Kapitel 4.15 - Erinnerungen

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Als Isabella ein paar Stunden später mehrmals gähnte, liessen die beiden sie allein und sie konnte sich in ihre Kissen legen. Obwohl sie müde war, konnte sie nicht einschlafen. Sie war mehrmals kurz davor aufzustehen und Alec aufzusuchen, aber sie wagte es nicht. Nur die wenigen Schritte hin zur Tür, die mittlerweile provisorisch repariert wurde, waren ihr unbehaglich und sie verspürte ein schmerzliches Ziehen. Sie rollte sich auf die Seite und klemmte ein Kissen unter ihren Bauch, damit sie bequem liegen konnte. Sanft streichelte sie ihre runde Wölbung. Das Kind trat und Isabella vergass für einige Augenblicke den Streit mit Alec. Es würde neues Leben entstehen und es war Alexanders Kind. Zum ersten Mal in ihrer Schwangerschaft konnte sie es richtig geniessen. Wie würde ihr Kind wohl aussehen? Hätte es dunkle Locken, wie sie selbst? Die dunklen Augen seines Vaters? Isabella schmunzelte bei diesem Gedanken. Sie stellte sich einen kleinen Alexander vor. Wenn er auch so ein einnehmendes Wesen hätte wie sein Vater, würde sie allerhand mit ihm zu tun haben. Obwohl sie noch immer etwas ängstlich war, wenn sie an die Geburt dachte, so konnte sie es kaum erwarten das kleine Wesen in ihren Armen zu halten. Wie sich ihr Leben die letzten zwei Jahre vollkommen verändert hatte. Bevor sie in Alecs Nähe gekommen war, hatte sie sich nicht einmal vorgestellt bald eine Familie zu gründen, dies war in weiter Ferne gewesen. Erst als sie sich ihm hingegeben, sich in ihn verliebt hatte, formten sich Vorstellungen und Träume. Da lag sie nun, verheiratet mit dem englischen Hünen, trug sein Kind in sich und war Countess. Es war schön geborgen zu sein und bald eine eigene Familie zu haben. Sie war lange sehr einsam gewesen und auf sich allein gestellt. Nur die Hoffnung ihre Verwandten in Frankreich zu finden, hatte sie überhaupt soweit nach Süden gebracht, bis hierher nach Surrey. Ihre Verwandten. Alec hatte zwar auch nicht mehr viele aus seiner Familie, aber immerhin einen Bruder und eine Schwester. Isabella hatte nur ihren Onkel und ihre Tante auf dem Kontinent und die wussten nicht einmal, dass sie noch lebte. Eines Tages würde sie die beiden wiedersehen und vielleicht würden sie in ihr Clan Territorium zurückkehren. Das Kind strampelte heftiger. Isabella legte ihre Hand auf die Wölbung und summte ein altes schottisches Lied. Sie schloss die Augen. In ihrer Erinnerung stiegen Felder, Wiesen und ihr Heim Argyll Castle auf. Sie stand als kleines Mädchen vor dem grauen Stein der Burgmauer. Die Wiese war saftig grün und wogte im Wind. Schmetterlinge tanzten über die Blüten der Blumen. Am Rand der Burg wuchs die widerstandsfähige Erika und verströmte ihren Duft. Ihr weisses Kleid flatterte und ihre Haare wurden vom Wind weggetragen. Sie sah ihre Mutter, wie sie auf dem Wehrgang stand und hinab winkte. Ihr Hund Drag rannte bellend aus der Burg und umkreiste sie, forderte sie auf zu spielen. Isabella drehte sich glücklich im Kreis und rannte mit ihrem Spielgefährten die Wiese entlang. Auf der anderen Seite von Argyll Castle lag im Tal ein See. Isabella blieb auf dem Hügel stehen. Drag wälzte sich friedlich in der Wiese und sie blickte auf den wogenden See. Er glitzerte dunkelblau und grün. Isabella sah einen Falken über die Wasseroberfläche rasen. Sein Spiegelbild zeigte seinen weiss braunen Bauch. Er streckte seine Klauen, stiess sie ins Wasser und als er sie wieder hinauszog, baumelte ein Fisch in ihnen. Die kleine Isabella wirbelte um sich selbst und fiel ins Gras zu ihrem Freund. Am hellblauen Himmel zogen weisse Wolken entlang. Sie wusste noch genau was sie sich in diesen Wolken vorgestellt hatte. Sie sah sich mit ihrem Pferd über das Himmelszelt galoppieren. Sie fühlte sich frei und zufrieden. Plötzlich verdeckte ein Schatten ihr den Blick in den atemberaubenden Himmel. Ihr Vater hatte sich über sie gelehnt und begann sie zu kitzeln. Sie sprang auf, aber ihr Vater fing sie ein und sie drehten sich lachend und kreischend im Kreis. Es war als wäre dieser wunderschöne Nachmittag erst gestern gewesen und sie konnte noch immer die Unbeschwertheit ihrer Kindheit spüren. Heimweh durchströmte sie. Sie blinzelte und schlug ihre Augen auf:
„Bitte nicht aufhören", hörte sie eine Stimme. Isabella hob ihren Kopf und blickte zur Tür. Alec lehnte mit dem Rücken an der kaputten Tür und sah sie an. Isabella richtete sich auf und lächelte matt:
„Das Lied ist vorbei." Alec löste sich von der Holztür und schritt zur ihr. Er setzte sich auf das Bett und sah sie verträumt an:
„An was hast du gedacht? Es lag so viel Herz in dem Lied." Sie lehnte sich ins Kissen zurück:
„An Argyll Castle", hauchte sie. Sie hatte das Gefühl immer noch den Wind in ihrem Haar zu fühlen. „Das Lied hat mir meine Mutter beigebracht... ich dachte es würde unserem Kind gefallen."
„Nicht nur ihm... auch mir", sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Ich wusste aber nicht, dass du mich belauscht", sagte sie neckisch.
„Ich konnte nicht anders... das Lied hat mich gebannt. Erzähl mir davon", forderte er sie auf.
„Es handelt von Fabelwesen, die in den Highlands hausen... sie sind überall und beschützen den Wald, die Wiese und die Tiere, die darin leben. Ein Mensch kann sie nur sehen und mit ihnen sprechen, wenn er frei ist. Das können meist nur Kinder", erzählte Isabella. Alexander sah sie lange an und streckte ihr dann seine Hand entgegen. Sie griff nach ihr und sie kreuzten ihre Finger. Er rückte zu ihr auf umfasste mit der linken Hand ihren Hinterkopf und küsste sie besitzergreifend auf den Mund. Er löste sich, atmete schwer aus und stützte seine Stirn an ihrer:
„Ich liebe dich", murmelte er. Sie küsste ihn und blickte ihm tief in die Augen. Sie sah, wie erleichtert er war.
„Wieso bist du gestern Nacht nicht mehr zurückgekehrt?", fragte Isabella neugierig.
„Ich habe mich mit Alice beschäftigt", er hob eine Augenbraue, da Isabella ihn neugierig ansah. Er atmete resigniert aus: „Es hat lange gedauert. Erst als ich gedroht hatte, sie mittellos und in einem Landhaus unterzubringen, hat sie ihr Schweigen gebrochen."
„Und?"
„Sie hat mich angelogen... sie hat behauptet ihn aus Frankreich zu kennen", meinte er und streckte seine Arme.
„Woher willst du wissen, dass dies eine Lüge war?", fragte sie überrascht.
„Ich weiss meistens, wenn mich jemand belügt und ausserdem hatte Talbot zu dieser Zeit grosse Differenzen mit Geldeintreibern. Ich glaube nicht, dass diese ihn ausser Landes gelassen hätten." Auf ihren fragenden Gesichtsausdruck ergänzte er: „Das wiederum weiss ich von Rickard. Er hatte Talbot, nach dem Vorfall in Cornwall, genauer unter die Lupe genommen." Alec stand auf und begann sich zu entkleiden, während Isabella sich seine Worte nochmals Revue passieren liess. Es ergab alles keinen Sinn. Warum sollte Alice de Warenne lügen und weiter verheimlichen woher sie Talbot wirklich kannte? Es war ja kein Verbrechen ihn zu kennen... Alexander legte sich neben sie und sah sie an. Er nahm eine ihrer Locken und drehte sie um seinen Finger. Sie verscheuchte Alice und ihre merkwürdige Lüge aus ihren Gedanken. Sie beobachtete ihn und als ihm die Locke entwischte, fasste sie seine Hand und hielt sie fest. „Ist etwas meine Teure?", fragte er schelmisch und zog sie zu sich hinauf. Er knabberte an ihrem Hals und sie begann zu lachen. Seine Brust war angenehm warm und Isabella musste sich an ihn kuscheln. Er strich ihr zart über ihren Schopf.
„Wir brauchen noch einen Namen", gähnte sie und spielte mit ein paar seiner Brusthaare. Er hielt inne und sah sie an:
„Du hast recht... wie konnte ich das nur vergessen", meinte er perplex. Er nahm ihre Hand und hielt sie in die Luft, damit er sie im Schein der Kerze betrachten konnte. „Was meinst du?" Isabella zuckte mit den Schultern:
„Hmm...", machte sie. Eine Zeitlang schlugen sie gegenseitig Namen vor, doch keiner schien ihnen wirklich zu gefallen.
„Mildred?!", kicherte Isabella, „tha thu air chuthach(5)", und auch Alec stimmte in das Lachen mit ein. „Es heisst du bist verrückt", erklärte ihm Isabella, nachdem sie ihren Lachanfall überstanden hatten. Sie atmete tief ein: „Was hältst du von... Aurora, wenn es ein Mädchen wird?", fragte sie. Alec antwortete nicht sofort. Deshalb drehte sie ihren Kopf, um ihn besser sehen zu können. Er hatte ein süsses Lächeln auf den Lippen:
„Jaa", meinte er versonnen, „Aurora, wie die Morgenröte. Ein wundervoller Name... einer zukünftigen Lady der Familie de Warenne würdig." Er drückte sie an sich und küsste ihre Stirn. Isabella schmiegte sich an seine Brust und schloss die Augen. Für einen Jungen würde ihnen bestimmt auch noch der passende Name einfallen.


(5) Du bist verrückt


Lustiger Funfact 🤗😆 falls es Euch interessiert; ich bin ein Disney Nerd und wer die Meerjungfrau kennt, kann sich vielleicht an die Szene zwischen Ariel und Eric erinnern, als er versucht ihren Namen zu erraten 😂🤩... "Mildred"

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt