Kapitel 141

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Ich klopfte mir den Sand von den Beinen. „Mama", Alli streckte ihre kleinen Ärmchen nach mir aus. Keine Ahnung, ob se mich so nannte, weil Tessa und ich seit unserem letzten gemeinsamen Friseurbesuch im Mai den gleichen Haarschnitt trugen und uns wieder wie eineiige Zwillinge glichen oder, ob sie einfach nur noch nicht Maja sagen konnte. Ich hatte es ihr schon oft genug vorgesprochen, aber es war immer nur ein Mama herausgekommen. „Süße, ich brauche mal eine kurze Pause vom Buddeln. Ich habe Durst. Hast du auch Durst?" Bei der viele Sonne konnte das garantiert der kleinen Maus auch nicht schaden. Ich reichte ihr meine Hand und sie tapperte mit mir zusammen zum Liegestuhl meiner Mama, die ihre Sonnenbrille hochschob und uns anschaute. „Na ihr beiden Mäuse, möchtet ihr was trinken?" Ich hatte noch nicht einmal geantwortet, da reichte sie mir schon eine Wasserflasche und Alli ihre Kippeltasse, die die kleine sofort gierig an ihren Mund hielt. Ich setzte mich an Mamas Fußende. Das schien meiner kleinen Nichte wohl zu langweilig, denn sie ließ ihre Tasse einfach in den Sand fallen und marschierte wieder zu ihrer anderen Hälfte zurück. „Also, dass Tessa ihre Mutter ist, kann sie echt nicht verleugnen." Ich hob die Tasse schmunzelnd auf. Ja, Tessa hatte früher auch immer alles da fallen lassen, wo sie ging oder stand. Ich war dann immer für das Aufräumen zuständig gewesen. Witzigerweise gab es bei den beiden kleinen Mäusen scheinbar nur kleine Tessas, was gleichbedeutend damit war, dass Leo ordentlich gefordert war. „Ich wollte mich auch noch einmal bei dir bedanken, dass Tom bei uns wohnen darf." Mama hatte den Vorschlag gemacht, dass er doch in Max und Leos Zimmer schlafen konnte, weil sie ja nicht da waren. Und Papa hatte erstaunlicherweise ziemlich schnell zugestimmt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er das nur getan hatte, um Tom erst einmal noch genauer unter die Lupe zu nehmen und sicherzustellen, dass von ihm wirklich keine Gefahr ausging. „Das war doch selbstverständlich. Der Junge konnte da doch nicht weiter in seinem Mietwagen schlafen. Und um diese Zeit bekommt man so auf die Schnelle kein bezahlbares Hotel hier in der Nähe. Außerdem brauchen er und Will auch die gemeinsame Zeit, um sich kennenzulernen. Das ist wichtig." Ihr Blick wanderte ein Stück den Strand hinab, wo die beide gerade in ein Gespräch vertieft in unsere Richtung liefen. Ja, mein Muffeltier gab sich alle Mühe ein guter großer Bruder zu sein und wollte erst einmal viel über Tom erfahren. „Ich gehe dann mal ins Wasser. Passt du auf unsere Sachen auf?" „Ja, klar." Ich nahm Mamas Platz auf der Liege ein und schaute zu den Jungs, die jetzt direkt auf mich zukamen. „Na, Snugglebee, spielst du Grillhähnchen?" Will setzte sich zu mir auf die Liege und küsste mich zärtlich. „Grillhähnchen?" Tom schaute uns verwirrt an. Ich nickte. „Ja, das nennt man so, wenn man sich so lange in die Sonne legt, um braun wie ein Grillhähnchen zu werden." „Okay" Er fing an zu lachen. „Dann solltest du aber nicht vergessen Marinade aufzutragen." Er reichte mir die Flasche mit der Sonnencreme und ich musste lachen, genau wie Will. „Ich gehe auch kurz ins Wasser, großer Bruder. Und ich kann schwimmen. Ich habe schon bei Wettkämpfe mit geschwommen in Internat in England", grinste er in Wills Richtung. Ja, mein Muffeltier war eben ein besorgter großer Bruder, der garantiert nichts falsch machen wollte. Das hatte er bereits gestern und heute bewiesen. Deshalb hatte Tom wohl Angst, dass er sonst mit Maris Schwimmflügeln ausgestattet wurde. „Ist schon klar." Will schüttelte grinsend den Kopf. „Ich frage mich, ob es auch irgendetwas gibt, was er nicht kann." Sein Blick folgte seinem Bruder, der gemächlich Richtung Wasser lief und dabei einige Blicke der umliegenden Frauenwelt auf sich zog. „Mit Sicherheit", grinste ich und schlang meine Arme um seinen Hals. „Er kann mit Sicherheit nicht so gut küssen wie du und mich so glücklich machen." „Das will ich ihm auch geraten haben", knurrte Will. „Das ist nämlich alleine mein Job." Seine Lippen legten sich auf meine und zeigten ihre Besitzansprüche. „Boah, nehmt euch doch ein Zimmer, Vogel vom Ton. Hier sind auch kleine Kinder anwesend", kicherte Tessa auf einmal neben uns. „Gar keine so schlechte Idee, Fußballtrude!" Ich musste schmunzeln. Ob die beiden wohl jemals aufhörten sich gegenseitig so aus Spaß zu dissen? Ich war jedenfalls glücklich darüber, dass sie sich so gut verstanden. Das war bei Tessa und Luca nicht der Fall gewesen. Vielleicht hätte ich damals wirklich gleich auf meine Schwester hören sollen, dann wäre mir so mancher Kummer erspart geblieben. Andererseits wäre ich dann vielleicht nicht bei Will gelandet. Also war doch alles gut, wie es gelaufen war. Mein Blick ging zu Tom, der sich im Wasser mit meiner Mama unterhielt. Will schien meinen Blick bemerkt zu haben. „Wusstest du, dass er seit seiner frühesten Jugend Klavier spielt?" Ich nickte kurz. Das hatte er mir ja auch schon erzählt. Deshalb war es für ihn ja kein Problem gewesen sofort als Keyboarder in der Band anzuheuern. „Eigentlich hat er ja in England Musik studiert. Meinst du, dass kann er an der FU oder so fortsetzen?" Ich zuckte mit den Schultern. So gut kannte ich mich da nicht aus. „Wir sollten Phil fragen, der kennt sich da besser aus. Musik auf Lehramt geht, aber nur Musik. Da muss er bestimmt zur Hochschule der Künste. Hat Chris da nicht auch studiert?" Will schlug sich die Hand vor die Stirn. „Ja, klar. Dem muss ich sowieso noch Bescheid sagen, dass aus unserem Duo jetzt ein Trio von verlassenen Söhnen geworden ist." Er fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare. „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass dieses Arschloch Tanja und mich in England nicht sehen wollte, weil er schon wieder die nächste Familie in Trümmern gelegt hat. Stell dir mal vor, da war Tom gerade zwei Jahre alt, als William ihn auch im Stich gelassen hat, um sich die nächste zu angeln. Ich hoffe dieser Mistkerl wird in Südamerika von irgendwelchen Eingeborenen zu Gulasch verarbeitet." Ich strich meinem Muffeltier beruhigend über den Arm. Jedesmal, wenn es um seinen Erzeuger ging, Vater konnte man ja nicht sagen, wurde er ziemlich emotional. „Wusstest du, dass Tom in Berlin nicht einmal eine Wohnung hat, sondern immer noch in einem Hostel wohnt?" Ich schüttelte meinen Kopf. Nee, das wusste ich nicht. „Das wird doch aber auf Dauer zu teuer." Will nickte. „Ja, er hat zwar ganz gut von seiner Mutter geerbt, aber er muss ja auch noch das Studium damit finanzieren und so viel Geld bringt die Band ja auch nicht." Mir schoss ein Gedanke durch den Kopf. „Was hältst du davon, wenn er erst einmal zu uns zieht, bis er eine Wohnung gefunden hat?" Will schaute mich überrascht an. „Das würde dir nichts ausmachen?" Ich zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. „Nö, mit Tanja zusammen war doch auch okay." Es schien mir fast als wäre er erleichtert. „Snugglebee, du bist einfach nur genial." Begeistert zog er mich in seine Arme und küsste mich liebevoll.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt