Der letzte Abend war angebrochen. Isabella stand in der Menge und strich ihr Kleid glatt. Sie sah Alec, wie er sich mit dem König und anderen Gentlemen unterhielt. Sie schmunzelte. Für all seine Verdienste im Krieg war ihm der höchste Titel verliehen worden und er war nun ein Mitglied des Hosenbandordens. In diesem exklusiven Kreis waren nur Männer, die sich im Dienste der englischen Krone einen Namen gemacht hatten, was natürlich die Mitglieder des kleinen Rates miteinschloss. Eine weitere erfreuliche Nachricht erreichte sie ein paar Tage später. Der kleine Rat hatte Alec zu einem Treffen eingeladen und ihm den freien Posten, da Edmund nun König geworden war, angeboten. Alec hatte nach einer Überlegungszeit den Posten angenommen. Gespräche fanden in Friedenszeiten einmal im Monat statt und sonst hielten sie untereinander brieflichen Kontakt. Alec hatte seine Position im Ansehen der Räte gestärkt. Nach den Verhandlungen, die ihre Familie betroffen hatte, liessen die Tuscheleien, allen voran bei den Damen, nach. Sie hatten erfahren, dass Alec sich für die Mörderin eingesetzt und ihr damit den Strick erspart hatte. Natürlich wusste Isabella, dass man immer noch über sie hinter vorgehaltenem Fächer sprach, da sie nun einmal eine Schottin war. Aber dieser Umstand verunsicherte sie nicht.
„Ja im Juni", erklärte Penny und Isabella richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Damen um sie herum.
„Oh wie aufregend", schmunzelte Belinda, die nun mit ihren Hofdamen zu ihnen getreten war. Alle machten einen kleinen Knicks.
„Ich kann es kaum erwarten Eure Majestät", sagte sie und strahlte über ihr gesamtes Gesicht.
„Das glaube ich sofort", lächelte die Königin.
„Ihr heiratet?", mischte sich eine kühlere Frauenstimme ein. Ophelia! Isabella hatte sie erst gar nicht bemerkt, aber dann war sie hinter der Königin vorgetreten und beteiligte sich am Gespräch. Das war wohl der Moment, indem sie sich zurückziehen sollte. Isabella hob ihre Röcke:
„Entschuldigt mich Eure Durchlaucht", meinte sie an die Königin gewandt und wollte sich soeben abdrehen. Ophelia hatte ihre Absicht erraten und versperrte ihr den Weg.
„Aber My Lady Ihr wollt doch nicht schon gehen?" Sie standen nun beide etwas neben der Gruppe. Die anderen unterhielten sich immer noch über die Hochzeit von Penny. All ihre Wörter trieften nur so vor Ablehnung und Überheblichkeit.
„Sehr wohl Miss Brandon, ich wollte zu meinem Ehemann." Isabella machte einen Schritt auf die Seite, aber Ophelia breitete ihre Röcke aus und sah sie herausfordernd an:
„Ach ja... ich vergass." Isabella glaubte ihr nicht eine Sekunde lang, dass sie es vergessen hatte. „Und wie bekommt Euch das Eheleben?", fragte sie mit einem gehässigen Unterton. Isabella lächelte aufgesetzt:
„Ich kann mich nicht beklagen."
„Ihr habt ihm ja einen Erben geboren, so sagt man." Ophelia lachte hell auf und flüsterte zu ihr: „Wie habt Ihr es geschafft, dass er den Bastard eines anderen als den seinen annimmt?!"
„Kann ich behilflich sein, meine Damen?" Die tiefe und wachsame Stimme von Alec erklang plötzlich neben ihnen. Ophelia erstarrte und lief rot an. Isabella atmete leise aus und setzte dann ein Lächeln auf:
„Nein Liebster. Ich wollte soeben Miss Brandon danken."
„Danken?", sagten Ophelia und Alec gleichsam überrascht.
„Oh jaa", lächelte Isabella und schlang ihr Handgelenk durch Alecs Armbeuge. „Wir müssen Miss Brandon äusserst dankbar sein. Ohne sie hätten wir heute nicht das Glück ein zufriedenes Ehepaar zu sein und einen wunderschönen Erben zu haben." Alec schmunzelte, doch Ophelia sah sie immer noch verwirrt an. „Nun ja Miss Brandon", begann Isabella zu erklären, „hätten Sie nicht dafür gesorgt, dass George Talbot genau an diesem Tag in Surrey einkehrt und meine Maskerade vor Alexander de Warenne aufgedeckt hätte, so wären wir jetzt nicht verheiratet." Ophelias unklarer Blick wandelte sich rasch. Ihre Augen traten undamenhaft hervor und ihre Lippen wurden ganz schmal, als sie mehrmals nach Luft schnappte. Aber Isabella konnte es nicht lassen und fügte hinzu: „Ich wäre längst in Frankreich und der Duke und ich hätten uns vermutlich nie mehr wiedergesehen." Nun grinste Alec und drückte ihre Hand:
„Wenn das so ist. Herzlichen Dank Miss Brandon", sagte er höchst aufrichtig und wandte sich daraufhin, ohne auf eine Reaktion zu warten, von Ophelia ab. Alec zog Isabella für einen Tanz auf die Tanzfläche, während Isabella glücklich zu lachen begann. „War das deine Rache?", grinste Alec verschmitzt. Isabella sah zu ihm empor und nickte zugegebenermassen leicht:
„Vielleicht... aber es stimmt Alec. Hätte sie mich nicht verraten... wer weiss, wo ich heute wäre." Das Lächeln ihres Ehemannes verblasste:
„Bitte lass mich nicht darüber nachdenken... du alleine, irgendwo und Dustin", schnaubte er.
„Es ist nicht so gekommen", flüsterte sie. „Ich und Dustin sind bei dir... für immer." Er nahm ihre Hand und presste einen flüchtigen Kuss auf ihren Rücken. Sie beendeten die Gavotte mit dem Rest der Gesellschaft und versammelten sich danach vor dem Thron. Edmund erhob sich aus seinem Stuhl, wie auch Belinda.
„Ein Hoch auf England", rief er freudig und die Menge wiederholte seine Worte. „Ein Hoch auf den Sieg und ein Hoch auf die Zukunft!" Er genehmigte sich ein Schluck und alle taten es ihm gleich. „Und ein Hoch auf meine Königin, die mich zum stolzesten Mann und König überhaupt macht! Sie wird mir ein weiteres Kind schenken", rief er voller Freude und küsste seine Belinda stürmisch. Sie lief rot an und die Menge brach in schallende Jubellaute aus.
„Ein Hoch auf den König! Ein Hoch auf die Königin! Ein Hoch auf den Kronprinzen!", riefen die Leute euphorisch und hielten ihre Becher in die Höhe. Die Musik setzte wieder zu spielen an und alle, auch der König, schritten zum Tanz. Die Nacht war schon längst vergangen, als Alec und Isabella in ihr Gemach zurückkehrten und sich erschöpft auf ihr Bett sinken liessen.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...