Kapitel 32

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„Na siehst du, das ist doch perfekt gelaufen." Phil strahlte mich an und schloss die Wohnungstür auf. Er hatte mich zur Studienberatung geschleppt und dort hatten wir es wirklich geschafft einen Studiengang für mich zu finden, der trotz meines Versagens noch möglich war. Und ich war sogar schon immatrikuliert. In zwei Wochen würde ich mit dem Studium Musik und Französisch auf Lehramt beginnen. Warum war ich da eigentlich nicht alleine drauf gekommen? Leuten etwas zu erklären und beizubringen hatte mir schon immer Spaß gemacht. Papa hatte mich früher immer den Erklärbären in unserer Familie genannt. Bei dem Gedanken an Papa zog sich meine Brust wieder zusammen. Und Musik, war eigentlich eine logische Konsequenz seit ich wieder Gitarre spielte. Ich würde mich gleich etwas hinsetzen und üben. Ja, meine alte Gitarre hatte ich gestern auch mitgenommen. Am besten übte ich ein altes Chanson, dann tat ich auch etwas für mein Französisch. „Zur Feier des Tages musst du auch nicht kochen, sondern ich gebe eine Pizza aus, die wir bestellen." Auch wenn Phil es gut meinte, war mein Appetit nicht sehr ausgeprägt. Ich bezweifelte sogar, dass ich überhaupt etwas herunter bekommen würde. „Klasse, ich nehme eine Salami, aber bitte Maxi. Ich hatte noch kein Frühstück." Wo kam denn Tessa her? Ich riss die Augen auf und schaute meine Zwillingsschwester erstaunt an, die mich in eine feste Umarmung zog. „Und ich eine Tonno, auch Maxi." Und Mama? Was machte Mama denn hier in Berlin? Sie schob Tessa beiseite und umarmte mich auch ganz fest. „Dein Vater ist ein absolut engstirniger unterbemittelter Idiot!" Was hatte sie gesagt? „Ja, Papa hat sie doch wohl nicht mehr alle!", echauffierte sich auch Tessa. „Aber...." „Nichts aber", unterbrach mich Mama sofort. „Erstens kann das jedem passieren, dass er dreimal durchfällt. Dein Vater hat nur null Ahnung vom Studium. Der kann ja nur Fußbälle treten. Und zweitens finde ich völlig in Ordnung, dass du das ganz alleine erst einmal klären wolltest, auch wenn ich dir jederzeit unterstützend zur Seite gestanden hätte. Aber klar bist du in einem Alter, wo man schon selbstständig ist. Tessa hat mir das auch mit dem Job erzählt, und dass du dir Hilfe bei Phil geholt hast und weiterstudieren wolltest oder eine Ausbildung machen. Ich bin echt stolz auf dich, dass du dich nicht einfach hast hängen lassen, sondern Eigeninitiative ergreifst." Mama war stolz auf mich, obwohl .... „Aber ich habe doch total versagt!" Sie schaute mich sauer an „Das Wort will ich nie wieder aus deinem Mund hören. Du hast nicht versagt. Du hast nur festgestellt, dass dir etwas nicht so liegt und suchst dir etwas anderes. Versagen wäre es nur, wenn du nicht wieder aufstehst und weitermachst." So hatte ich das noch gar nicht gesehen. „Aber Papa und Luca." Sie winkte mit ihrer Hand ab. „Die sind etwas schwer von Begriff, werden das aber auch noch begreifen." Bei Papa würde sie mit Sicherheit dafür sorgen, aber bei Luca bezweifelte ich das. „Um Papa kümmern wir uns schon und vergiss den Erbsenzähler. Wenn er nicht wieder zu dir gekrochen kommt, ist er es sowieso nicht wert." „Halleluja" Phil hob seine Arme gen Himmel als hätte Tessa gerade eine weltbewegende Verkündung gemacht. Sie zog mich mit sich auf das große bequeme Sofa. Mama setzte sich auch zu uns. „Wieso seid ihr überhaupt hier?" Ich konnte es immer noch nicht fassen. „Und was ist mit Mari und den Drillingen?" Mama musste sich doch um meine Geschwister kümmern und Tessa um meine beiden Nichten. Und eigentlich musste sie doch auch arbeiten. „Und was ist mit Alli und Chrissi?" Tessa schnaubte belustigt. „Die bekommt Papa erst wieder zu sehen, wenn er sich bei dir entschuldigt und dich angebettelt hat nach Hause zu kommen." Das konnte sie doch nicht machen. Papa liebte die beiden Kleinen. „Aber...." Mama winkte diesmal ab. „Dafür kann er sich ja um Mari und die Drillinge kümmern. Außerdem hat er dann auch noch genug Zeit, wenn sie in der Schule und der Kita sind, mal über den Blödsinn nachzudenken, den er verbockt hat." Ich schüttelte ungläubig meinen Kopf. Ich konnte immer noch nicht begreifen, dass sich Tessa und Mama auf meine Seite gestellt hatten. „Wann seid ihr denn los?" Phil stellte die Frage, die ich mir auch schon gestellt hatte. „Die Pizza kommt übrigens in zwanzig Minuten." „Na ja, ich habe Mama gerade am Auto getroffen als ich die Windelpupse zu Papa bringen wollte." „Ja, da wollte ich gerade losfahren", ergänzte Mama. „Also haben wir die beiden noch schnell zu Oma Manu gebracht, die dich übrigens auch herzlich grüßen lässt. Wir sollen dir ausrichten, dass Papa ein vernagelter Vollidiot ist und du jederzeit bei ihr und Opa einziehen kannst. Und dann sind wir los." Oma Manu stand auch auf meiner Seite? Das war....das hätte ich echt nicht erwartet. „Aber Papa ist doch ihr Sohn." Mama grinste breit „Deshalb kennt sie ihn ja auch so gut und kann ihn einschätzen." „So, und jetzt erzählt mal, wo ihr wart." Sie schaute interessiert zwischen Phil und mir hin und her. „Wir....wir waren...", stotterte ich los. Warum stotterte ich eigentlich? Ich hatte doch gar keinen Grund dazu. „Wir waren bei der Studienberatung und haben einen neuen Studiengang für Maja gefunden und sie auch gleich immatrikuliert", übernahm Phil für mich das Sprechen. „Ab nächsten Monat ist Maja offiziell Studentin an der FU auf Lehramt."  Mama fing an zu lächeln. „Das ist ja super. Da bist du auch an einer viel besseren Uni. Und dein Vater wird vor Sehnsucht nach seiner Tochter sich in den eigenen Hintern beißen", setzte sie zufrieden nach. „Ich habe dir auch gestern Abend schon noch einen ordentlichen Unterhalt überwiesen. Schließlich bist du ja nicht auf das Geld von deinem Vater angewiesen. Du hast ja auch noch eine Mutter, die gut verdient", zwinkerte sie mir zu. „Ich überweise dir dann auch noch die Studiengebühr." Ich schüttelte entschieden meinen Kopf. Nein, ich wollte nicht wieder abhängig von der Gunst eines anderen sein. Auch wenn Mama mich niemals im Stich lassen würde. Obwohl, das hatte ich auch von Papa gedacht. Aber nee, Mama war da ganz anders. Sie würde immer hinter uns Kindern stehen, egal, was wir verzapften. Sie war halt Supermom! Trotzdem wollte ich es alleine schaffen, das hatte ich mir vorhin auf der Heimfahrt von der Uni überlegt. „Ich suche mir einen Job und finanziere mein Studium alleine." Das Arbeiten im Stadion hatte mir nämlich Spaß gemacht. Und wenn Neuanfang, dann wenigstens richtig. Dann war ich auch niemandem Rechenschaft schuldig, wenn ich es wieder in den Sand setzte. „Das finde ich eine tolle Einstellung." Mama umarmte mich. „Aber wenn du etwas brauchst, sagst du sofort Bescheid. Und was hältst du davon, wenn ich nachher einmal mit Marcel telefoniere. Der hat bestimmt einen Job für dich. So Arbeit in einem Club am Wochenende lässt sich mit Sicherheit gut mit dem Studium vereinbaren." Da hatte Mama recht. „Und wenn nicht lasse ich meine anderen alten Kontakte mal wieder aufglimmen", zwinkerte sie mir zu. Das hörte sich gut an. „Meine Schwester wird Paukerin. Ich fasse es nicht." Tessa schaute mich gefühlt empört an, ehe sie zu lachen anfing. Als sie mich überschwänglich umarmte, schluchzte sie auf einmal „Aber das ist volle Scheiße. Jetzt ist nicht nur mein Lieblingsbruder in Berlin, sondern auch meine andere Hälfte. Manno, du wirst mir so fehlen." Ja, sie würde mir auch wahnsinnig fehlen. Ich musste ganz fest schlucken, damit mir nicht schon wieder Tränen aus den Augen quollen. Oh ja, ich würde meine andere Hälfte auch tierisch vermissen und nicht nur sie, sondern meine ganze Familie.....aber ich musste den Weg jetzt gehen. Kompletter Reset.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt