Kapitel 15

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„Herrgottkruzinooans, lecks mi do am orsch! Des konn do net wor san", tobte Luca und fuhr sich durch die Haare. Wir standen bei seiner Großtante in der Küche, um die letzten Kleinigkeiten für den Junggesellenabschied zu besprechen. Ich hatte zwar keine Ahnung, was passiert war, aber wenn er auf bayrisch fluchte, musste es schon ziemlich heftig sein. Gestern Abend waren wir erst spät in Mittenwald gelandet. Die Autofahrt hatte sich ganz schön gezogen. Ja, wir waren mit dem Auto gefahren, da der Flug und Mietwagen teurer war und wir ja schon einmal für unsere Wohnung sparen mussten, wenn wir sie denn bekamen. Da hatte es mich auch gar nicht gestört, dass wir wegen der Staus fast zehn Stunden im Auto gesessen hatten. Okay, mein Hintern tat mir heute schon etwas weh. Aber das war es absolut wert. Die anderen landeten vermutlich gerade in München. Natürlich hatten meine Zwillingsschwester und meine Eltern den bequemeren Weg gewählt. „Bursch, I hed do net wisst, des I des macha sollt. Des hot die Vali mir net verzölt." „Und jetztert?" Wieder fuhr Luca sich durch die Haare und funkelte seine Großtante an. „Mir kenna des do net ausfalla lassa. Des is der Obend vor derer Hochzeit. Mir müssa gschwind was onders finna. Des pressiert." Also wenn ich das so hörte, sollte ich doch noch einmal überlegen anstelle von Englisch, Französisch und Spanisch einen Studiengang in Bayrisch in Erwägung zu ziehen, denn das war mit Sicherheit eine Fremdsprache, die schwer zu verstehen war, gleich gefolgt von Ungarisch und Finnisch. Wahrscheinlich würde ich als Bayrisch-Dolmetscher eine Marktlücke treffen. „Kann das wahr sein!." Luca drehte sich zu mir um. Ich zuckte mit den Schultern, denn ehrlich gesagt wusste ich nur, dass er sich aufgeregt hatte, aber nicht worüber. „Sie hat echt nicht bei der Windbeutelalm reserviert." „Was?!" Schockiert starrte ich ihn an. „Aber das war doch..." „der Plan", unterbrach er mich. Ja, wir hatten uns überlegt, dass Lucy sich dort über einen Trachtenabend riesig freuen würde. Lucas Oma hatte sogar ihre Trachtengruppe dazu überreden können dort ein kleines Programm vorzuführen. Alles sollte unter dem Motto Lucys und Andis bayrischer Abschiedsabend laufen. „Und so kurzfristig können wir die Alm nicht mehr buchen?" Luca schüttelte den Kopf. „Schon alles belegt. Ich habe gerade angerufen." Ich schaute zu Tante Gorgi, die nicht wirklich schuldbewusst dreinschaute. „Gibt es denn hier noch eine andere Alm oder Hütte in der Nähe, die wir noch buchen könnten?" Sie zuckte mit den Schultern. „Fei die Korbinianhütte oder die Kärntner Alm." Ehe ich noch etwas sagen konnte, sah ich Luca schon an seinem Handy. Zehn Minuten später war klar, dass für heute Abend keine der Locations hier im Ort und nicht einmal in den Nachbarorten in Österreich zur Verfügung standen. „Verflucht no amoi. Was macha mia jetzert." Mit meinem gut ausgeprägten Sprachgefühl übersetzte ich mir Lucas Satz.  „Gibt es denn nicht hier eine Möglichkeit zu feiern?" Ich deutete auf den ziemlich großen Garten, der sich hinter den Fenstern erstreckte. „Mensch Biene, wie sollen wir das denn in den paar Stunden hinbekommen? Wir haben doch überhaupt nicht ausreichend Sitzgelegenheiten und auch kein Essen. Wir haben einfach nichts." Der letzte Satz klang so verzweifelt, dass es mir das Herz zusammenzog. Ich wusste ja, wie perfektionistisch Luca veranlagt war und noch mehr wusste ich, wie wichtig es ihm war, heute für einen ganz tollen Junggesellenabschied von seiner Schwester und seinem zukünftigen Schwager zu sorgen. „Die Tisch und Bankerl bekämmen mir freilig vom Brauer und die Getränk a. Und es Essa kimmt vom Metzga. Des is fei  g'schickt. Denn homma des a klärt." Tante Gorgi schaute uns zu frieden an und klatschte in ihre Hände. „Was hat sie gesagt?", flüsterte ich Luca zu. „Wir feiern hier im Garten und wir bekommen Bänke und Tische von der Brauerei und das Essen vom Metzger", fasste er scheinbar für mich zusammen. „Ist zwar nichts Besonderes, nur ein Gartenfest, aber was soll es. Besser als gar nichts." Luca schaute ziemlich enttäuscht aus, so als hätte er versagt. „I bin denn am Weg. Führt enk." „Wo will sie denn jetzt hin?" Verwirrt schaute ich der älteren Frau hinterher. Sie konnte uns doch nicht einfach hier stehen lassen. „Will sie das nicht erst einmal alles abklären?" Ich deutete auf das Telefon, das auf dem Tisch lag. „Hast du denn die Nummern, damit wir da anrufen können?" In meinem Kopf erstellte ich auf die Schnelle eine Liste, was wir alles für das Buffet brauchten. Ich schaute auf die Uhr. „Wenn wir uns beeilen mit dem Einkaufen, dann schaffen wir es auch das Buffet selbst zu machen. Das wird auch billiger." Ja, wir mussten ja sparen. Luca zog mich in seine Arme. „Bienchen, das mit der Wohnung ist dir echt ernst, mmm?" Was? Egal. Ich nickte. „Es freut mich auch, dass du da so mitziehst, aber Gorgi ist schon unterwegs zum Metzger und zur Brauerei. Hier wird das alles persönlich und nicht am Telefon erledigt. Und wir müssen das nicht bezahlen. Das macht in dem Fall alles meine Oma." Okay, um so besser. „Dann....dann haben wir ja gar nichts zu tun." Wieso klang das selbst in meinen eigenen Ohren ziemlich enttäuscht? Eigentlich konnte ich doch zufrieden sein, dass ich nicht durch den Supermarkt stürzen musste und jede Menge Buletten und Salate zu machen waren. Luca begann schelmisch zu lächeln und zog mich durch die Terrassentür in den Garten. Ich hörte das laute Rauschen eines Flusses. Das musste doch die Isar sein, wenn mich nicht alles täuschte. „Stimmt, erst einmal nicht, erst wenn die Bänke und Tische kommen. Was hältst du davon, wenn wir bis dahin die Zeit alleine genießen?" Seine Lippen wanderten in meinen Nacken und küssten mich dort ganz sanft. Man, wie ich das liebte. Mein Körper stand sofort in Flammen. Flammen! Flammen! Das war es doch. Ich löste mich von seinen Lippen, die zwischenzeitlich auf meinem Mund gelandet waren. „Wir machen ein Lagerfeuer."  Luca schaute mich irritiert an. „Lagerfeuer?" „Ja, wir machen heute Abend hier ein Lagerfeuer. Das wird total romantisch. Die züngelnden Flammen und dazu Stockbrot und im Hintergrund das Rauschen der Isar. Das ist dann doch etwas Besonderes." Luca zog mich wieder in seine Arme und drehte mich im Kreis. „Du bist genial, Bienchen." Übermütig plumpsten wir ins Gras. Luca stützte sich mit seinen Armen über mir ab, ehe er seine Lippen auf meine senkte. Ja, das sah ich auch so, dass ich genial war. Jedenfalls manchmal. Dann hatten wir uns doch wohl erst einmal romantische Zeit für uns verdient. Ich ließ mich ganz in Lucas Kuss fallen.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt