Kapitel 16

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„Des schautˋs guat aus." Lucas Oma blickte sich zufrieden im Garten ihrer Schwester um. „Da worts fei fleißig." Ja, wir hatten dann doch nicht mehr allzu viel Zeit für uns gehabt, denn es hatte nicht lange gedauert und ein Lieferwagen war mit Tischen, Bänken und Getränken am Tor vorgefahren. Freundlicherweise hatte der uns sogar noch hochzeitslastige Deko mitgebracht. Deshalb hingen überall, wo es möglich war Luftballons mit Herzen bedruckt und Papiergirlanden ebenfalls in Herzform. Luca und ich waren ganz schön ins Schwitzen gekommen, aber auch mein Rundblick sagte mir, dass es sich gelohnt hatte. Ich schaute noch einmal in den hinteren teil des Gartens, wo wir das Lagerfeuer vorbereitet hatten. Das wurde bestimmt toll. „Mensch, wo wart ihr denn? Ich habe mir fast die Hand wund geklopft an eurer Tür." Tessa umarmte mich überschwänglich. Das hieß dann wohl, dass es jetzt losging und das angehende Brautpaar auch gleich kam. „Das sieht ja richtig klasse aus." Auch meine Mama umarmte mich zur Begrüßung. „Ist das da eine richtige Zapfanlage?" Papa deutete begeistert zu dem Bierfass, das uns die Brauerei samt Equipment geliefert hatte. Ich nickte. „Schnutzelchen, für dich gibt es aber höchstens zwei. Nicht dass du dich morgen zur Hochzeit mit Kopfschmerztablette dopen musst", bremste Mama gleich Papas Begeisterung. „Ach, dit is doch keen richtiget Bier hier bei de Bazis. Die machen doch nur sone dünne Pisse. Bei uns in Berlin wäre dit wat anderet", mischte sich Chris ein und sprang Papa zur Seite. Das entlockte Lisa ein empörtes Schnauben. „Unser Bier hier in Bayern ist das Beste überhaupt. Und das Mittenwalder stammt von der höchstgelegenen Privatbrauerei. Bei euch in Berlin gibt es doch nur noch so ein Industriebier von den großen Getränke Konzernen." Ja, bei Lucas und Lucys Mutter kam dann doch ihr Heimatgefühl und der damit verbundene Stolz hervor. „Und weil et so jut und kräftich is, habt a och so jroße Jläser, oder wie?" Chris ließ sich da nicht von überzeugen. „Genau, ihr braucht ja eine Mass, um überhaupt etwas zu spüren. Und das beste Bier kommt sowieso aus dem Pott nicht wahr?" Papa schaute Leon zustimmungsheischend an. „Aber sowat von. Genau wie die Currywurst und Pommes Schranke", kam die prompte Antwort. „Krapfen, das ist doch nicht dein Ernst." Lisa schaute ihren Mann empört an. „Die beste Currywurst kommt och aus Berlin, jenau wie dit Bier", protestierte auch Chris sofort. „Das ist doch egal, Opa Chris. Der Apfelstrudel von Oma Valentina ist jedenfalls der Beste überhaupt. Den musst du unbedingt probieren." Die kleine Carmen hatte sich zwischen die Kampfhähne gedrängt. „Und du auch, Opa Leon." Sie packte beide Männer an den Händen und zog sie mit sich. „Opa Leon", gackerte Papa los, was ihm einen Blick aus zusammen gekniffenen Augen von eben diesem einbrachte. „Du bist ja nur neidisch, dass deine Enkel noch nicht sprechen können. Ich habe halt schon gleich ein perfektes fertiges Enkelkind", rief er ihm dann aber doch über die Schulter zu.  Papa sah sich suchend um und marschierte zu LW, der eine seiner Töchter auf dem Arm hatte. Er schnappte sich meine Nichte und redete auf sie ein. Wahrscheinlich würde sie noch am heutigen Abend ein deutliches Opa von sich geben, nur damit sie endlich wieder ihre Ruhe hatte und mit ihrem Spielzeug spielen konnte. „Es scheint allen zu gefallen." Luca legte seinen Arm um meine Taille und drückte mir einen Kuss auf mein Haar. „Danke, Bienchen, dass du mir so geholfen hast." Das Lob ging mir herunter wie Öl. „Wir sind halt ein unschlagbares Team", grinste ich zurück. „Ja, das sind wir." Er beugte sich zu mir und legte sanft seine Lippen auf meine. Ein Glücksgefühl überrollte mich. Ja, wir beide waren ein Team und gehörten zusammen, egal, was kam. Hoffentlich. In einer ganz kleinen Partition meiner Festplatte ploppte ein Warnhinweis auf, den ich aber ganz schnell weg klickte. Luca würde es verstehen, wenn ich den Studiengang wechselte. Wichtig war doch nur, dass ich später einen gut bezahlten Beruf hatte. „Wuhu, sollen wir gleich für euch morgen einen Termin mit machen?" Luca fuhr erschrocken zurück. Danke, liebe Zwillingsschwester. Es ging doch nichts über ihr situationsangepasstes Feingefühl. „Das ist so toll, was ihr euch da einfallen lassen habt." Lucy umarmte begeistert ihren Bruder und unterband damit weitere Peinlichkeiten durch Tessa. „So ein Gartenfest mit Blick auf den Karwendel ist einfach schön." Sie deutete mit ihrer Hand auf das Felsmassiv, das hier alles überragte. „Ich liebe diesen Berg einfach. Und morgen werde ich sogar zu seinen Füßen heiraten. Du bist der allerbeste Bruder, den man sich wünschen kann." Ihre Augen leuchteten dabei, während ihr eine Träne über die Wange kullerte. Luca strich sie ihr mit seinem Daumen weg. „Jetzt sei nicht so sentimental, Dodo." An seiner Stimme erkannte ich aber, dass er auch leicht von seinen Gefühlen übermannt wurde. „Da ist ja meine wunderschöne Braut." Andi legte einen Arm um Lucys Schulter und zog sie an sich, um sie zu küssen." Ja, Lucy sah wirklich total hübsch aus. Sie hatte natürlich ein Dirndl an und ihre Haare zu Zöpfen geflochten. Ich schaute an mir herunter. Dank der ganzen Vorbereitung war ich nicht mehr dazu gekommen mich noch groß umzuziehen. Ich steckte nur in ein paar dunklen Jeans und einem einfachen Shirt. Luca hatte scheinbar meinen Blick bemerkt. „Du siehst auch so wunderschön aus. Und morgen in deinem Dirndl wirst du alle in den Schatten stellen", zwinkerte er mir zu.
Zwei Stunden später war die Sonne untergegangen. Die Trachtengruppe aus München hatte ihre Tänze und das Schuhplattln beendet und das Lagerfeuer wurde gleich entzündet. Ob es Lucy wohl gefiel? Etwas nervös war ich da schon, auch wenn ich ziemlich zuversichtlich war. Wem gefiel ein Lagerfeuer denn nicht? „Sagt mal, habt ihr auch mal daran gedacht, dass hier Kleinkinder und Babys im krabbelfähigen Alter sind?", empörte sich Papa bei Luca, der gerade die Scheite entzündet hatte. So viel zu der Frage, wem ein Lagerfeuer wohl nicht gefiel. „Mensch Papa, die Windelpupse schlafen doch schon längst in ihren Sitzen", grätschte Tessa dazwischen. „Was, wenn sie aber wach werden?" Meine Schwester schüttelte ihren Kopf. „Werden sie aber nicht, selbst wenn hier Panzerkolonnen verschoben werden." Papa schien trotzdem nicht ganz überzeugt. „Und was ist mit Mariska?" Wieder schüttelte Tessa den Kopf. „Mari ist alt genug, um den Stockbrotteig ins Feuer zu halten, ohne sich zu verbrennen." „Das ist so eine tolle Idee mit dem Lagerfeuer", Lucy umarmte diesmal mich. „Luca hat gesagt, das war deine Idee." Mein Freund zwinkerte mir stolz zu. Nach und nach fanden sich immer mehr Gäste ein und ließen sich rund um das Feuer nieder. Die meisten hielten einen Stock mit Brotteig in das Feuer oder Marshmallows. „Das wäre was für Delphie", schluchzte Jasi neben mir. Marvin tätschelte ihr beruhigend die Schulter. Stimmt LRs Schwester war ein echtes Marshmallow Monster. Ob sie wohl immer noch so eine Zicke war? Seit Jasis Hochzeit mit Marvin war sie ja nie wieder in Dortmund. „Irgendwie fehlt hier Musik" Da hatte Phil recht. Ich sah, wie er an seinem Handy herumspielte und kurz danach ertönte irgendwelcher Deutsch RAP. „Doch nicht so ein Rumsbumms Mist. Da wird einfach gesungen." Leon hatte nicht ganz unrecht. „Bochum ich komm aus dir, Bochum ich..." intonierte er sofort. „Eh Alter, willst du die Mücken vertreiben? Ich hätte nicht gedacht, dass das noch schlimmer als bei Grönemeyer klingen kann" kicherte Papa. „Dortmund unsere Stadt ist bekannt auf dieser Welt, weil sie etwas hat..." begann er genauso schief zu singen.  „Patrona Bavariae, hoch überm Sternenzelt...", überstimmte Lisa zusammen mit Ihren Eltern und noch ein paar anderen Verwandten Papa, der schmollend gegen ihre Stimmgewalt aufgab. „Dor, des is die Gitarr von meina Siegfried, Gott hab ern seelig." Tante Gorgi war mit einer Gitarre aufgetaucht. Marvin griff sie sich und schrammelte darauf herum, bevor sie weiter die Runde machte. Jeder zupfte irgendwie darauf herum und brachte schiefe Töne hervor. Bei Luca neben mir hörte es sich an, wie ein Eichhörnchen, dass um Gnade winselte. Ich griff nach der Gitarre und entzog sie ihm. Vorsichtig setzte ich sie auf meinem Knie ab und legte meine Finger an den Bund. Ich versuchte mich an meinem ersten Akkord. Man, wie lange hatte ich schon keine Gitarre mehr in der Hand. Das musste schon so um die fünf Jahre her sein. Trotzdem schienen meine Finger sich zu erinnern, denn wie von alleine spielten sie Morning has broken und ich begann dazu singen. Immer mehr Stimmen stimmten mit ein. Am Ende wurde applaudiert. „Du kannst ja richtigGitarre spielen." Luca schaute mich überrascht an. „Wieso weiß ich das gar nicht?" Vielleicht, weil ich damit aufgehört habe, weil ich keine Zeit mehr dafür hatte, als ich dich kennengelernt habe. Das wäre jedenfalls die ehrliche Antwort. Stattdessen zuckte ich aber nur mit den Schultern. Spielte das jetzt noch eine Rolle? „Mensch ja, Maja. Du hast doch damals sogar beim Schulkonzert  im Konzerthaus mitgemacht. Man, das war richtig schön", schwelgte auch Mama in Erinnerungen. „Na los, du kannst doch bestimmt noch mehr", feuerte mich Lisa an und ich kramte auf meiner Festplatte, ehe ich Yesterday zu spielen begann. Das machte wieder richtig Spaß. Ob meine alte Gitarre wohl noch irgendwo bei Papa und Mama im Keller auf mich wartete? Wenn wir aus Bayern zurück waren, würde ich mich auf alle Fälle auf die Suche machen. Und wenn nicht, dann schaute ich mal im Internet, ob ich irgendwo günstig eine gebrauchte bekam. Ja, ich wollte auf alle Fälle wieder mit dem Spielen beginnen. Mit etwas mehr Übung würde es sich auch garantiert wieder besser anhören.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt