Kapitel 2.6 - Ein Männergespräch

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„Talbot wo sind die Gefangenen?" schrie sie ihm entgegen. Talbot rutschte auf seinem Sattel hin und her und nickte in die Menge. Isabella folgte seinen Augen und sah ihre Männer, auch Rickard, zusammen gekettet hinter einem Wagen stehen. Der schwerverletzte Marcus war am Ende der Reihe festgezurrt. Auf dem Wagen lagen die sechs Leichen der Söldner, bedeckt mit den Lacken und ein Soldat von Talbot lenkte ihn. Die meisten Zelte hatten sie verbrannt. Sie hatten die Vorräte geplündert, Wagen und Pferde mitgenommen und alle Waffen, die Alec zurückgelassen hatte, damit Marcus und die Soldaten ihr Lager verteidigen konnten. Talbot befahl Isabella sich auf die Stute, die sie führte, zu setzen. Er wollte nicht riskieren, dass sie ihren Bastard zu früh bekommen würde, dann machten sie sich auf den Weg Richtung Norden.
Die Reise war lang. Oft hatte Isabella das Gefühl sie bewegten sich im Kreis, als ob Rosco auf ein Zeichen warten würde. Sie ritten einmal nach Westen, dann kehrten sie und ritten wieder nach Osten. Die Pausen, die sie einlegten, waren kurz und es kam ihr so vor als dass Talbot selbst den Weg nicht kannte. Es war offensichtlich, dass Rosco das Kommando übernommen hatte, denn ausschliesslich er erteilte Befehle und gab die Richtung an. An einem Abend trottete Isabellas Stute neben dem Leichenwagen der Söldner her. Sie war in ihren dicken Mantel eingehüllt, hatte die Augen geschlossen und versuchte auf irgendeine Weise etwas Schlaf zu finden. Als sie aber Talbot und seinen Soldaten, der den Wagen lenkte, flüstern hörte, waren ihre Sinne aufs Äusserste geschärft und sie trat ihrer Stute leicht in die Flanken, um aufzuschliessen
„Wieso zum Teufel müssen wir diese verdammten Leichen mit uns schleppen?"
„Ich bin mir nicht sicher Mylord... aber Söldner haben verschiedene Rituale, wenn es um Totenbestattung geht" sagte Talbots Soldat und es schien als wäre ihm bei diesem Thema unbehaglich zumute.
„Rituale? Zum Teufel was für Rituale denn?" sagte Talbot erhitzt.
„Nun Mylord ich weiss es nicht. Ich glaube wenige, die keine Söldner sind, wissen darüber Bescheid. Es wird sich erzählt... nun ja es gibt viele verschiedene Söldnergruppen und einigen sagt man grausige Dinge nach" meinte der Soldat und Isabella spürte, dass er mit der ganzen Wahrheit nicht so rasch rausrücken wollte.
„Nun sprich! Ich muss schliesslich wissen mit was ich es hier zu tun habe" bohrte Talbot weiter.
„Mylord gewissen Gruppen sagt man Hexerei und Magie nach... sie bringen Tote an geheime Orte... Heilige Stätten und keiner weiss was dann passiert" endete der Soldat im Flüsterton.
„Sie begraben sie? Oder verbrennen sie?" hakte Talbot nach.
„Möglich... wieder anderen wird nachgesagt... dass" dem Soldaten schien es schwer zu fallen die nächsten Worte auszusprechen „dass sie ihre Toten verspeisen". Isabella öffnete ihre Augen und beobachtete die beiden. Talbots Gesicht verlor Farbe und er blickte nach vorne. Ganz an der Spitze ritt Rosco.
„Wie meinst du das? Verspeisen?" sagte Talbot sichtlich schockiert.
„Mylord... Gott erhabe mich meiner Seele gnädig, dass ich über solch Frevelhaftes spreche" sagte er und fingerte an seinem Kreuz herum, das er um den Hals trug „einige Augenzeugen berichteten, dass sie ihre Toten samt Haut und Haar essen. Die Knochen würden sie als Werkzeuge und Waffen weiterverwerten... diese Nächte seien heilig... durch den Sud des Fleisches der Toten, den eine Hexe für sie braut, geraten sie in Ektase... andere erzählen gar, dass sie in dieser Zeit Jungfrauen besteigen und so ihren Nachwuchs heranzüchteten. Diese Jungfrauen gebären ausschliesslich junge Knaben, keine Säuglinge, sondern bereits kräftige Jungen, die bereit sind die Kunst des Schwertkampfes zu erlernen". Talbot schüttelte energisch den Kopf
„Ketzerei!" flüsterte er eingeschüchtert.
„Ja Mylord... und ich möchte lieber nicht wissen, wann diese Söldner ihr Ritual vollführen. Vielleicht nehmen sie". Isabella konnte gerade noch schnell genug ihre Augen schliessen, da sich der Soldat zu ihr umwandte „vielleicht nehmen die Söldner sie als Frau mit"
„Aber sie ist meine Gefangene" meinte Talbot erbost und erhob seine Stimme etwas.
„Mylord, ich denke wir können nichts dagegen tun. Roscos Männer sind in der Überzahl. Oder bedeutet sie ihnen so viel?" fragte der Soldat. Talbot antwortete rasch
„Nein... das ist es nicht. Aber sie könnte mir noch von grossem Nutzen sein und ausserdem hätte ich sie reich verheiraten können, nachdem ich ihren Bastard losgeworden bin". Danach wechselten sie das Gesprächsthema und Isabella folgte ihren Gedanken. Interessant. Rosco hatte Talbot nichts davon erzählt, dass sie bereits verheiratet war... aber wieso? Was brachte es ihm für einen Vorteil? Womöglich Macht. Er wusste Dinge, die sich dem Verstand von Talbot vermutlich weit entzogen. Sie war sich auch nicht sicher, ob der Soldat mit dem Verspeisen der Leichen recht hatte. Die Söldner waren durchaus Rechtlose, aber Hexer? Oder Magier? Wohl kaum. Es war denkbar, dass dies eine der Geschichten und Mären war, welche die Söldner selbst in die Welt setzten, damit sie gefürchtet wurden.

Ω

Nach zwei Tagen hatten die Truppen es bis nach Duns geschafft. Vom König und seinen Männern war keine Spur zu sehen. Allerdings fanden sie die Überreste von Brandons Heer. Abgeschlachtet. Die meisten waren tot. Alec, Thomas und die anderen fanden nur noch drei Überlebende. Einer starb in der darauffolgenden Nacht an Fieber und die beiden anderen kämpften um ihr Leben. Lior Callaghan hatte alle Hände voll zu tun, um den Toten die letzte Salbung zu verpassen. Alle packten sie mit an und sorgten für eine angemessene letzte Ruhe der Verbliebenen. In den kurzen Pausen die Alec hatte, hoffte er inständig das Alfred unversehrt im Lager bei Marcus und Isabella angekommen war und dass sie bereits auf dem Weg nach Carlisle Castle waren.
„He Alec". Alec wandte sich um und blickte James entgegen, der über den Platz auf ihn zukam. „Keine Spur von David Brandon... es gibt mehrere Möglichkeiten. Vielleicht hat ihn der König noch lebend vorgefunden und mitgenommen oder er ist Tod und die Schotten haben seinen Leichnam Zweck entfremdet"
„Oder" warf Alec ein „er ist geflohen. Was ich mir ehrlich gesagt am ehesten bei ihm vorstellen könnte". Er nahm einen Kelch und trank.
„Tut mir leid, ich habe dich aus deinen Gedanken gerissen... was ist los? Du wirkst besorgt" sagte James und setzte sich zu ihm ans Feuer.
„Es ist nur... ach nicht so wichtig" meinte Alec ausweichend. Er hatte James nichts von Isabella erzählt. Er wusste nicht wie er anfangen sollte.
„Alec" begann James langsam „wir sind schon verdammt lange befreundet und... ich erkenne, wenn du etwas verheimlichst". Alec stand auf
„Ich weiss" er verzog sein Gesicht und seufzte. Er zog eine feine goldene Kette unter seinem Hemd hervor und hielt sie James entgegen „Ich bin verheiratet". James sprang auf die Füsse und rief
„Was?!" er fingerte nach Alecs Kette woran ein grosser goldener Ring hing „Ernsthaft? Wann? Wen? Und vor allem, wieso hast du nichts gesagt?" Er liess die Kette aus seinen Fingern gleiten.
„Setz dich, ich erzähl dir alles" sagte Alexander, füllte zwei Kelche und reichte einen James. Sie waren alleine beim Feuer, denn die Soldaten waren beschäftigt. „Es ist jetzt etwas mehr als ein Monat her seit meiner Eheschliessung" sagte er und trank einen Schluck „Erinnerst du dich an die Spionin?" fragte Alexander. James' Augen wurden grösser
„Sag mir nicht, du warst so töricht eine Spionin zu heiraten?" sagte er fassungslos. Alexander holte tief Luft
„Es ist nicht so wie es sich anhört. Sie ist keine Spionin, dies ist ein Missverständnis". James Miene wurde nicht besser
„Alec, inwiefern? Du weisst, dass der König ziemlich unnachgiebig ist, was Hochverrat angeht". Alec grinste
„Heisst das, du wärst nicht auf meiner Seite?" James lachte
„Du weisst genau, dass ich hinter dir stehe! Egal was kommen mag, aber eine Spionin? Es gibt haufenweise nette Jungfrauen aus gutem Hause, die sich seit Jahren um dich reissen und was macht der einsame Löwe? Sucht sich seine Frau ausgerechnet in einem nun ja Grenzbereich" sagte James platt.
„Womöglich hast du recht... diese Frauen konnten aber in mir nie die Sehnsucht stillen, daher war ich auch lange davon überzeugt, ich würde nie eine Familie gründen aber dann... ich weiss nicht wann genau es passiert ist, plötzlich war sie der eine Teil, der mir bisher gefehlt hatte" sagte Alexander klar. „Sie hat meine Dämonen vertrieben, die mich Nacht für Nacht heimgesucht haben und sie" er lächelte versonnen „sie macht mich glücklich". Er sah zu James. Sein Blick war eine Mischung aus Erstaunen, Verwirrung und Amüsiertheit
„Du bist... ein verliebter Trottel" grölte James.
„Ach... du kannst das nicht verstehen, weil du dein fehlendes Stück noch nicht gefunden hast" meinte Alexander würdevoll. Als James endlich aufgehört hatte zu lachen, nahm er einen Schluck und sprach
„Es tut mir leid, aber keiner aus unserer Truppe hat bislang diesen Schritt unternommen... ausser Maximilian. Ich meine... du und ich wir sind die Anführer unserer Junggesellenformation und jetzt bist du bereits verheiratet?! Unfassbar".

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt