Die nächsten zwei Tage verrann die Zeit, wie Wasser im Sand. An den Abenden sass er oft mit John und Edmund zusammen. Sie tauschten Neuigkeiten aus, natürlich erst nachdem Alec ihnen haargenau erzählt hatte was in Carlisle und dann später hier in Surrey vorgefallen war. An diesem Abend war Alec allerdings äusserst müde. Sie hatten alle zusammengesessen und sich wunderbar unterhalten. Belinda und Elaine musizierten danach und sie alle hatten ihren Melodien gelauscht. Ausserdem hatten ihn Sophie und Annabeth auf Trab gehalten. Sie wollten beide, dass er mit ihnen spielte und sie in die Luft warf. Deshalb erklomm er nun erschöpft, aber zufrieden die Treppe in den dritten Stock. Als er ins Zimmer trat brannte noch eine Kerze, aber Isabella schien bereits zu schlafen. Er kroch neben sie und umarmte sie, sodass er ihren Rücken vor sich hatte. Seine Liebste kuschelte sich an ihn und bald darauf schlief er tief und fest ein. Alec erwachte am nächsten Morgen friedlich und versuchte sich zu drehen, da es ihm zu warm unter der Decke geworden war. Er hatte geträumt in einem See zu schwimmen mit seiner wunderschönen Isabella. Sie waren allein und hatten sich am Flussufer geliebt. Ganz langsam streckte er sich und war sich unsicher, ob er es nur geträumt hatte. Irgendetwas fühlte sich merkwürdig an. Er runzelte die Stirn und versuchte seine Augen zu öffnen. Es war nur ein Traum gewesen. Aber... was war... wieso fühlte er sich nass an? Unter Zwang riss er seine Augen auf. Das Tageslicht war schon ins Gemach vorgedrungen. Isabella lag noch neben ihm, in der fast gleichen Position, wie gestern Nacht. Er drehte sich auf den Rücken. Definitiv nass. Sachte bewegte er seine Beine. Alles nass. Ruckartig warf er die Decke zurück und sah, dass er in einer Flüssigkeitslache lag. Alec hob die Decke höher und sah nach. Er rüttelte sie wach:
„Liebste wach auf", sagte er hastig. Isabella blinzelte verwirrt:
„Was ist passiert?", doch im selben Augenblick warf sie die Decke zurück und betastete die Matratze unter sich, dann sah sie Alec an:
„Es ist soweit", erwiderte sie mit aufgerissenen Augen. Diese Worte hallten in seinem Kopf wider und er sprang aus dem Bett. Rasch griff er nach seiner Hose und einem Hemd. Erst als er versuchte die Hose anzuziehen, gewahr ihm, dass er sie verkehrt herum hatte. Hüpfend auf einem Bein hin und her zog er die Hose aus und wieder an. Alec ging rückwärts zur Tür, während er sich das Hemd überstreifte:
„Bleib hier... ich hole", Alec hatte den Stuhl übersehen.
„Alec!", rief Isabella vor Schreck und erhob sich, aber ihr Ehmann rappelte sich schon wieder auf und hielt die Hand hoch:
„Du bleibst. Rühr dich nicht." Er griff nach der Tür und rannte den Flur entlang, hinab in den zweiten Stock, wo das Zimmer der Hebamme lag. Ohne Zögern hämmerte er an ihre Tür. „Aufmachen!", rief er mit einer höheren Stimme als gewohnt und rieb sich den Kopf, den er sich vorhin gestossen hatte. Die Tür glitt auf und vor ihm, im Morgenmantel, stand Miss Stratford. Bevor er ein Wort von sich geben konnte, sprach sie:
„Es ist so weit. Ich werde mich anziehen. Benachrichtigen Sie Doktor O'Leary und sagen Sie Lady Elaine Bescheid, sie weiss was zu tun ist." Damit schloss sie die Tür vor ihm. Voller Frust schrie er:
„Ja alle scheinen zu wissen, was zu tun ist! Ausser mir!" Dann rannte er zu Elaines Gemach und klopfte sie aus dem Bett. Seine Schwester gehorchte und zog sich an, während Alec zu Carson eilte und ihn bat eine Nachricht an Bruce zu senden. In seinem Inneren kribbelte es. Noch nie hatte ihn ein solches Gefühl übermannt. Er fühlte sich elend und zur selben Zeit erheitert. Verschwitzt und zitternd erreichte er den dritten Stock und lief in sein Gemach. Isabella sass am Bettrand und sah ihn an:
„Ich glaube ich hatte soeben meine erste richtige Wehe", meinte sie leicht verkrampft. Alec kniete sich vor ihr nieder und ergriff ihre Hand:
„Es wird alles gut gehen... wann kommen denn die anderen endlich?!", murrte er genervt und sah zur Tür.
„Alec du zitterst ja", erwiderte sie überrascht und nahm seine beiden Hände in ihre. Er sah in ihre glühenden grünen Augen. „Hilfst du mir kurz mein Nachthemd auszuziehen. Es ist ganz nass", meinte sie und er half ihr es abzustreifen. Es klopfte.
„Einen Moment", schrie er und reichte Isabella ein Neues, welches er ihr über den Kopf zog. „Herein", sagte er dann. Elaine und Penny traten ein und schleppten allerlei Dinge mit sich.
„Oh Isabella", sagte Penny erfreut und als sie einen Blick auf Alec warf: „Alec, wie siehst du denn aus?" Elaine begann zu kichern und Alec liess seinen Blick nach unten gleiten. Er hatte sein Hemd nicht ordentlich zu gezurrt. Es war gänzlich schief. Mit einem Schnauben begann er es zu öffnen und korrekt zu schliessen. Er sah die drei Frauen an. Sie alle unterdrückten ein Lächeln. Doch nach einem seiner finsteren Blicke, gingen Elaine und Penny wieder ihrer Arbeit nach. Isabella kam zu ihm und legte seine Arme um sich:
„Beruhige dich Liebster... alles wird gut gehen. Miss Stratford weiss was zu tun ist." Er umarmte sie und presste seine Liebste an sich. Sein Herz hämmerte stark in seiner Brust und er küsste seine Frau auf die Stirn. Ein weiteres Klopfen kündigte Miss Stratford an. Er liess Isabella los und Miss Stratford trat näher:
„So Mylady, wie fühlen wir uns denn?", fragte sie und Alec sagte ungeduldig:
„Sie bekommt unser Kind, wie soll sie sich da schon fühlen!" Isabella sah ihn belustigt an, nahm erneut seine Hand und sagte zu Miss Stratford:
„Ich habe das Fruchtwasser verloren und bereits meine erste Wehe hinter mir."
„Sehr gut. Wir warten nun ab, wie lange die Pausen zwischen den Wehen sind. So kann ich abschätzen wie lange es dauern wird. In der Zwischenzeit kann ich alles vorbereiten und sobald Doktor O'Leary angekommen ist, werde ich mich mit ihm besprechen. Sie dürfen nun etwas spazieren gehen, während wir die Niederkunftsstätte vorbereiten."
„Spazieren gehen?! Jetzt?", echote Alec verzweifelt. Diese Frau musste übergeschnappt sein! Aber Isabella stellte sich auf ihre Zehenspitzen und versiegelte so seinen Mund.
„Begleite mich", hauchte sie und er reichte ihr missmutig den Morgenmantel und iher Hausschuhe.
„Ich fürchte", sagte er, als sie das Gemach hinter sich gelassen hatten, „ich überlebe das hier nicht. Mein Herz wechselt von Stillstand bis zur Raserei." Sie begann zu lachen und seine verspannten Muskeln lockerten sich ein wenig.
„Alec sei ganz entspannt. Wir werden nun einen gemütlichen Spaziergang unternehmen und dann bringst du mich zurück." Sie lief neben ihm und hielt seinen ganzen Arm umschlossen, während sie an ihn lehnte. Sie umrundeten jedes Stockwerk und stiegen dann die Treppe hinab. Die lockere Plauderei mit seiner Frau liess ihn etwas zur Ruhe kommen. Von der Eingangshalle gingen sie in den Garten und Isabella atmete erleichtert die frische Morgenluft ein: „Wie wundervoll! Das hat mir am meisten gefehlt." Sie blieben stehen und ihre beiden Blicke fielen auf das Gartentor, welches in den geheimen Garten führte. Sie sah ihn an.
„Ich denke, dass wir schon genug unterwegs waren", zögerte Alec, aber Isabella schüttelte den Kopf:
„Bitte lass mich den Garten sehen, ich habe so schöne Erinnerungen daran", neckte sie und zog ihn mit sich. Gemeinsam schritten sie durch das kleine Tor. „Schön!" Isabella lief in die Mitte und drehte sich.
„Es sieht so... ordentlich aus", stutzte Alec.
„Deine Schwester hat nach dem Garten gesehen... sie kennt ihn und wollte nicht, dass all die wundervollen Blüten zunichtegemacht werden." Er trat auf seine Frau zu. Sie sah ihm von unten in seine Augen. Alexander strich mit einem Finger der Kontur ihres Gesichtes nach und flüsterte:
„Ich habe Angst." Isabella indes ergriff seine Hand:
„Das brauchst du nicht... die schlimmste Zeit liegt hinter mir und ich kann es ehrlich gesagt kaum erwarten dein Kind in meinen Armen zu halten."
„Unser Liebste... unser." Er küsste sie auf ihre vollen Lippen. Seine Arme legten sich um sie und er wollte ihr zeigen, wie viel sie ihm bedeutete. Alles was er nicht mit Worten sagen konnte. So verharrten sie wundervolle Momente im Garten seiner geliebten Mutter und liessen den zarten Windhauch über sie streifen. Als Alec sie darum bat nun lieber zurückzukehren, nickte seine Frau kurz, jedoch verharrte sie und blieb stehen. Isabella verkrampfte sich und Alec fühlte sich erneut hilflos. „Was kann ich tun?", fragte er verzweifelt. Sie hielt ihren Bauch und hob die Hand:
„Nur... einen... Augenblick", presste sie mühsam hervor und verzerrte ihre lieblichen Züge. Sie atmete tief ein und aus, bis sich ihr Gesicht wieder zu glätten schien. Dann hauchte Isabella: „Dies war wohl die zweite Wehe." Alec nahm ihre Hand und führte sie zu ihrem Gemach zurück. Bruce war bereits eingetroffen und das Zimmer schien vorbereitet zu sein. Alec buxierte Isabella ins Bett und bemerkte, dass ihm dies eindeutig lieber war.
„Soeben unten im Garten hatte sie die Zweite", verkündete Alec, froh dass er einmal etwas beisteuern konnte.
„Das bedeutet", sagte Miss Stratford und betrachtete eine Uhr, die sie aufgestellt hatte: „bisher ungefähr eine Wehe pro knappe Stunde." Sie blickte Bruce an und der fügte hinzu:
„Gut, ich denke es wird noch mehrere Stunden dauern bis wir stärkere Wehen haben. Ich werde sie untersuchen, dann sehen wir weiter." Alle, ausser Miss Stratford, verliessen den Raum. Alec wartete ungeduldig und Elaine hielt seine Hand. Als sie wieder eintreten konnten, lag Isabella unter der Decke und lächelte ihn an. „Wie gesagt", begann Bruce, „noch einige Stunden. Ich werde am Nachmittag wieder hier erscheinen." Dann packte er seine Sachen zusammen und Alec folgte ihm:
„Du gehst?", fragte er verblüfft und Bruce hielt inne:
„Ja, es wird einige Stunden dauern bis sich der Muttermund geöffnet hat. Da braucht sie mich nicht." Sein alter Freund verzog das Gesicht und tätschelte Alec die Schulter: „Alec, Miss Stratford ist eine der Besten. Ich hätte sie dir sonst nicht empfohlen."
„Aber ein Arzt ist immer besser", meinte er störrisch.
„Alec, mein Freund, dies ist die Last der Ehemänner. Miss Stratford hat mehr Geburten erlebt als ich. Mehrere Hundert, und in vielen Fällen tut sie das alleine, ohne Doktor. Also mein Rat, bleib bei deiner Frau so lange es geht und dann zieh dich zurück und beschäftige dich mit deinen Freunden. Sie werden dich ablenken", damit ging er und liess Alec zurück.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...