„Kommst du heute Nachmittag dann wieder nach Bochum, Bienchen? Oder musst du lernen?" Luca schaute mich mit seinen dunkelbraunen Augen liebevoll an. Bienchen hatte er mich schon so lange nicht mehr genannt. Ein Glücksgefühl überschwemmte mich und die Antwort schoss mir geradezu aus dem Mund. „Ich komme heute Abend, okay?" Auf das Lernen ging ich gar nicht ein, dann musste ich ihn auch nicht anlügen. Denn mit Lügen tat ich mich schwer und konnte es mit meinem Gewissen nur schlecht vereinbaren. Schon als Kind hatte ich es kaum fertig gebracht Papa und Mama nicht die Wahrheit zu sagen, auch wenn es Ärger gab. Aber verheimlichen beziehungsweise nicht auf die aktuellste Version updaten, war ja etwas anderes, jedenfalls nicht lügen. Das gleiche traf auch auf den Umstand zu, dass ich nachmittags noch eine Stadiontour hatte. „Ich freue mich schon." Luca beugte sich über die Mittelkonsole zu mir und küsste mich zum Abschied, ehe ich aus seinem Auto ausstieg. Ja, ich freute mich auch schon, denn nach unserer gestrigen Besprechung wegen Lucys Hochzeit war ich nach langer Zeit mal wieder mit zu Luca nach Bochum gefahren. Und das hatte uns beiden richtig gut getan. Wir hatten zusammen im Bett gelegen und aneinander gekuschelt einen Film geschaut. Luca hatte mir von seinem Proseminar erzählt. Okay, der einzige blöde Moment war natürlich der, in dem er mich gefragt hatte, wie viel Prüfungen denn noch vor mir lagen. Vielleicht wäre es der richtige Zeitpunkt gewesen, um ihn upzudaten. Ich hatte aber einen anderen Programmpfad eingeschlagen und damit so einige intensivere Zärtlichkeiten eingeleitet, die seine Festplatte erst einmal außer Betrieb setzten. Auch das hatte uns beiden nach langer Zeit mal wieder richtig gut getan. Genaugenommen fiel mir da sogar erst richtig auf, wie sehr mir das fehlte. Diese enge Verbundenheit, die sich daraus ergab. Und die Vertrautheit. So wie es aussah, war es Luca wohl genauso ergangen, wenn er mich heute gleich wieder sehen wollte. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf winkte ich seinem Auto, das gerade anfuhr, noch einmal hinterher und lief zur Haustür. „Hallo Maja", wurde ich in der Küche von Papa begrüßt. „Magst du auch noch etwas von meinem überragenden Rührei zum Frühstück? Leon seins ist nicht halb so gut." Ja, da hatte er durchaus recht. Es ging nichts über Papas Rührei. Und es ging auch nichts über eine angemessene Stärkung, denn ich hatte heute noch zwei anstrengende Stadiontouren vor mir. „Ja, gerne", stimmte ich also zu und ließ mich auf meinen Stuhl gleiten. „Und ihr habt gestern für Lucys Hochzeit geplant? Was habt ihr euch denn einfallen lassen?" Neugierig musterte er mich. All zu viel war es ja nicht. Das war ja auch auf Grund der kürze der Zeit gar nicht mehr möglich. Und dann kam ja auch noch die Entfernung dazu, die das ganze auch nicht gerade erleichterte. Trotzdem erzählte ich Papa von unseren Plänen. „Außerdem haben wir jetzt sogar mit den Beteiligten abgestimmt, dass Tessas Leo ab sofort immer LW und Leokardia LR heißt" updatete ich Papa gleich noch. Er zog seine Nase kraus. Scheinbar gefiel im das wohl genauso wenig wie Derleo und Dieleo. „Das ist eine super Idee", kam es von Mama begeistert, die auch gerade in die Küche gekommen war. „Genauso, wie die Idee mich mit Rührei zu überraschen, wenn ich Stella und Luna in ihrem Trainingscamp abgegeben habe, Schnutzelchen." Mama setzte sich auch sofort auf ihren Stuhl und nahm schon erwartungsvoll das Besteck in die Hand. „Für dich lasse ich mir doch immer etwas einfallen, Prinzessin." Papa drückte Mama einen schnellen Kuss auf, ehe er unsere Teller befüllte. „Ist noch mehr davon da, alter Mann?" Phil kam mit verwuschelten Haaren in die Küche marschiert. Scheinbar war er wohl gerade erst aus dem Bett gefallen. „Nee, für Großmäuler ist nichts mehr da", brummte Papa beleidigt. „Na, dann kann ich mir ja deinen Teller nehmen." Manchmal bewunderte ich ja Phil für seine Schlagfertigkeit, obwohl mir Max seine feinfühlige, emphatische und ruhige Art besser lag. Brummend stellte Papa noch einen vollbeladenen Teller auf den Tisch und setzte sich zu uns. „Dann lasst es euch schmecken." Ja, ich war wirklich hungrig und schaufelte das Essen in mich hinein. „Musst du denn heute wieder lernen? Wann ist denn deine nächste Prüfung? Wieviele hast du denn noch?", überfiel Papa mich mit einem ganzen Fragenprotokoll plötzlich. Schlagartig war mir der Appetit vergangen. Trotzdem schob ich mir noch eine übervolle Gabel in den Mund, um Zeit zu schinden. Was sollte ich ihm denn antworten? Die Wahrheit ging nicht, denn dann brannte hier so die Luft, dass ich garantiert nicht pünktlich zur Arbeit kam. Und das konnte ich mir gar nicht leisten. Manno, wurde dieses Rührei in meinem Mund eigentlich immer mehr? Ich hatte das Gefühl gleich daran zu ersticken. Oder waren es eigentlich die Lügen, an denen ich fast erstickte? „Mensch Schnutzelchen, du hast aber auch eine Art der Maus den Appetit zu versauen." Mama schüttelte empört den Kopf. „Da merkt man gleich, dass du nie studiert hast, nicht wahr Phil?" Mein Bruder nickte kauend. „Ja, ihr Fussballer könnt immer nur in Spieltagen und einer Saison denken", schmatzte er. „Dafür können wir uns aber benehmen und reden nicht mir vollem Mund", schoss Papa pikiert zurück. Phil zuckte nur mit den Schultern und schob sich die nächste Gabel in den Mund. „Schnutzelchen im Studium passiert es ab und an, dass man auch mal eine Prüfung kurzfristig erst im Zweitversuch schreibt, weil man sich im Erstversuch noch nicht sicher genug ist. Da gibt es keinen so festen Zeitplan. Und außerdem hört das Lernen nie auf. Nach der Prüfung ist vor der nächsten Prüfung. Und man macht auch durchaus mehr Prüfungen, damit man am Schluss die besten einbringen kann. Also kann man auch keine klare Zahl nennen." Dankbar schaute ich zu Mama, dass sie es mir abgenommen hatte die Fragen zu beantworten. Das wäre mir so nie eingefallen. Das musste ich mir aber unbedingt für die nahe Zukunft abspeichern, falls wieder Fragen aufkamen. Ich piekste mit meiner Gabel auf dem Teller herum. Bei dem Gedanken noch etwas davon zu essen, wurde mir speiübel.„Wann fahrt ihr eigentlich nach Berlin zu dem Konzert? Oma hat schon gefragt, ob ihr euch treffen könnt", wechselte Mama das Thema und schaute mich fragend an. Oh oh, das hätte ich in der ganzen Aufregung ja fast vergessen. Luca hatte ja zu Weihnachten Konzertkarten für die Earthwings in Berlin bekommen und das inklusive Flug und Hotel. Genaugenommen sogar inklusive eines ziemlich guten Hotels. Ja, da waren wir damals auch zum Pokalfinale untergebracht als wir Tessa begleitet hatten. Wehmütig dachte ich daran zurück, wie ich damals die FU bewundert hatte. Man, hätte ich dort gerne studiert. Und Berlin hatte mir auch super gefallen. Ob es mir dort wohl leichter gefallen wäre? Vielleicht hätte ich da ja keine Probleme gehabt. Aber ob und vielleicht waren egal, denn ich hatte mich für Dortmund und für Luca entschieden. Tat mir das leid? War es die falsche Entscheidung? Gestern hätte ich wahrscheinlich noch mit Ja geantwortet, aber nach heute Nacht..... nein, ich gehörte definitiv zu Luca. Und unsere Zukunft lag hier in Dortmund. „Maja...Mama hat dich was gefragt. Du kannst deinen Kopf noch früh genug wieder auf den Unikram lenken." Papa klopfte ungeduldig mit seinen Fingern auf der Tischplatte. Ach ja, die Antwort. „Wir fliegen das Wochenende nach der Hochzeit. Das ist dann wohl auch die Minihochzeitsreise von den beiden." Jedenfalls hatte mir Luca das so erklärt, denn Andi bekam dafür keinen Urlaub mehr, da sie ja schon auf Ibiza waren und in der Agentur auch gerade die arbeitsintensivste Zeit anstand. Trotzdem wollten sie unbedingt so schnell wie möglich heiraten, damit Lucy Göbel hieß, bevor sie mit dem Studium begann. Deshalb sollte es auch eine Hochzeit im kleinen Kreis werden, was dann aber doch wieder eine ziemliche Menge an Leuten waren. Apropos Urlaub, ich musste unbedingt mit Bille sprechen, dass sie mich an den beiden Wochenenden nicht einplante. Hoffentlich gab das keine Probleme. „Ich möchte mich aber auf alle Fälle mit Oma und Opa treffen." Ja, ich sah meine Großeltern viel zu selten. Leider, denn sie waren wirklich total lieb. „Na dann organisiere ich am besten ein Familiengrillen mit allen bei ihnen. Dann hast du gleich alle abgearbeitet. Alex und Felix sind sonst nur wieder sauer, wenn sie dich nicht sehen", schmatzte Phil wieder mit vollem Mund. Ja, meine Zwillingsonkels waren immer ziemlich lustig. Das wäre echt cool. „Man merkt, dass du viel Zeit im Schweinestall verbringst", brummte Papa und schaute angewidert zu Phil. „Na da trifft man wenigstens auf mehr Intelligenz als auf dem Fussballplatz." Phil musste Papa aber auch immer provozieren. Das war wie ein Machtkampf zwischen den beiden. Max war nie so angriffslustig. „Ich würde mich jedenfalls über ein Familiengrillabend freuen", nahm ich das ursprüngliche Thema wieder auf. Mama zwinkerte mir dankbar zu. Scheinbar hatte sie auch keine Lust auf weitere Testosteronwolken in der Luft. Mein Blick ging zur Küchenuhr und ich sprang erschrocken auf. „Ich muss gleich los." Mist, und ich hatte mich noch nicht umgezogen. „Hast du eine Prüfung? Soll ich dich fahren?" Papa schob auch eilig seinen Stuhl zurück, um aufzustehen. Ich schüttelte meinen Kopf. Das fehlte mir ja gerade noch. „Nein, ich bin nur verabredet." Ja, mit ungefähr zwanzig bis dreißig Leuten, die darauf warteten von mir in die größten Geheimnisse des BVB eingeweiht zu werden. „Ach so, dann", Papa winkte ab und ließ sich wieder zurück auf seinen Stuhl sinken. Ich drückte noch meinen beiden Eltern einen Kuss zum Abschied auf und stürzte in Richtung meines Zimmers. Glücklicherweise hatte ich ja schon bei..... nee, genaugenommen mit Luca geduscht, dachte ich grinsend und schnappte mir schnell eine schwarze Hose und ein schwarzes Shirt aus dem Schrank. Das passte immer am besten zu dem Trikot, das ich bei der Stadiontour trug. Nachdem ich auch noch schnell einen Zopf gemacht hatte, schnappte ich mir meine Tasche und die Autoschlüssel und startete zu meinem Auto....
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Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9 ✔️
Teen FictionMaja hat ihre große Liebe in Luca schon sehr früh getroffen. Jedenfalls glaubte sie das. Mittlerweile ist sie sich da nicht mehr ganz so sicher. In letzter Zeit kommt es immer öfter zum Streit und nicht selten ist das Studium der Auslöser. Hat sie w...