Kapitel 151

331 54 25
                                    


Erschrocken zuckte ich zusammen. Das war definitiv nicht gut, wenn er so reagierte. Ich spürte, wie ich wieder zu zittern begann. Bestimmt war er so enttäuscht, dass er wieder nichts mehr mit mir zutun haben wollte. Meine Brust wurde ganz eng und ich spürte ein Kribbeln an der Nasenwurzel. Ich würde es nicht verkraften, meine Familie wieder zu verlieren. Obwohl Familie stimmte ja nicht. Aber ich würde es nicht packen, wenn Papa mich wieder verstieß. „Ich mache das Studium fertig und lasse die Musik sein", stieß ich schnell aus, ehe er überhaupt etwas sagen konnte. Nein, ich würde es auf keinen Fall noch einmal riskieren, dass er so sauer und enttäuscht war. Er schaute mich mit aufgerissenen Augen an. „Was soll denn der Blödsinn!" Blödsinn? Was meinte er denn damit? „Du hast viel zu viel Talent, um mit der Musik aufzuhören. Mir tun ja immer noch die Ohren von dem Jubel der Leute in der Waldbühne weh." Er schüttelte seinen Kopf. „Manchmal muss man eine Entscheidung treffen, auf was man sich konzentriert. Und manchmal ist die Entscheidung nicht einfach." Er stockte kurz und fing an zu schmunzeln. Er schmunzelte! Das war... das war doch dann schon einmal besser. Er würde mich nicht wieder aus seinem Leben streichen. Ich spürte wie sich Erleichterung in meinem Körper ausbreitete. „In deinem Fall ist sie aber ganz einfach. Du machst Musik und gehst auf Tour. Wenn du dich da voll drauf konzentrierst, wirst du ein Weltstar. Du hast das Zeug dazu. Wer will schon eine verknautschte alte Paukerin werden, wenn ihm die Welt zu Füßen liegt." Ich wollte das eigentlich. „Du wärst nicht sauer, wenn ich das Studium pausiere?". Fragte ich vorsichtig. Nicht, dass ich das gerade alles falsch verstand. „Natürlich nicht. Und was heißt pausieren. Ich denke, du solltest es abbrechen. Man kann sich immer nur einer Sache richtig verschreiben. Man kann nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen, sonst wird alles nichts. Ich musste mich damals auch entscheiden und habe mit dem Fußball genau die richtige Entscheidung getroffen. Ich habe es nie bereut und du wirst das auch nicht." „Ach Schnutzelchen, das hast du gerade richtig schön gesagt." Mama, die auf der Sessellehne bei Papa saß beugte sich zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. So schön ich auch Papas Worte fand, aber... „Und was mache ich, wenn ich keinen Erfolg habe? Dann habe ich nicht einmal einen Beruf." Papa fing an zu grinsen. „Du bist eine Reus. Wir haben immer Erfolg, wenn wir etwas richtig anpacken." Er hatte gut reden, aber..... „Das trifft vielleicht auf dich und Tessa zu." Ich hatte da immer noch meine Zweifel. „Eh, ich bin auch ein Reus und auf mich trifft das genauso wie auf Max zu", protestierte Phil sofort. „Mich auch!", quietschte Mari. „Ich heiße auch Reus!" Da mussten alle doch lachen. Unsere Kleinste war echt schon ziemlich schlau für ihr Alter, auch wenn ich bezweifelte, dass sie wirklich wusste, was damit gemeint war. „Na, wenn das so ist, dann muss das ja stimmen, was der Papa sagt." Sofort grinste sie mich breit an. „Papa hat immer recht!" „So, dann wäre das auch geklärt", grinste Papa zufrieden die Kleine an. So einfach war das? Nee, so einfach konnte das nicht sein. Ich konnte doch nicht einfach mit dem Studium aufhören. Das war doch wieder wie versagen. Nein, ich konnte auf keinen Fall wieder versagen. Andererseits schaffte ich auch nicht alles unter einen Hut zu bekommen. Da hatte Papa schon recht. Vielleicht musste ich diesen Sprung ins kalte Wasser wirklich machen. Ja, ich liebte die Musik. Aber wenn ich mich wirklich hineinkniete, bedeutete es noch lange nicht, dass ich Erfolg hatte. Erfolg war da nicht unbedingt ein Ergebnis von harter Arbeit, sondern mehr das Glück den Geschmack der Leute getroffen zu haben. Das war Will und mir mit dem Album geglückt. Aber ob uns das wieder glückte, war doch eher fraglich. Ich schaute zu Will, der neben mir saß. Was dachte er wohl von dem Ganzen? „Snugglebee, dein Vater hat recht. Du kannst nicht Studium und Musik zusammen schaffen. Ich will nicht, dass du ständig am Limit bist und abklappst." Sein sorgenvoller Blick glitt über mich. „Ich stehe da ganz hinter dir mit der Musik. Und wenn es dann irgendwie doch nicht läuft, haben wir ja erstmal noch meinen Job, von dem wir leben können und du kannst wieder anfangen zu studieren. Wir schaffen das schon zusammen." Das waren die Worte, die am wichtigsten für mich waren. Will und ich würden es zusammen schaffen! Ja, diese Worte hätte ich mir damals von Luca erhofft! Luca?! Ich fragte mich, warum er mir ausgerechnet gerade jetzt in den Kopf kam? Da gehörte er auf keinen Fall hin. Ich hatte mein Muffeltier und das war auch gut so. Er hatte ja gerade den besten Beweis dafür geliefert. Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn sanft. Mir war es gerade ziemlich egal, ob uns alle dabei zusahen. Papas Räuspern ließ mich dann doch von ihm lösen. „So, jetzt, wo das geklärt ist, können wir ja auch gleich die nächste Sache klären. Welche nächste Sache? Mir wurde wieder ganz übel. So bestimmt wie Papa das sagte, schien es ja etwas Bekanntes zu sein. Und ich wüsste nicht, was das sein sollte. Ein bekanntes Gefühl machte sich in mir breit. Was hatte ich jetzt schon wieder nicht mitbekommen? Oder in meinem Dusel verdrängt? Mein Magen zog sich zusammen, während ich Papa anstarrte.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt