Kapitel 6

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Tessa legte mir ihre Hand auf die Schulter. „Guck nicht so verzweifelt. Wir finden schon etwas für dich. Wir haben ja noch etwas Zeit uns Gedanken zu machen, was zu dir passt. Und dann schreibst du im Oktober die Bewerbungen und fängst nächstes Jahr an." „Nächstes Jahr", quietschte ich auf. „Wie soll ich denn bis dahin die Zeit überbrücken? Da merken doch alle, dass ich nicht mehr studiere." Tessa klopfte sich nachdenklich ans Kinn. „Du, da habe ich eine Idee. Ich habe gerade letztens mit Bille gesprochen. Die suchen bei den Stadiontouren dringendst neue Leute." Stadiontouren? „Wenn wir das geschickt einfädeln, kannst du da jeden Tag ein paar machen. Dann verdienst du endlich auch mal eigene Knete. Und das bisschen Gelaber über das Stadion und den BVB bekommst du doch locker hin." Tessa sah begeistert aus. Hatte die einen Knall? Ich konnte mich da doch nicht vor lauter fremden Leuten hinstellen und etwas erzählen. Das würde ich nie hinbekommen. „Aber das bekommt Papa doch auch mit", versuchte ich sie verzweifelt von der Idee abzubekommen. Sie winkte ab. „Quatsch, der ist ja immer in Brackel und nur an den Spieltagen im Stadion. Und an den Spieltagen finden keine Touren statt. Also alles im grünen Bereich." Sie griff zum Handy, das auf dem Tisch lag und tippte darauf herum. Kurze Zeit später vibrierte es schon. Sie fing an zu grinsen. „Perfekt, du kannst nächste Woche anfangen." Wie? So einfach war das? „So, und was machst du dann mit deinem ersten verdienten Geld?" Ich zuckte mit den Schultern. „Du musst doch einen Wunsch haben, den du dir schon immer erfüllen wolltest." Na ja, den hatte ich wirklich, aber.... „Da reicht das Geld nicht für", antwortete ich also deprimiert. „Was denn?" Tessa war ihre Neugier anzusehen. „Na ja eine eigene Wohnung mit Luca zusammen." Meine Schwester fing an zu lachen. „Dafür brauchst du keinen Job, sondern nur einen Termin auf dem Standesamt. Papa verschenkt immer Immobilien zur Hochzeit. Weißt schon, werterhaltende Anlage für die Zukunft." „Da haben wir ja mein Problem, Luca will erst, dass wir unser Studium abschließen und dann Wohnung und irgendwann vielleicht heiraten. Hat Papa euch das Haus hier geschenkt?" Ich hatte immer gedacht, dass Leo es gekauft hatte.  Sie verzog ihr Gesicht. „Echt vernünftig von dem Erbsenzähler. Obwohl so eine eigene Wohnung könnte ja wohl vorher drin sein. Und nee, das Haus hat Leo gekauft, aber wir haben eine Wohnung von Paps bekommen, so wie Max und Leokardia auch.  Und genau wie Chrissi und Alli jede eine zur Geburt bekommen haben. Die sind aber leider alle vermietet, sonst hättet ihr ja da einziehen können." Schade, das wäre echt cool gewesen. Da hätten wir dann bestimmt die Miete verhandeln können, so dass wir sie uns auch selbst hätten leisten können. „Und willst du Luca von deinem Job erzählen? Er hält doch gegenüber Papa dicht." Ich schüttelte den Kopf. Irgendwie hatte ich den richtigen Moment verpasst. Jetzt musste ich warten, bis ich wirklich einen Ausbildungsplatz hatte. „Okay, von mir erfährt keiner etwas. Hast du denn schon eine Idee, was du für eine Ausbildung machen willst?" Ich zuckte mit den Schultern. War doch egal. „Irgendeine. Dir macht doch deine auch Spaß." Tessa schüttelte den Kopf. „Das ist aber ein reiner Glücksfall. Du solltest dich echt vorher erkundigen. Und unterschätz die Berufsschule nicht. Ich war da am Anfang ganz schön überrumpelt, weil ich überhaupt keinen Plan hatte, was da abging." Echt? So ein bisschen Ausbildung würde ich doch wohl mit links schaffen, schließlich war ich auf der Uni..... und hatte glorreich versagt. Scheiße. „Es sollte auf alle Fälle etwa sein, was ohne Mathe auskommt." Tessa schüttelte sich vor lachen. „Also die Mathe in der Berufsschule wirst du schon noch hinbekommen." Da war ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher. „Wir können ja mal zusammen zur Berufsberatung gehen." Ich nickte. Ja, vielleicht war das gar keine so schlechte Idee. Bestimmt konnte Tessa da mit den ganzen Begriffen mehr anfangen als ich. Ich hatte ja nichts sinnvolles für den Alltag auf der Uni gelernt. „So, jetzt lass uns aber mal über etwas anderes reden. Was lassen wir uns zu Lucys Hochzeit einfallen? So viel ich weiß, wollen sie das ganze ja schnell hinter sich bringen. Du sitzt doch bei Luca ganz dicht am Infopool." Da hatte sie theoretisch nicht ganz Unrecht, außer dass Luca und ich uns in letzter Zeit nicht so viel gesehen hatten. Gestern war ich aber mit der Familie Goretzka Essen und hatte so einiges mitbekommen. „Also so viel ich weiß, gibt es noch einige Diskussionen über den Termin und den Ort. Andi und Leon haben sich gestern beim Essen fast gefetzt." „Echt jetzt? Das hat mir Lucy gar nicht erzählt." Ich nickte grinsend mit dem Kopf. „Ja, Leon hat von den angesagtesten Locations angefangen und das die Trauung ja in einem ganz besonderen Rahmen stattfinden müsse. Er will unbedingt ein Designer Brautkleid für Lucy und was sonst noch alles möglich ist. Wenn du glaubst, dass Papa da einen Knall hat, dann kann ich dir sagen, Leon übertrifft das noch." Er hatte gestern ständig von weißen Tauben und Pferdekutschen mit Schimmeln erzählt. Tessa schnaubte belustigt. „Das wird Lucy aber überhaupt nicht gefallen." Ja, damit hatte sie recht. Unsere Freundin war gestern im Restaurant immer mehr auf ihrem Stuhl zusammen gesackt. „Andi hat Leon aber irgendwann eine klare Ansage gemacht." „Echt jetzt?" Ich nickte. „Er hat ihm gesagt, dass es ihre Hochzeit ist und dass sie das alles ganz alleine planen, er aber rechtzeitig genug Ort und Zeit mitgeteilt bekommt." Tessa stieß einen Jodler aus. „Manchmal ist es vielleicht doch nicht schlecht einen alten Mann zu heiraten. Der bietet seinem Schwiegervater wenigstens Paroli. Und Leon hat bestimmt blöd geguckt. Papa wäre wahrscheinlich wie Rumpelstilzchen im Kreis gesprungen." Oh ja, das war ziemlich sicher. Mit Widerspruch konnte Papa schlecht umgehen. „Also müssen wir uns an Zeremonienmeister Andi halten." Tessa klopfte sich nachdenklich ans Kinn. Dann müssen wir Leokardia in die Spur schicken. Marvin und Andi sind doch fette Kumpels. Außerdem ist sie doch sowieso die Königin der Hochzeitsplanung und hat garantiert tausend Ideen. Wir müssen sie dann nur noch bremsen."

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt