Kapitel 8

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Ich schlüpfte in das schwarz gelbe Trikot, das mir Bille gerade gegeben hatte. Auf dem Rücken stand in dicken Lettern mein Name und darunter eine 09 als Rückennummer. Damit war ich dann wohl offiziell als Stadionguide angekommen. „Hier hast du dann noch das Headset und den Sender. Und das allerwichtigste dein Zugang zu allen Bereichen des Tempels." Grinsend überreichte sie mir den Transponder, der an einem schwarz gelben Schlüsselband hing. Ja, mit dem Teil kam man wirklich durch jede Tür hier im Stadion. Gestern hatte ich zwei Stadiontouren von Bille begleitet, die sonst eigentlich nur noch auf administrativer Ebene tätig war, es sich aber nicht nehmen ließ, die Neulinge zu schulen, wie sie es nannte. Ich hatte heimlich mein Handy mitlaufen lassen und ihren ganzen Vortrag aufgenommen. Heute morgen hatte ich mir das alles noch einmal angehört. Die Wege hatte ich mir eingeprägt. Eigentlich konnte gar nichts schief gehen. Nee, es durfte nichts schief gehen, denn ich brauchte den Job als Deckmantel, damit niemandem auffiel, dass ich nicht mehr zur Uni ging. Sofort spürte ich diesen leichten Druck in der Brust und dieses brausende Kribbeln im Magen. Nein, ich würde das hier nicht versauen. Ich bekam das hin. Das Handy in der Hosentasche vibrierte. Eine Nachricht von Tessa. Du wirst sie alle von den Socken hauen Kussi😘❤️ Das tat richtig gut diese Nachricht zu lesen. Ja, ich würde das hier einfach gut machen. Das sah bei Bille gestern so leicht aus. Das bekam ich auch hin. „So, dann viel Glück, toitoitoi." Meine Chefin klopfte mir lächelnd auf die Schulter. „Deine Gruppe wartet schon am Empfang." Ich nickte und atmete einmal tief durch, ehe ich mich auf den Weg machte. In Gedanken lief ich schon einmal den Weg ab. Erst in die VIP im Erdgeschoss, dann weiter in die Polizeistation und das Gefängnis, schon einmal auf die Südtribüne schauen lassen..... Mein Blick fiel zu den Leuten die am Empfangsdesk standen und mich erwartungsvoll anschauten. Manno, warum waren das denn so viele? Das waren ja mindestens zwanzig Leute. Was sollte ich denn jetzt sagen? Ich schluckte und atmete noch einmal tief durch. Eine Begrüßung wäre nicht schlecht. Was hatte Bille noch einmal gesagt? Ich startete den Zugriff auf mein geistiges Speichermedium, aber alles war von meiner Festplatte gelöscht. Da hatte wohl jemand den Befehl sudo shred eingegeben.  Toll, und was sollte ich jetzt machen? Was würde Tessa machen? Sie würde einfach los plappern. Ich war aber nicht Tessa. Immer noch schauten mich alle erwartungsvoll an, nur schon mit einem leichten Unterton der Ungeduld. Also, was würde Tessa machen? „Heja BVB!", entschlüpfte es mir in diesem Moment. Sofort kam ein vielstimmiges gutgelauntes Heja BVB zurück und ich schaute in fröhlich grinsende Gesichter. Okay, das war erst einmal geschafft. „Wer bist du denn? Ich bin Matteo und komme aus Essen." Ein kleiner Junge schaute mich neugierig an. „Ich bin ein echter Ruhrgebietsmensch und ein BVB Fan.", setzte er stolz nach und deutete auf sein Trikot. Ja, ein paar der Leute waren wirklich in Fanbekleidung erschienen. „Du bist aus dem Pott, heißt dat richtig", korrigierte ihn der Mann neben ihm. „Ja, ich bin ein Pott, Opa!", lächelte der Junge. Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn ich mich auch vorstellte. „Hallo, Matteo. Ich bin Maja und ein echtes Dortmunder Mädl" So hatte Papa uns früher immer genannt. „Und heute bin ich euer Stadionguide und zeige euch die ganzen interessanten Orte hier im Tempel." „Maja, wie Biene Maja?", lachte eine ältere Dame. Boah, wie ich diesen blöden Spruch hasste und wie oft ich den schon gehört hatte. Wenn die nicht ihre Klappe hielt, würde sie gleich mal meinen Stachel zu spüren bekommen. „Können Sie vielleicht etwas lauter sprechen? Sie sind hier kaum zu verstehen." Na das fing ja schon gut an. Ich war zwar eine Reus, aber dieses Brüllgen ging mir total ab. Ich schaute verlegen auf meine Hand. Wie dumm konnte ein einzelner Mensch eigentlich sein? Wozu hielt ich wohl das Headset und den Sender in der Hand. Schnell stöpselte ich alles ein und gab meiner Truppe die Anweisung die Kopfhörer zu nutzen. Puh, die erste Katastrophe war umschifft und ich startete unseren Weg in die VIP. Ohne weitere Vorkommnisse hakte ich auch die Polizeistation samt Gefängnis ab, das Borusseum, den Presseraum und landete endlich in der Mixed Zone. Dann war es ja bald geschafft. Jetzt kam nur noch die Kabine, die Spielerbank und Coachingzone und als letztes die Südtribüne. Ich schaute auf meine Uhr. Bis jetzt lag ich gut in der Zeit. „Und das ist die Kabine von unserem BVB." Ich öffnete die Tür und ließ alle hereinmarschieren. Mit großen Augen lief der kleine Matteo an mir vorbei und starrte die Fotos der Spieler an, die über den entsprechenden Haken hingen. Als mich mein Schwager Leo von einem Foto angrinste, dachte ich sofort wieder an die Hochzeit letztes Jahr. Die war am.... Verflixt, welches Datum hatten wir heute? Ich zog schnell mein Handy heraus. Doppeltverflixt. Tessa und Derleo hatten heute Hochzeitstag. Das hätte ich echt vergessen, dabei war ich Trauzeugin. Oh Gott, war das peinlich. Ich musste mir nachher unbedingt etwas einfallen lassen. Aber was? „Kennst du auch welche von den Spielern?" Matteo hatte mich angestupst und schaute mich erwartungsvoll an. Ich nickte. „Meine Schwester spielt bei den Damen in der ersten Mannschaft." Er nickte. „Ich meinte aber richtige Spieler." Na der Zwerg war ja gut. Tessa würde ihm sofort einen Vortrag darüber halten, wie viel erfolgreicher die Damennationalmannschaft war und dass die Herren da ziemlich dumm gegen aussahen. „Mensch Matteo, die BVB Damen sind wirklich sehr erfolgreich. Und seit sie von Marco Reus trainiert werden, sieht da keiner einen Stich. Ja, ja, der Marco, als der noch gespielt hat." Papa würde gerade mindestens einen halben Meter wachsen. „Wer ist das?" Matteo schaute seinen Opa fragend an. Oh oh, da würde Papa aber wieder schrumpfen. „Na der, der manchmal bei den Länderspielen im Fernsehn dabei ist." Der Opa schüttelte verständnislos den Kopf. „Welcher von den alten Männern? Der mit den ganzen grauen Haaren?" Wieder schüttelte der Opa den Kopf. „Nee, der Rothaarige, nicht Schweini." Ja, so lange es eine Friseur gab, würde das auch so bleiben. Da war Papa ziemlich eitel. Der Opa schaute mich kurz nachdenklich an. „Sie haben ja genau die gleiche Haarfarbe." Ich sollte jetzt schnell das Thema wechseln, bevor er noch die Erleuchtung bekam. „Und wer ist dein Lieblingsspieler?", wandte ich mich wieder an Matteo. „Na der Leo Weidenfeller. Der ist der beste Torwart auf der Welt." Der Kleine strahlte mich an. Das würde meinen Schwager freuen. „Kannst du mal ein Foto von Opa und mir auf Weidis Platz machen?" Er drückte mir sein Handy in die Hand. „Na, klar, gerne." „Von uns auch?" Nach den nächsten zehn Fotos und noch ein paar kurzen Storys musste ich sehen, dass ich meinen Zeitplan einhielt.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt