Kapitel 4.3 - Alec gegen Rosco

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Ω

Benommen hatte sie sich aufgerichtet und sah die beiden Fronten aufeinander einschlagen. Sie blickte hastig umher und sah verschwommen Alexander, wie er die Klinge mit Rosco kreuzte. Ein stummer Schrei entfuhr ihr und sie richtete sich auf. Weiter kam sie allerdings nicht. Jemand packte sie am Arm und zog sie zu sich. Isabella wollte ihren Arm aus dem Griff zerren, da sie befürchtete ein Söldner habe sie gepackt. Als sie den Blick zurückwandte, sah sie in ein bekanntes Gesicht und Isabella japste:
„Alfred!"
„Bitte Mylady! Kommen Sie, ich soll Euch in Sicherheit bringen", und er zog an ihrem Arm, doch Isabella rührte sich nicht.
„Nein... Alfred, ich kann nicht. Ich muss hierbleiben", meldete sie stur.
„Nein Mylady, ich bitte euch! Alexander hat es befohlen, Ihr müsst mit mir kommen." Er zog erneut, nun etwas kräftiger an ihrem Arm und Isabella stolperte ein paar Schritte zurück.
„Alfred bitte", erwiderte sie, doch der Rest ging in dem Geschrei eines Söldners unter, der sich auf sie beide stürzte. Alfred liess ihren Arm los und spannte hastig seinen Bogen. Der Söldner war nur einige Schritte von ihnen entfernt und der Pfeil zerfetzte sein Auge. Der Söldner jaulte auf und seine Hände umklammerten sein Gesicht. Ein weiterer Pfeil durchbohrte seine Stirn und er sank nieder. Sie standen ihm so nah, dass einige Blutsspritzer auf Isabellas Wange gelandet waren, als ihn der Pfeil traf. Doch Alfred fand keine Ruhe. Der nächste Söldner spurtete auf ihn zu und er spannte einen weiteren Pfeil. Isabella nutzte die Möglichkeit und schlängelte sich aus der kämpfenden Menge hinaus. Sie rettete sich an den Rand. Isabella zitterte und zwang ihre Knochen ihr zu gehorchen. Die meisten Zelte waren bereits niedergebrannt und glühende Asche zeigte, wo sie einst gestanden hatten. Sie versuchte an einem Zelt, welches nicht ganz niedergebrannt war, Halt zu finden. Voller Panik liess sie ihre Augen über die Kämpfenden gleiten und suchte den einen. Sie sah Rickard, der mit einem Söldner kämpfte und ihn soeben niederrang. Andere Soldaten aus Alexanders Armee töteten einen nach dem anderen. Selbst einige Männer, die mit ihr gefangen genommen worden waren, hatte es in diesen Kampf getrieben. Sie waren immer noch von der Folter gezeichnet, doch der Blutdurst spiegelte sich auf ihren Gesichtern wider. Weiter abseits sah sie Rosco und Alexander, wie sie einander umkreisten und tödliche Hiebe austeilten. Rosco täuschte einen Schlag vor und wechselte dann rasch die Angriffsseite. Beinahe hätte er Alec am Rücken erwischt, doch er konnte rechtzeitig zurückspringen. Alec bückte sich und entging so einem weiteren Hieb. Zwei Kämpfende versperrten ihr die Sicht und Isabella musste zur Seite hechten, als ein Söldner weggestossen wurde und in ihre Richtung fiel. Sie schaute sich um. Ein Dolch oder Schwert müsste sich doch finden lassen! Sie konnte unmöglich hier stehen und nichts tun! Die Tatsache, dass Alexander so nah war stärkte ihre Willenskraft und ihre schwachen Glieder. Ihre Augen fanden einen Speer. Die Hälfte des Holzes war abgebrochen, doch so konnte sie besser damit zielen. Ihre schlanken Finger legten sich um den Griff, sie hielt ihn mit beiden Händen vor sich hoch und näherte sich den Männern. Sie würde nicht aktiv eingreifen, aber wenn es der Zufall wollte konnte sie einigen Söldner, die an ihr vorbei stürmten in den Bauch stechen. Alfred sprang vor sie und versuchte erneut seinen Bogen zu spannen, doch zwei Söldner verfolgten ihn und schwangen wild ihre Schwerter. Isabella nutzte die Möglichkeit und als einer den Rücken zu ihr drehte, um Alfred zu erschlagen, stiess sie mit aller Kraft zu und bohrte den Speer in das Rückgrat des Angreifers. Er brüllte auf und drehte sich, um zu sehen wer ihn gestochen hatte. Isabellas Stosskraft war zu schwach, um ihn tödlich zu verletzen. Er grabschte nach dem Speer, der in seinem Rücken steckte und wandte sich ihr zu. Ihre Beine wichen zurück und sie suchte den Boden eifrig nach einem weiteren Hilfsmittel ab. Doch das brauchte sie nicht. Sie sah, wie sein Fuss sich in der Zeltwand verfing. Der Söldner indes bemerkte es nicht. Isabella blickte auf und hatte eine Idee. Er hatte es noch nicht geschafft den Speer zu greifen. Sie sprang auf ihn zu, was ihn überraschte. Mit all ihrer Kraft gab sie ihm auf die Brust einen Stoss und er verlor sein Gleichgewicht. Er schwankte und wollte sich abstützen, doch die Zeltwand hatte sich schon fest um seinen Knöchel geschlungen. Es gelang ihm nicht sich zu befreien. Er fiel nach hinten auf seinen Rücken. Der Speer trat durch sein Herz und riss Fetzen davon mit an die kühle Luft. Seine Augen waren erstarrt, in dem Moment, als der Speer den Boden berührt hatte. Isabellas Herz pochte aufgeregt. Alfred war schon wieder in der Menge verschwunden und sie zog mit ganzer Kraft den Speer aus dem Toten. Ihre Hände waren blutverschmiert und sie wischte sie an ihrem zerfetzten Kleid ab. Ihre Augen versuchten erneut Alec in der Schar auszumachen und sie bemerkte nicht, wie ein weiterer Widersacher auf sie zu schritt. Erst im allerletzten Moment gewahr sie die Gestalt aus ihrem Augenwinkel. Sie hob den blutigen Speer vor sich und stach in die Luft. Der Söldner grinste, griff nach der Speerspitze und riss daran. Scheinbar machte es ihm nichts aus, dass die Spitze seine Hand zerschnitt. Das Blut tropfte aus der geschlossenen Faust und mit einem Ruck hatte er ihr den Speer entrissen. Sie wich zurück und er warf den Speer zur Seite, stampfte auf sie zu und hob sein Schwert. In diesem Augenblick bohrte sich ein Pfeil in die Schwerthand, die er hoch erhoben hatte und er brüllte bestialisch, liess das Schwert fallen und sah sich nach dem Angreifer um. Ein weiterer Pfeil bohrte sich in die linke Brust. Er sank lautlos zu Boden. Isabella griff nach dem Schwert und wollte es aufheben. Doch die Klinge war so schwer, selbst mit beiden Händen konnte sie das Schwert nicht hochhalten und zu ihrer Verteidigung einsetzen. Sie warf es in die glühenden Überreste der Zelte und schnappte sich wieder ihren Speer. Rickard kämpfte jetzt in ihrer Nähe und hieb auf seinen Gegner ein. Isabella sah, wie wenig der Söldner ihm entgegensetzen konnte. Er hielt sein Schwert hoch und versuchte verzweifelt die Schläge Rickards abzuwehren, doch er war zu stark. Noch bevor Rickard seinen nächsten Hieb vollendete, wusste Isabella was nun geschah. Die Klinge Rickards brauste auf den Söldner zu und mit einem dumpfen Schlag rollte der Kopf des Barbaren über den Boden. Rickard gab dem Oberkörper einen Stoss und er fiel rückwärts in ein brennendes Zelt. Die Sonne ging auf und liess die Kämpfenden in blutrotem Licht erscheinen. Das Tosen des Meeres war bei diesem Lärm nicht wahrnehmbar. Man sah nur Wellen an die Küste schwappen und wie sie sich schaumig wieder zurück in die Fluten zogen. Unzählige Körper säumten bereits das Erdreich. Es waren Söldner und um Isabellas Herz wurde es leichter. Ein Grollen zog Isabellas Blick vom geköpften Schädel weg und richtete ihn auf eine entferne schwarze Horde, die in rassigem Galopp auf das Lager zu ritt. Es konnte doch nicht Talbot sein, der mit einer Truppe zu Hilfe eilte?! Immer näher ritten die Unbekannten und schrien wild umher. Schwerter und Äxte schwangen sie in der Luft und stürmten das Lager. Dann sah Isabella, dass sie einen Söldner um den anderen töteten und ihre Sorge schwand dahin. Das Gemenge war noch unübersichtlicher geworden und Isabella konnte kaum noch sehen, wo ihre Männer Hilfe benötigten. Sie umkreiste die Soldaten und versuchte Alec erneut ausfindig zu machen. Als sie ihn erblickte schwang Rosco sein Schwert nieder und erwischte Alec an der Seite. Sein Ringpanzer brach auf und Alec zuckte zusammen. Rosco lachte auf und Isabella schrie. Dieser Schrei musste laut gewesen sein, denn Alec hob den Kopf und fand ihren tränenüberströmten Blick. Er richtete sich auf und sah seinem Feind entgegen. Sein Wams verfärbte sich Rot und Isabella fühlte einen klammen Griff um ihr Herz. Wildes Feuer schien in Alecs Blick nun zu brennen und er hieb noch stärker auf seinen Gegner ein. Roscos Lachen verschwand und er wich den Hieben seines Gegners nach hinten aus. Beinahe stolperte er über die Leichen seiner Männer, doch er balancierte sich geschickt aus und parierte den nächsten Schlag von Alec. Ihr Geliebter schwang mit seinem Fuss ein brennendes Holzscheit in die Luft und fing es mit seiner freien Hand auf. Beim nächsten Schlag schlug er auf das brennende Scheit und Gluten stoben in das Gesicht von Rosco. Dieser kniff die Augen zusammen, um sich vor dem Feuer zu schützen. Alec nutze die Chance und fügte ihm eine schwere Wunde an seinem Arm zu. Blut rann seinen Oberarm hinab und nun fiel es Rosco sichtlich schwerer sein Schwert zu führen. Er wechselte die Schwerthand, doch diese war nicht annähernd so geschickt, wie seine andere. Sein Gesicht war nun blutrot und die Verbrennungen waren deutlich zu sehen. Immer wieder wischte er sich über sein Gesicht und wehrte mühsam Alecs Hiebe ab. Isabella war so konzentriert, sie hatte gar nicht wahrgenommen, dass das Getöse der Kämpfenden langsam abgenommen hatte. Rickard trat neben sie. Sie spürte es, aber sie konnte ihren Blick nicht von Alec losreissen. Sie sah vereinzelt noch Söldner, die kämpften, doch die meisten lagen tot am Boden. Keinen hatten sie verschont.
„Isabella", sagte Rickard sichtlich erschöpft und leise. Sie sah ihn an, umarmte ihn kurz und sagte:
„Rickard... ich bin so froh dich zu sehen", doch schon hatte sie ihren Blick wieder auf Rosco und Alec geworfen.
„Komm", meinte er, aber Isabella schüttelte den Kopf und wisperte:
„Ich werde ihn nicht verlassen." Den Blick stur auf die beiden gerichtet. Rickard erhob keinen Einspruch. Er wusste wohl, dass es zwecklos war. Die Sonne war nun erheblich weiter am Horizont gestiegen. Die Strahlen, die sie zuvor in rotes Licht geworfen hatte, waren nun orangenen Strahlen gewichen und spiegelten sich auf den Wellen des Meeres. Wie gebannt starrten die Soldaten auf die verbliebenen Kämpfenden. Nach und nach gingen die letzten Söldner zu Boden, bis allein nur noch Alec und Rosco sich duellierten. Abermals traf Rosco Alexander. Er zerschnitt ihm seine Beinkleider und fügte ihm einen Schnitt am Oberschenkel zu. Isabella fühlte, wie ihre Schwäche zurückkehrte. Den Speer liess sie fallen und ihre Beine gaben nach. Rickard fing sie auf und stützte sie:
„Isabella lass mich dich nach Carlisle Castle bringen, um dich zu versorgen", meinte er eindringlich. Aber Isabella schüttelte energisch den Kopf und betete innerlich, dass Alexander lebend aus dieser Begegnung herauskommen würde.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt