„Das kann doch echt nicht wahr sein", schniefte ich eine Stunde später in der Mensa. „Das ist doch volle Scheiße. Wer lässt sich denn so was einfallen?" Sina, die mir gegenüber saß, zuckte mit den Schultern. „Das wusste ich echt auch nicht." Ihr Blick war so schuldbewusst, als hätte sie sich den Mist einfallen lassen, den der Prof uns vorhin mitgeteilt hatte. „Das ist doch eine echte Frechheit das erst in der letzten Vorlesung bekannt zu geben", ereiferte ich mich. „So etwas muss man doch gleich am Anfang ansagen." „Maja, was ist denn los? Wo ist denn das Problem?" Tom setzte sich neben mich und legte einen Arm um meine Schulter, um mich zu trösten. „Das Problem?" Meine Stimme hörte sich sogar in meinen eigenen Ohren hysterisch an. Aber ich hatte ja auch allen Grund dafür. „Wer bist denn du?" Sinas neugieriger Blick ging zu Tom. „Ich bin ihr...." Nein, Bandkollege konnte ich jetzt nicht gebrauchen. „Das ist Tom", stellte ich ihn also schnell vor. Sinas Blick ging zwischen uns hin und her und sie kaute auf ihrer Wange. Nee, sie dachte doch jetzt nicht... „Wir sind Kollegen", setzte ich also schnell noch nach. Sofort grinste sie ihn an und reichte ihm ihre Hand. „Ich bin Sina. Und du studierst auch wie wir Lehramt. Auf welche Fächer spezialisierst du dich denn?" Noch ehe er antworten konnte, redete sie schon wieder weiter. „Ich verstehe gar nicht, warum du mir noch nicht früher aufgefallen bist." Mein Blick ging zu Tom. Ich war ja mal gespannt auf seine Antwort. Schließlich wusste ich ja auch nichts von dem Studium. Ups, so wie er rot anlief, war Sinas Flirtversuch wohl ein bisschen zu offensiv für ihn. In meinem Kopf ploppte aber eine Idee auf. Vielleicht..... „Hey, was ist denn mit dir los?" Wo kam denn Phil her? „Flossen da weg, Kumpel!" Er baute sich vor Tom auf, der scheinbar nicht im geringsten daran dachte seine Hand von meiner Schulter zu nehmen. „Weil du es sagst, oder wie?" Oh oh, so wie Phil schaute, war das die absolut falsche Antwort. „Genau, weil ich es sage und weil ich ihr Bruder bin, der auf sie aufpasst, damit nicht irgendwelche Kerle sie begrabbeln und angraben." „Wow, das ist dein Bruder?" Sina riss schon wieder begeistert ihre Augen auf. „Hallo, ich bin Sina." Sie streckte diesmal Phil ihre Hand hin. Der reagierte darauf aber überhaupt nicht, sondern starrte nur Tom angsteinflößend an. „Du bist ihr Bruder?" Warum starrte ihn denn Tom so ungläubig an? „Dann habt ihr also beide die gleiche Mutter?" „Ja , das ist wohl so bei Geschwistern. Und jetzt die Flosse da weg, aber zackig." Phils Augen funkelten in Toms Richtung, der schnell seine Hand von meiner Schulter nahm. „Er hat mich nur getröstet", versuchte ich schnell die Situation aufzuklären. „Getröstet?" Phil zog seine eine Augenbraue hoch und sein Blick fixierte mich. „Wieso? Hat der Drohn Scheiße gebaut? Nur ein Wort von dir und ich mache ihn platt." Der Drohn?Das Bienenmännchen? Wieso dachte er, dass Will etwas angestellt hatte? „Nee, der blöde Prof. Er hat heute verlauten lassen, dass man die Prüfung erst bestanden hat, wenn man die Anwesenheitspflicht erfüllt und die Studienleistung bei den Tutorien erbracht hat", schnaubte ich wütend. Das war doch echt der Hohn. Reichte es nicht, wenn ich einfach alles beantworten konnte? „Ja, is normal.Wo ist das Problem?" mein Bruder musterte mich fragend. „Das Problem?" Wieder quietschte meine Stimme hysterisch. „Ich war nicht bei allen Vorlesungen und auch nicht bei den Tutorien." Phil verzog sein Gesicht. „Na ja, bei allen musst du ja auch nicht gewesen sein. Also fahre mal runter. Wie oft warst du denn?" „Dreimal." Da musste ich nicht lange überlegen. „Ach, wenn drei fehlen, ist das kein Problem", winkte Phil ab. „Da musst du dir nicht solche Sorgen machen, kleine Maja." „Mir fehlen nicht nur drei. Ich war nur dreimal da. Das heißt ich kann die Prüfung vergessen." Diesmal ging meine Stimme in einem Schluchzen unter. Phil schaute mich mit aufgerissenen Augen an. „Du warst nur dreimal in der Vorlesung?" Ich nickte kleinlaut. „Wenn wir den Scheiß vorher gewusst hätten, dann hätte ich sie doch einfach immer in der Anwesenheitsliste eingetragen und wir hätten die Übungen zusammen abgegeben", mischte sich Sina ein. „Das wäre Betrug und könnte euch beide teuer zu stehen kommen", knurrte Phil. Oh man, der hatte richtig schlechte Laune. „Ja, aber sie musste doch arbeiten. Und da muss man sich doch untereinander helfen." Phil schüttelte nur seinen Kopf. „Aber nicht so! Wieso bist du nicht zu mir gekommen. Wir hätten doch eine Lösung gefunden, kleine Maja." Er setzte sich neben mich und zog mich in seinen Arm. „Was denn für eine Lösung", schniefte ich an seine Brust. Mir liefen Tränen über die Wangen. „Papa wird wieder total enttäuscht von mir sein", schluchzte ich. Das wollte ich auf keinen Fall. „Der alte Mann ist doch mal gerade egal. Hier geht es jetzt nur um dich. Meinst du denn, du schaffst die Prüfung?" Wenn ich mich da reinhängte auf alle Fälle. Aber was nutzte das? „Ich darf sie doch aber nicht schreiben." Phil schüttelte seinen Kopf. „Du darfst sie schon schreiben, aber das Modul zählt erst als bestanden, wenn du auch die Studienleistung erbracht hast. Und die kannst du auch im nächsten Semester nachholen. Das ist das Drei-Säulen-Modell." „Echt?", kam es erstaunt aus meinem Mund und auch aus dem von Sina. „Ja." Wenn Phil das so bestimmt sagte, dann war er sich wohl ganz sicher. Das bedeutete, es war doch noch nicht alles verloren. Manchmal war es doch echt gut, wenn man so einen großen Bruder hatte, der immer Bescheid wusste. Mit seinem Daumen wischte er mir meine Tranen von den Wangen. „So, wollen wir uns jetzt was zu essen holen? Ich muss nämlich bald in die nächste Vorlesung." Phil zog mich hoch und wir liefen zu der Essensausgabe. Mmmm, duftete das hier lecker nach Milchreis mit Zimt. Ich schnappte mir zwei Schalen und stellte sie auf mein Tablett, ehe ich mich an der Kasse einreihte. Phil stand vor mir. „Ich zahle heute für dich mit." Mit einem Handgriff schnappte er sich mein Tablett und hielt es der Kassiererin hin. „Ist das nicht die aus dem Flashdance, die so geil singt?", hörte ich eine leise weibliche Stimme hinter mir. „Klar, die erkenne ich an den bunten Haaren", tuschelte ein anderes Mädel zurück. „Maja oder so heißt sie doch?" Mist, die meinten mich wirklich. Was sollte ich denn jetzt machen, wenn die ein Autogramm wollten? Dann wurden ja noch mehr Leute auf mich aufmerksam. Das wäre gar nicht gut. „Komm mit, wir essen in meinem Labor." Phil hatte das Getuschel wohl auch wahrgenommen und drückte mir die beiden Schalen in die Hand, ehe er sich schnell seinen Teller schnappte und mit mir im Gewimmel verschwand. Ja, so ein großer Bruder war definitiv das beste, was einem passieren konnte.
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Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9 ✔️
Roman pour AdolescentsMaja hat ihre große Liebe in Luca schon sehr früh getroffen. Jedenfalls glaubte sie das. Mittlerweile ist sie sich da nicht mehr ganz so sicher. In letzter Zeit kommt es immer öfter zum Streit und nicht selten ist das Studium der Auslöser. Hat sie w...