Kapitel 55

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„Mm, irgendwie gefällt mir das noch nicht." Will kratzte sich am Kinn. Ja, gut. So richtig toll war unser Herumgetexte echt nicht. „Deine Ansätze waren echt gut, aber......" Er biss sich auf die Unterlippe und verstummte. Hatte er sich gerade noch bremsen können, ehe er mich wieder nieder machte? Er räusperte sich. „Es wäre schade, wenn wir nicht das Maximum herausholen, denn das Lied hat echt Potential. Du hast ein Händchen für Klang und Melodien." War das gerade ein Lob von dem Muffeltier? Ich schaute ihn verwundert an. „Was?" Scheinbar verunsicherte ihn mein Blick. „Ich dachte, du wärst der Meinung, dass ich es nicht bringe." Will bekam eine gesunde Gesichtsfarbe und senkte den Blick auf die Tischplatte, ehe er mich wieder anschaute. „Sorry, da war ich mit meinem Urteil wohl ziemlich voreilig. Du hast ein echt gute Stimme und ein Gefühl für Musik." Er fuhr sich mit der Hand durch seine Haare. „Okay, damit hätte ich nicht gerechnet, aber du hast es wirklich drauf. Deshalb wäre es auch schade, wenn wir nicht das absolut perfekte Lied hinbekommen. Aber das was wir hier gerade zusammen skripten ist echt scheiße." Da war es wieder das unverblümte Muffeltier. Will stand abrupt von seinem Stuhl auf. „Los komm, wir gehen jetzt erst einmal etwas essen. Mit leerem Magen kann ich nicht gut denken und werde immer ganz muffelig." „Dann musst du aber ständig Hunger haben." Erschrocken schlug ich mir die Hand vor den Mund. Das war mir echt peinlich, dass mir das so herausgerutscht war, gerade wo wir uns geringfügig annäherten. Bestimmt bekam ich gleich eine Breitseite. Erstaunt stellte ich fest, dass Will zu schmunzeln begann. „Geschieht mir wohl recht. Ich glaube ich habe da ein bisschen was wieder gut zu machen." Sein Blick ging auf den Spruch auf seiner Brust. „Das mit dem Blamieren klappt bei mir schon ganz gut." Er zwinkerte mir zu. Das war......das war ja schon fast beängstigend, wie freundlich er sein konnte, wenn er sich bemühte. „Komm, ich lade dich ein. Ich schulde dir ja auch noch ein Weihnachtsgeschenk." Wie? Will wollte mit mir essen gehen? „Aber Chris ist doch noch gar nicht da." Will schnaubte nur durch die Nase. „Wahrscheinlich wird er auch erst in ein paar Stunden hier wieder aufschlagen." Nee, das konnte doch nicht sein. Wir waren doch verabredet und wollten eigentlich an einem neuen Lied weiterarbeiten, mit dem wir schon vor Weihnachten begonnen hatten. Wie auf Kommando vibrierte Wills Handy. Er zog es aus der Hosentasche. „War ja klar", brummte er und hielt es mir entgegen. „Ich kann doch nicht deine Nachricht lesen", schüttelte ich den Kopf. Ich musste daran denken, wie Luca immer reagiert hatte, wenn ich nur in Richtung des Displays geschielt hatte. „Nu mach dir mal nicht in die Hose. Wenn ich es nicht wollte, würde ich es dir ja nicht hinhalten." Er schüttelte seinen Kopf. „Also manchmal bist du echt komisch. Du solltest mal etwas lockerer werden." Das war doch nicht sein ernst! „Und du mal nicht so muffelig, du Muffeltier." Upsala, so langsam wurde ich immer mehr wie Tessa, die einfach so herausplatzte. Ich spürte eine Hitze in meine Wangen aufsteigen. „Bravo, du raffst das echt schnell, hätte ich dir gar nicht zugetraut." Will grinste mich breit an. „So, und jetzt lass uns Futtern gehen. Chris hat geschrieben, dass ihm etwas dazwischen gekommen ist und er heute garantiert nicht vor Mitternacht nach Hause kommt. Hättest du aber auch selbst lesen können." Wieder bekam ich ein Zwinkern zu sehen. „Ja, aber meinst du nicht, dass wir lieber hier bleiben sollten. Vielleicht kommt Chris ja doch noch früher und dann sind wir nicht da." Ich hatte mich schließlich riesig darauf gefreut, den Abend mit Chris zu verbringen. Nicht umsonst hatte ich doch einen Plan für das neue Jahr. Und der sah kein Essen mit Will sondern viel gemeinsame Zeit mit Chris vor. „Wenn mein lieber Bruder mir schreibt, dass er vor Mitternacht nicht nach Hause kommt, dann kannst du deinen abgehungerten Arsch darauf verwetten, dass er vor dem Frühstück nicht zu Hause ist." Hatte der meinen Arsch gerade abgehungert genannt? Also Luca war nicht der Meinung, dass ich zu dünn war. Nee, er hatte mich eher darauf hingewiesen auf eine gesunde Ernährung zu achten. Und das war natürlich gleichbedeutend damit auch auf meine Figur zu achten. Plötzlich schoss mir noch etwas ganz anderes durch mein Gehirn. „Ihr seid Brüder?", schoss es mir ungläubig aus dem Mund. Das eröffnete ja ganz neue Perspektiven. Wenn ich mit dem Muffeltier essen ging, erfuhr ich vielleicht einige interessante Sachen über Chris, die mich bei ihm weiterbringen konnten. „Halbbrüder", konkretisierte Will seine Antwort. „Unser Alter hat erst seine und dann meine Mom geschwängert, ehe er sich ganz und gar vom Acker gemacht hat. Irgendwie waren unsere Moms dann der Meinung sich gegenseitig mit ihrer Brut zu unterstützen. Und so sind wir dann mehr oder weniger zusammen aufgewachsen." Das war...... das war ja mal hochinteressant. „Und jetzt arbeitet ihr beide sogar zusammen. Wohnst du auch hier?" Das war ja nicht uninteressant zu wissen. Man wollte ja in manchen Situationen nicht unbedingt ungebetene Gäste. Will schüttelte den Kopf. „Nee, ich wohne seit einiger Zeit wieder bei meiner Mom. Sie hat es gerade nicht so leicht." Er machte eine wegwerfende Bewegung. „Aber das muss dich ja nicht interessieren." Ja, da hatte er recht. Eigentlich interessierte mich auch nur Chris und vielleicht noch dessen Mutter. „Und ja , ich arbeite mit Chris zusammen. Irgendwer muss ja dafür sorgen, dass er eine vernünftige Stimme hat und nicht wie ein heiserer Eisbär klingt." Pah, Chris hatte eine super Stimme auch ohne einen Möchtegern-Tontechniker. „Nee, Spaß beiseite, Chris hat ein abgeschlossenes Musikstudium und kann außer Gitarren auch noch einigen anderen Instrumenten Geräusche abringen." Das war ja noch interessanter. „Was spielt er denn alles?" Will verzog sein Gesicht. „Frag lieber, was er nicht spielt. Der Kerl kann glaube ich sogar auf dem Kamm blasen." So abwertend das auch auf dem ersten Blick klang, schwang doch auch eine Menge Stolz in Wills Stimme mit. „Hattest du nicht gesagt, wir wollten etwas essen gehen?" Ich schob ihn Richtung Flur. Das konnte doch noch ein wirklich informativer Abend werden. Und ehrlich gesagt verspürte ich außer Neugier auch noch ein ziemliches Hungergefühl.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt