„Sag mal Maus, was ist denn mir dir los?" Mama schaute mich besorgt an als wir beide abends zusammen am Esstisch saßen. Papa und Phil duellierten sich gerade an der Konsole unter den lauten Anfeuerungsrufen der Drillinge. Es war ein Wunder, dass Mari und die Windelpupse bei dem Lärm überhaupt schlafen konnte. „Hast du Probleme mit Will?" Ich schüttelte den Kopf. Nee, da war alles bestens, außer dass er heute nicht bei mir übernachtete. Das hatte aber zum einen damit zutun, dass wir Rücksicht auf Papa nehmen wollten und zum anderen damit, dass Mama Tanja als Osterüberraschung für Will mitgebracht hatte. Seine Mama hatte schon solche Fortschritte in der Therapie gemacht, dass sie über Ostern auf Heimaturlaub durfte. Wenn alles weiter so gut lief, wurde sie bald aus der Klinik entlassen. Was das für Will und mich dann bedeutete, wusste ich noch nicht. Aber mit Sicherheit konnten wir dann nicht mehr so uneingeschränkt unser Leben in der Wohnung von ihnen genießen. Aber das war ja auch egal. Hauptsache war, dass es Tanja wieder besser ging. Alles andere würde sich schon finden. Heute machten die beiden aber erst einmal einen Mutter-Sohn-Abend und ich einen Abend mit meiner Familie. Trotzdem war es Wahnsinn, wie sehr mir Will schon fehlte. Bei dem Wort Wahnsinn, krampfte sich mein Gehirn sofort wieder zusammen und ich schluckte. „Wenn es nicht Will ist, was ist es dann?" Mama schaute mich nachdenklich an und folgte meinem Blick zu Papa. Ich konnte doch hier unmöglich mit ihr über das sprechen, was mich bedrückte, wenn Papas leistungsstarke Ohren hier in der Nähe waren. Was er nicht mitbekommen sollte, bekam er doch immer mit. Und ich hatte keine Lust schon wieder auf eine Diskussion und Stress wegen einer Sache, bei der ich mir noch nicht einmal sicher war, wie ich mich entscheiden würde. „Ach, irgendwie habe ich Kopfschmerzen von der ollen Autofahrt." Mama fuhr sich mit ihrer Hand durch den Nacken. „Ich werde mal noch eine kurze Runde an der frischen Luft drehen." Papa war sofort aufgesprungen und hatte Benni seinen Controller in die Hand gedrückt. „Ich komme mit, Prinzessin." Er rümpfte die Nase. „Aber von frischer Luft kann man hier bei den ganzen Abgasen ja wohl nicht sprechen." „Also erstens hat mir die Berliner Luft schon immer gut getan und zweitens spielst du hier mit den Kindern weiter und Maja begleitet mich. Stimmt's?" Ich nickte sofort. Das war perfekt. Wenn ich mit Mama über alles sprach, dann fanden wir garantiert zusammen eine Lösung für mein Problem. „Aber soll ich nicht doch lieber...", begehrte Papa auf. „Nein, sollst du nicht, Schnutzelchen." Mama schob ihn zurück auf das Sofa und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Dann halt nicht", gab er sich geschlagen und griff sich wieder den Controller von Benni. Wir hatten gerade die ersten Schritte auf dem Bürgersteig gemacht, als Mama sich bei mir unterhakte. „So, jetzt gehen wir beide erst einmal da vorne in die Pizzeria, essen noch eine Kleinigkeit und dann erzählst du mir, wo der Schuh drückt." Ich schaute sie verwundert an. „Du hast doch aber Papa gesagt, du hast Kopfschmerzen und willst spazieren gehen." Ich wollte nicht, dass sie ihn wegen mir anschwindelte. „Hatte ich ja auch, aber jetzt habe ich Hunger und mit vollem Magen kann ich auch besser denken. Und so wie du drauf bist, wird es wohl ohne denken nicht abgehen. Ich kenne dich. Du bist nicht ohne Grund so nachdenklich. Du bist nicht so eine Dramaqueen wie Leokardia und auch nicht so unüberlegt und spontan wie Tessa. Schau mal, da ist sogar ein Tisch draußen frei. Dann bekomme ich sogar noch meine frische Berliner Luft." Sie zwinkerte mir zu und wir setzten uns in den Außenbereich des Restaurants. Die Bedienung ließ nicht lange auf sich warten und Mama bestellte uns gemischte Antipasti und für jeden eine Pizza. „Wir hatten doch aber erst Essen", protestierte ich. „Ja, und du hast nur darin herumgestochert." War das so auffällig? „Also jetzt raus mit der Sprache, was ist los?" Sie schaute mich aufmerksam an. Ich fuhr mit dem Zeigefinger das Logo auf dem Glas vor mir ab. „Ist es das Studium? Macht es dir keinen Spaß oder läuft es nicht?" Ich schüttelte wieder den Kopf. „Ich habe die letzten drei Prüfungen alle bestanden. Und Spaß macht es mir auch. Aber genau das ist ja mein Problem", platzte es aus mir heraus. „Das verstehe ich jetzt nicht. Wenn es dir gefällt und du den Stoff packst." Sie schaute mich ratlos an. „Wo ist dann das Problem?" „Na, weil ich nicht weiß, was ich machen soll. Ob ich unterschreiben soll oder nicht." Mama hob ihre Hand mit dem Olivenspießchen, um mich zu stoppen, ehe sie es sich in den Mund schob. „Ganz von vorne, bitte", schmatzte sie. Ja klar, sie wusste ja gar nicht, wovon ich sprach. „Also Will und ich haben ein neues Lied komponiert. Es hat auch wieder einen spanischen Text und wir haben auch ein paar Flamenco Elemente eingebaut." Mama hörte mir interessiert zu. „Und gestern waren wir dann bei Will im Studio, um wieder eine Probeaufnahme zu machen. Aber irgendwie konnte ich mich überhaupt nicht konzentrieren, weil ihr doch heute kommen wolltet und ich Angst hatte, das ich etwas vergessen habe." Ich machte eine kurze Pause, weil unsere Pizza serviert wurde. „War Will deshalb sauer?" Ich schüttelte den Kopf. „Das hätte mich auch gewundert." Scheinbar hatte er bei Mama wohl schon ein mächtigen Stein im Brett. „Nein, er war total süß und hat eine Lösung gefunden, wie ich es dann doch hinbekommen habe." Sofort fand ein Lächeln den Weg in mein Gesicht. „Ich freue mich immer, wenn ich sehe, wie du strahlst, wenn du von ihm erzählst." Mama strich über meine Hand. „Aber was ist es dann?" „Sein Chef hat uns bei den Aufnahmen überrascht." „ Jetzt sag nicht, dass der Stunk macht. Dann lernt er mich aber kennen", brauste Mama auf. Ich schüttelte den Kopf. „Franky will mich unter Vertrag nehmen." „Das ist doch toll" Mama beugte sich zu mir und umarmte mich. „Aber wie soll ich die Musik und das Studium schaffen? Und was wird Papa dazu sagen?" Mama schaute mich ernst an. „Lass dir von ihm den Vertrag geben. Ich lasse ihn checken. Und dann sehen wir weiter. So lange es nur ein paar Aufnahmen und kleinere Auftritte sind, bekommst du das trotz Studium hin." Da hatte sie recht. Das würde ich schaffen. „Ich finde, du solltest deine Chance nutzen. Du hast wirklich unglaubliches Talent und es wäre schade, wenn du es versteckst." „Aber was ist mit dem Club und Marcel?" Das wollte ich nämlich nicht aufgeben. "Wir sorgen dafür, dass du alleine entscheidest, was du machen willst. Das kommt in den Vertrag." Für Mama stand das fest, aber was würde Franky dazu sagen? „Und wegen Papa brauchst du dir auch keine Sorgen machen. Er ist garantiert stolz auf dich. Ich erzähle ihm das morgen. Was hältst du davon?" „Ja, bitte! Du bist die beste Mama der Welt. Ich hätte echt nicht gewusst wie ich mich entscheiden soll. Danke, dass du mir zugehört und geholfen hast eine Entscheidung zu treffen." Ich war aufgesprungen und umarmte sie. Sie fing an zu lachen „Das ist ja auch mein Job. So, und jetzt lass uns essen." Ja, jetzt hatte ich auch wieder Appetit. Ich schob mir ein großes Stück Pizza in den Mund. Nachher, wenn wir wieder zu Hause waren, würde ich erst einmal Will Bescheid geben, dass ich mich entschieden hatte.
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Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9 ✔️
Teen FictionMaja hat ihre große Liebe in Luca schon sehr früh getroffen. Jedenfalls glaubte sie das. Mittlerweile ist sie sich da nicht mehr ganz so sicher. In letzter Zeit kommt es immer öfter zum Streit und nicht selten ist das Studium der Auslöser. Hat sie w...