Kapitel 126

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„Na, meine Süße!" Mama setzte sich zu mir auf die Strandliege und strich mir sanft über den Arm. Ihr Blick ging über meinen Körper, der in einem Bikini steckte. „Du hast ganz schön abgenommen. Gut, dass du bei Felix warst." War ja klar, dass sie das herausbekommen hatte. Bestimmt hatte Papa das alte Plappermaul nicht seinen Mund halten können. Oder Onkel Felix hatte sie doch noch angerufen, um ihr spezielle Instruktionen zu geben. In den letzten zwei Tagen war nämlich das Programm „mästet Maja" von allen angelaufen. Jetzt war es nicht mehr nur Will, der mir ständig irgendwelche Leckereien unter die Nase hielt, sondern auch Mama und Papa. „Phil hat mir erzählt, dass du in der Uni fast zusammengeklappt bist." Okay, dann war es eben Plappermaul Phil und nicht Papa. Ich verzog mein Gesicht. Warum mussten die alle das so breit treten? Ich fühlte mich auch so schon schlecht genug, dass ich zu blöd war eine Prüfung zu schreiben. „Hast du Lust einen kleinen Strandspaziergang mit mir zu machen?" Ich nickte. Klar mochte ich einen Strandspaziergang mit Mama. Das hatte ich früher schon immer als kleines Kind geliebt, wenn sie mit mir am Strand langgelaufen war und wir Muscheln gesammelt hatten. Man, da war mein Leben noch so einfach. Da gab es höchstens mal Streit mit meinen Geschwistern. Ich stand von der Liege auf. „Ich sage nur noch schnell Will Bescheid." „Brauchst du nicht. Der ist von Papa beim Beachvolleyball mit Beschlag belegt. Die spielen heute irgendein Turnier aus. Leon mit seinem Schwiegersohn gegen Papa mit seinen Schwiegersöhnen." Sie lachte. „Leo musste auch mit dran glauben. Und bis wir zurück sind, hat er noch nicht einmal gemerkt, dass wir überhaupt weg waren." Mein Blick ging zu dem Strandteil, wo die fünf sich lautstark anfeuerten. Ja, da könnte Mama wohl recht haben. „Na dann lass uns gehen." Ich hakte mich bei ihr unter. Vielleicht war das ja auch der richtige Moment für das Gespräch, das ich sowieso mit ihr führen wollte. Obwohl nee, jetzt wollte ich eigentlich lieber die Zeit mit Mama genießen, wenn ich sie schon mal ganz alleine für mich hatte. Wir liefen am Meer entlang und die auflaufenden Wellen umspülten unsere Füße. Mama bückte sich. „Schau mal eine Mupfel." Sie grinste mich an und ich musste auch schmunzeln. Ja, als Kind waren das immer Mupfeln für mich. Ich bückte mich auch und hob einen Stein auf. „Schau mal, der sieht wie ein Herz aus." Ich zeigte ihn Mama, die ihn von allen Seiten betrachtete. „Definitiv ein Herz", nickte sie. „Vielleicht solltest du es Will als Trost dafür schenken, dass er so viel Zeit mit Papa verbringen muss." Irgendwie freute es mich das Papa und mein Muffeltier sich jetzt so gut verstanden. Papa hatte ihn wirklich einfach akzeptiert. Für ihn war er schon sein Schwiegersohn. „Ich freue mich so, dass du Will gefunden hast. Er ist echt ein lieber Kerl." Ja, da konnte ich ihr nur zustimmen. „Die Frage ist nur, wie lange er es mit mir aushält, wenn ich wieder versage", platzten meine Ängste aus mir heraus. Klar, war er ganz anders als Luca, aber ich hatte doch gesehen, wie es ihn fertig gemacht hatte, als wir bei Felix waren. Warum sollte er sich bei seiner Vorgeschichte mit Tanja eine Frau ans Bein binden, die auch nur Probleme machte. Davon hatte er doch schon genug in seinem Leben gehabt. „Wie kommst du denn auf solchen Blödsinn? Und was heißt hier wieder versagst?" Mama schaute mich empört an. „Du hast niemals versagt. Kein Mensch versagt. Dieses Wort sollte man eigentlich aus dem deutschen Wortschatz streichen. Es ist viel zu negativ belastet. Man probiert etwas aus und manchmal klappt es oder aber man stellt fest, dass es einem nicht so liegt, dann macht man halt etwas anderes. Und genau das hast du gemacht." „Aber ich habe doch schon wieder die Prüfung nicht geschafft. Deshalb war ich doch bei Onkel Felix, damit es nicht schon wieder gleich ein Fehlversuch ist." Mit dem Wissen würde sie es bestimmt ganz anders sehen. Sie würde mich für eine Trickserin halten. „Ich weiß. Und das war ja auch gut so, denn du warst ja wirklich nicht in der Verfassung eine Prüfung zu schreiben. Das Attest war kein Freundschaftsdienst von ihm, sondern notwendig." Sie schaute mich besorgt an. „Maus, du hast wirklich extrem abgenommen. Das sieht man selbst jetzt noch." Sie legte ihre Hand auf meinen Unterarm und strich sanft darüber. „Ich kenne dich doch. Du isst immer nicht richtig, wenn du im Streß bist und es einfach vergisst. So warst du schon immer. Im Moment ist das Singen und die Uni einfach ziemlich zeitaufwendig und du willst keines von beidem etwas zurückstellen, sondern in beidem Bestleistungen bringen und zerreibst dich dazwischen. Und dann ist da auch noch Will, der auch nicht zu kurz kommen soll und zusätzlich nichts von deinem Dilemma mitbekommen darf. Und weil das Ganze nicht so richtig funktioniert hat, denkst du, du schaffst es nicht. Und schon bist du erst recht im Hamsterrad, weil du dich noch mehr versuchst reinzuhängen. Stimmt's?" Ich nickte nur. Klar, Mama kannte mich gut genug. Sie hatte mein ganzes Problem in ein paar Sätzen zusammengefasst. „Und dann kippt der Hamster irgendwann vom Rad. Das ist dir jetzt passiert." Wieder nickte ich und spürte, wie mir die ersten Tränen über die Wangen liefen. Mama zog mich ganz fest in ihre Arme. „Mama, wie schaffst du das nur immer alles? Oder Tessa? Und warum bin ich so wenig belastbar", schluchzte ich. Mamas Hände fuhren beruhigend über meinen Rücken. „Ich schaffe auch nicht immer alles. Ich habe nur gelernt, wo meine Grenzen sind. Und das tust du auch gerade. Manchmal muss man sich damit abfinden, dass man Sachen zurückstellen muss und dass man nicht alles perfekt machen muss. Du warst schon immer die kleine Perfektionistin. Das ist auch der Grund, warum Tessa das Problem nicht hat. Sie macht einfach nur fertig, egal wie." Das stimmte schon. Meiner anderen Hälfte war es immer egal wie die Hausaufgaben aussahen, Hauptsache sie waren fertig, während es mir auch wichtig war, dass sie richtig waren und ordentlich. Deshalb hatte ich sie auch immer noch einmal sauber abgeschrieben. „Und bei der Prüfung hattest du wahrscheinlich Angst nicht jede Antwort zu wissen." Wieder nickte ich. „Maus, man kann nicht immer alles wissen. Trotzdem weißt du garantiert noch genug, um zu bestehen." Diesmal schüttelte ich den Kopf. „Nein, weiß ich nicht. Wegen der Musik war ich doch kaum in der Uni und das Nachlernen war viel aufwendiger als ich gedacht hätte. Und dann hat mich Will auch noch erwischt und ich konnte auch nicht mehr nachts lernen." Mama unterbrach mich, in dem sie die Hand hob. „Das war auch gut so, sonst wärst du wahrscheinlich noch heftiger zusammengebrochen. Warum setzt du dieses Semester nicht einfach mit den Prüfungen aus? Dir fehlen doch sowieso die Studienleistungen, wenn du kaum in der Uni warst, oder?"

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt