg", sagte Jackson langsam.
„Glaubt ihr es ist etwas geschehen?" warf James ein. „Meine Boten haben nichts berichtet von schottischen Aufständischen. Bisher war alles sehr ruhig." Eine unangenehme Stille breitete sich aus. Das Gefühl, welches seit Wochen tief in seiner Brusthöhle schlummerte, brach jäh hervor, erfasste seine Kehle und trocknete sie aus. Jackson blickte ihn an:
„James hat recht", sagte Jackson, selbst wenig überzeugt von seinen Worten, „wenn die Schotten einen Angriff gewagt hätten, wäre dies bis hierher durchgedrungen. Vielleicht will Rickard kein Aufsehen erregen und hält sich deshalb bedeckt?"
„Möglich", sagte Alec unsicher. Hätten schottische Aufständische einen Sieg über eine englische Garnison errungen, wäre dies bestimmt nicht unentdeckt geblieben. Er strich sich mit einer Hand übers Gesicht. Das waren seine Nerven. Er sollte nur endlich zurück nach Carlisle reiten, sich ausruhen und um seine Frau kümmern.
„Bestimmt", bestätigte James mit Nachdruck, „mach dir keine Sorgen um deine Frau." Er lächelte und biss in eine Pastete. Um das Thema zu wechseln fragte Alexander:
„Wie hat die Anhörung vor dem Haftrichter für Geoffrey Rudin geendet?"
„Nachdem der Richter sich die Geschehnisse angehört und dann dein und mein Schreiben gelesen hat, hat er ihn freigelassen... vorausgesetzt", meinte James etwas düster, „ein neuer König hebt die Urteile nicht auf. David Lord Brandon jedenfalls wurde vom Rest der königlichen Garde inhaftiert und sitzt jetzt hier im Tower im Gefängnis. Ihm wurde vorgeworfen seinen Posten nicht richtig verteidigt und die Stellung aufgegeben zu haben, bevor der König bei ihm eintraf. Noch bevor der König getötet wurde, habe er den Befehl zur Inhaftierung Brandons gegeben."
„Ein schwerer Schlag für die Familie", meinte Jackson und schob den leeren Teller von sich. „Gibt es schon einen Nachfolger in der Thronfolge?"
„Bisher wurde in dieser Richtung nichts verlautet", sagte Alec und James erwiderte:
„Nun ich werde mich sogleich an einer Ratssitzung beteiligen... vermutlich haben die Drei oder die Räte schon eine geeignete Person in Aussicht."
„Diese Dinge werden vom Rat beschlossen?" fragte Jackson neugierig. James grinste:
„Nun", sagte er geheimnistuerisch, „das ist eine der Aufgaben des kleinen Rates... ja." Der Salon füllte sich allmählich und bald darauf verabschiedete sich James von ihnen.
DU LIEST GERADE
Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...