Kapitel 3.10 - Endlich die Wahrheit

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Als sie in Surrey House eintraten kam Mister Weston, mit einer Kerze in seinem Morgenmantel und Hausschuhen, die Treppe nach unten
„Mylord, kann ich ihnen doch noch ihr Gemach herrichten lassen?" fragte er eifrig.
„Mister Weston verzeihen sie den Lärm und die Uhrzeit. Ich hatte gehofft, ich könnte meine Angelegenheiten etwas früher erledigen. Nein Mister Weston, es ist besser wir brechen sofort auf. Bei all der Aufregung, die hier bald auf den Strassen sein wird, wenn alle wissen werden, dass der König" er blickte Mister Weston an, denn Alec glaubte noch nicht, dass er es wusste „tot ist" und er hatte recht. Die Augen von Mister Weston weiteten sich, selbst in dem faden Licht der Kerze war dies zu erkennen. Ramsey schritt ein und trat an Mister Westons Seite und wollte ihn stützen, doch er lehnte dankend ab und blickte entgeistert zu Alexander hinauf
„Der König tot, My Mylord??" sagte er etwas zittrig.
„Jawohl Weston. Morgen wird es ganz London... ganz England wissen. Wollen sie sich nicht setzen?" fragte Alec und bot ihm den Stuhl im Eingangsbereich an und Weston liess sich darauf nieder. Ramsey hatte ihm mittlerweile die Kerze abgenommen und auf den kleinen Tisch daneben abgestellt. Nach dem ersten Schock, kam wieder etwas Farbe zurück in die Wangen von Mister Weston und er erholte sich rasch
„Nun" sagte er kräftiger „wir müssen nach vorne blicken, nicht wahr?" Er erhob sich und griff nach seiner Kerze „Mylord ihr Gepäck habe ich schon gepackt. Ich werde noch ein wenig Verpflegung aus der Küche einpacken lassen für den Weg und ich hoffe natürlich, dass die Familie bald wieder hier eintreffen wird" sagte er freudig.
„Vielen Dank Mister Weston und ich denke in ein paar Monaten werden wir, ich und meine Frau". Weston blickte erneut absolut erstaunt, doch er fing sich rasch wieder. „Ja Weston ich habe geheiratet, aber Weston ich wäre ihnen verbunden, wenn sie diese Neuigkeit wenigstens noch zwei Tage für sich behalten könnten, wäre das möglich?"
„Selbstverständlich Mylord!" sagte Weston loyal. „Wir freuen uns sehr sie und ihre Frau hier in Surrey House im Sommer willkommen zu heissen" lächelte er und verneigte sich.


Die ersten Gäste im Tower mögen schon aufgestanden sein, als Alexander und Ramsey endlich durchs Tor fuhren. Ramsey führte Alec durch den Dienstbotentrakt, damit er von keinem Peer gesehen wurde, so nah an seine Räumlichkeiten wie es nur ging, um dann in sein Gemach zu schleichen. Er begab sich zum Frühstück und entdeckte neue Gesichter, die zweifellos während seiner Abwesenheit hier eingetroffen sein mussten. Er unterhielt sich mit verschiedenen Peers aus dem Parlament, aus dem grossen Rat und aus dem kleinen Rat. Auch den Dreien lief er über den Weg und erfuhr einige Neuigkeiten von ihnen. Die Beisetzung von King Henry VIII würde heute Abend stattfinden. Seit Alexander ihn auf dem Schlachtfeld gefunden hatte waren fünf Tage vergangen und nun konnten sie die Überreste keinen Tag länger mehr aufbahren. Die Priester hatten Duftwässerchen, Weihrauch und andere stark riechende Substanzen um den Leichnam aufgestellt, um den Anwesenden die Möglichkeit zu geben sich zu verabschieden. Es war Tradition, dass der Körper mehrere Tage in seiner Pracht aufgebahrt da lag und die Untergebenen sich von ihrem König verabschieden konnten. Theobald Gurdin hatte Alec verraten, dass König Henry VIII sehr viele exklusive Wünsche hatte, was seine Bestattung anging. Da der König Theobald so zu sagen ausgewechselt hatte als er noch lebte, hatte er keine grossen Einblicke mehr in die Kirchenabläufe des Königs gehabt. Aber nun da er tot war, wurde Theobald wieder mit den Aufgaben beauftragt, da die Räte und das Parlament nicht wussten, wer dafür zuständig war. Henry wollte das seine Grabtruhe als Deckel eine Statue trug, die ihn als gefeierten Kriegshelden darstellen sollte. Er wünschte ausserdem ein separates Mausoleum in London im Stadtpark Sankt Elenore. Damit nicht genug. Er verfügte in seinem Testament weiter, dass sein Herz, sein Hirn und seine Eingeweide aus seinem Körper entfernt werden sollten. Dies war allerdings nicht sehr ungewöhnlich. Was er nun forderte war allerdings pietätlos, fand Theobald Gurdin und Alexander musste ihm beipflichten. Die Eingeweide würde er, als einzigen Teil im Familiengrab bestatten lassen, neben den Gebeinen seines Vaters und seiner Mutter. Das Gehirn wollte er in Schottland bestatten lassen, wenn sie die Schotten besiegt hätten. Im Testament sei nicht näher bestimmt wo. Gurdin sagte nur, es stehe im Testament es solle auf Schottengrund liegen und das Herz solle dort begraben werden, wo die Schotten vernichtend geschlagen wurden. Das bedeutete, König Henrys Herz würde in der Grafschaft Northumberland bei Flodden begraben werden. Alec war heil froh, dass sein Land um einiges westlicher lag und er kein totes Stück dieses Königs auf seinem Land dulden musste. Der Tag verging und noch mehr Peers trafen ein. Sie nahmen Abschied vom König, machten ihren Besuch in der Krypta der königlichen Familie und gingen ihren Aufgaben als Räte oder Parlamentsmitglieder nach.
Es vergingen zwei weitere Tage und Alec hörte nichts von Duke Croft und wurde auch zu keinem weiteren Treffen mit dem kleinen Rat gebeten. Als er sich schon anfing Sorgen zu machen und sich zu fragen begann, ob dies ein schlechtes Zeichen war, klopfte es an der Tür.
„Herein". Ein livrierter Diener trat mit einem Silbertablett ein worauf eine Nachricht lag.
„Mylord eine dringende Nachricht" er hielt ihm ein kleines Messer entgegen, um das Siegel zu brechen, doch Alexander brach das Wachs von Hand und las rasch die Zeilen.
„Sie erwarten sofort meine Antwort?" fragte er etwas angespannt.
„Jawohl Mylord" näselte der Diener und starrte stur geradeaus. Er schnappte sich die Feder vom Schreibtisch, antwortete kurz und knapp, faltete den Brief und legte ihn wieder auf das Tablett. Der Diener verneigte sich tief, drehte auf dem Absatz um und verliess den Raum. In einer halben Stunde schoss es ihm durch den Kopf. Er schritt zur Waschschüssel, streifte sich sein Hemd ab und warf es achtlos zu Boden. Das Spiegelbild wirkte etwas blass und besorgt. Er spritzte sich rasch Wasser ins Gesicht, wusch sich kurz mit einer Seife und kleidete sich frisch an. Er kämmte sein schwarzes Haar und strich es nach hinten. Er hielt inne. Vor seinem inneren Auge tauchte ihr Gesicht auf. Wunderschöne katzenhaft grüne Augen, ihre vollen Wimpern die zart ihre Wange berührten, wenn sie ihre Augen schloss. Ihre sanfte, weiche Haut, die nach frischem Wald roch... und dann waren da noch ihre vollmundigen Lippen, so zart und lieblich und doch zuckersüss und verführerisch. Er dachte an ihr ungeborenes Kind und es überkamen ihn Schuldgefühle. Wie konnte er sie und sein Kind nur in einer solch gefährlichen Zeit mit an die Front nehmen! Selbst wenn sie kein Kind von ihm erwartet hätte, er hatte nur an sich gedacht und das von Anfang an. Er hätte aus ihr eine ehrbare Frau schon in Surrey machen können, doch er tat es nicht... und nun sassen seine Frau und ihr ungeborenes Kind alleine auf seiner Burg, immer noch davon ausgehend Rickard hatte sie dorthin geführt, schliesslich hatte er bis zum heutigen Tag weder von Alfred noch von Rickard ein Lebenszeichen vernommen. Er schickte Stossgebete gen Himmel und hoffte, dass er sich umsonst sorgte. Seine Schritte hallten in dem grossen Korridor, als er eine gute halbe Stunde später auf dem Weg zum Saal des kleinen Rates war. In goldenen Rahmen hingen kunstvolle Gemälde an den Wänden. Einige zeigten Schlachtszenen, wieder andere zeigten ruhige romantische Landschaften. Alexander bog um eine Ecke, in der eine sechseinhalb Fuss grosse Statue einer griechischen Göttin stand, und erreichte den Korridor des kleinen Rates. Die grosse doppelte Flügeltür war verschlossen. Links und rechts neben dem Gold verschnörkeltem Rahmen standen Wachen. Alexander stellte sich direkt vor die Tür und einige Sekunden später öffnete sich die Flügeltür von innen. Ein Diener trat hinaus, verneigte sich und bat Alexander hinein. Als er einige Schritte in den Saal getreten war, fielen die Türen hinter ihm ins Schloss und er blickte nach vorne.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt