Kapitel 144

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„Tom!" Sina lächelte Wills Bruder begeistert an, der neben ihm mit weiterem Essen aufgetaucht war. „Cool, du bist auch hier. Da kannst du ja gleich mit uns zusammen lernen. Du musst doch bestimmt auch die gleiche Prüfung schreiben." Sina winkte mit der Hand ab. „Ja logisch musst du das, sonst wärst du ja da nicht zur Vorlesung gewesen." Tom schaute uns überrumpelt an. Bestimmt war es ihm peinlich vor Sina zuzugeben, dass seine Anwesenheit in der Uni ganz andere Gründe gehabt hatte. „Tom war nur Gasthörer. Er beginnt erst nächstes Semester mit seinem Studium", klärte ich sie auf und erntete einen dankbaren Blick von ihm. Ja, diese ganze Story von ihm, musste ja nicht jeder wissen. Das war eine Sache zwischen ihm und Will, und nicht mehr und auch nicht weniger. Ich war so glücklich und stolz, dass die beiden sich so schnell angenähert hatten. Mein Muffeltier mutierte zu einem klasse großen Bruder. Er nahm Tom jeden Tag mit ins Studio und verbrachte auch so viel Zeit mit ihm. Die beiden hatten wohl schnell festgestellt, dass ihre beiden Lebenswege sich nicht all zu sehr unterschieden. Und Will hatte mir gestanden, dass er froh war, dass es ihm nicht so wie Tom ging und er Tanja noch hatte. Das war wohl auch der ausschlaggebende Grund, warum er sich um Tom noch mehr bemühte. Er wollte für ihn da sein und ihm bei der Trauer um seine Mutter helfen. „Cool, was willst du denn studieren?" Wieder winkte Sina ab. „Blöde Frage! Natürlich Pädagogik, sonst wärst du ja bei uns nicht Gasthörer. Ich kann dir ja mal einen Überblick über den Studiengang geben. Vielleicht sollten wir uns mal treffen?" Ihre Enttäuschung über das Foto von Phil zusammen mit Blanca schien wie weggeblasen. Scheinbar stand sie wohl auf rothaarige Blassnasen, denn Tom und Phil ähnelten sich schon ziemlich. Mein Bruder war nur größer und muskulöser als Tom, aber das schien für Sina und ihre Gunst nicht ausschlaggebend. Ich schaute zu Tom, der leicht panisch schaute. Sina hatte wohl ein wenig zu viel Temperament für einen ruhigen Engländer. Mein Blick ging zu Will, der dagegen nur schmunzelte. Scheinbar wollte er seinem Bruder wohl nicht zur Hilfe kommen. Dann musste ich das wohl tun. „Das ist echt lieb, Sina. Aber Tom hat mit den Vorbereitungen für das Konzert eine Menge um die Ohren." Sie nickte sofort verständnisvoll und schaute Tom ehrfürchtig an. Oh weia, jetzt hatte ich seinen Heldenstatus auch noch angehoben. „Ist klar, aber nach dem Konzert können wir uns ja treffen." Aufgeben war wirklich nicht ihrs. Tom nickte nur und schien erst einmal mit seiner Gnadenfrist zufrieden. Ich begann die Pizzakartons zu verteilen. Nanu, warum hatten die Jungs denn noch irgendwelche Nudeln dazu genommen? Scheinbar hatten sie wohl mächtigen Hunger. Ich stellte die Aluform auf dem Tisch ab. „Finger weg von meiner Lasagne." Erschrocken drehte ich mich um. Wo kam denn auf einmal Jasi her? „Hallo Maus" Sie umarmte mich. „Die Jungs haben mich vom Studio mitgenommen. Aber dieser dämliche Stau auf der Stadtautobahn hat meine Blase echt an den Rand ihrer Möglichkeiten gebracht. Ich hätte bei Franky nicht so viel Kaffee trinken sollen." Okay, dann hatte ich wohl nicht einmal bemerkt, dass jemand auf unserer Toilette war.  Aber das war ja auch eigentlich komplett egal. Viel interessanter war doch etwas anderes. „Was hast du denn bei Franky gemacht?" Jasi fing an zu grinsen. „Maus, du bist die Nummer eins in den Charts und dieser Produzent möchte gerne einen neuen Hubschrauber auf seinem Grundstück stehen haben. Und ich bin deine Managerin und dafür zuständig seine Ambitionen in die Bahnen zu lenken, die du möchtest und die auch gut für dich sind. Ich werde nämlich nicht zulassen, dass dich hier irgendwer ausbeutet." Jasi machte einen sehr entschlossenen Eindruck. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass Franky mich ausnutzte, aber zu Jasi hatte ich definitiv noch mehr Vertrauen. Mir schoss ein Satzteil ihrer Aussage durch den Kopf. „Ich bin Nummer eins?" Das musste ein Irrtum sein. „Ja, seid gestern bist du die Nummer eins in den deutschen Charts und in den spanischen auch. Herzlichen Glückwunsch, Maus. Aber jetzt lasst uns erst einmal essen und dann besprechen wir das alles in Ruhe." Ich nickte abwesend, während sich Jasi ihre Lasagne griff. Wie sollte ich denn jetzt noch essen? Mir war der Appetit total vergangen. In meinem Inneren drehte und verknotete sich alles. Ich war die Nummer eins in den Charts in Deutschland und Spanien. Das war der Wahnsinn. Aber was bedeutet das für mich? Das musste ich sofort wissen. Sonst bekam ich nicht ein Stück meiner Pizza herunter. „Hat das irgendwelche Folgen für mich?", rutschte es auch schon heraus aus mir. „Na, was denkst du denn Maus?", schmatzte Jasi grinsend. Ja, was meinte ich? Wahrscheinlich würde mir nach ihrer Antwort der Appetit noch mehr vergehen. Trotzdem zuckte ich einfach nur mit den Schultern. „Also bei mir steht schon in den letzten Tagen das Telefon kaum still, weil mich lauter Leute anrufen, die unbedingt wollen, dass du bei ihnen auftrittst. Und Franky geht es nicht anders. Wenn wir alles annehmen würden, wärst du das nächste Vierteljahr rund um die Uhr ausgebucht." Hilfe, das konnte doch nicht wahr sein. Wieso wollten die mich alle engagieren? Ich war doch nur eine Studentin, die sich mit der Musik ihr Studium finanzierte. Genau Studium. Ich hatte doch gar keine Zeit für irgendwelche Auftritte. Ich musste studieren und Prüfungen bestehen. „Maus, alles okay?" Jasi schaute mich besorgt an und schob ihre leere Aluschale beiseite. „Du bist ja ganz blass und hast kaum etwas gegessen." Bei den letzten Worten landete natürlich auch sofort Wills besorgter Blick auf mir, während Sina total aufgeregt auf Tom einschnatterte. „Du brauchst dir keine Sorgen machen, wir sortieren ordentlich aus und du machst nur das, was du auch wirklich machen willst." Ich nickte. Okay, das hörte sich gar nicht mehr so schlimm an. „Wir haben einige Anfragen für Auftritte im Fernsehen bei angesagten Shows. Und dann hat Franky eine Tour vorgeschlagen. Das wäre sicher nicht schlecht. Aber auch da suchst du dir wenn die Orte aus, an denen du auftreten möchtest." Sie griff zu ihrer Tasche und zog ihr Laptop heraus. Hatte sie Fernsehen und Tour gesagt? Das hörte sich jetzt aber schon schlimm an. Das ging doch nicht. Ich spürte wie die Panik in mir aufstieg. Nein, das ging überhaupt nicht. Ich war doch nur die kleine Maja aus Dortmund.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt