Kapitel 36

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„Das läuft doch prima" zwinkerte mir Tom zu, während er einen Cocktailshaker elegant in der Luft hin und her schleuderte. Ja, ich war ziemlich zufrieden mit mir. Bis jetzt hatte ich in den drei Stunden, die ich hier arbeitete noch keinem ein falsches Getränk eingeschenkt und ich hatte es auch noch nicht einmal vergessen zu kassieren. Ich fand es total erstaunlich, wie viele der Leute Trinkgeld gaben, obwohl die Getränke nicht gerade verschenkt wurden. Aber das sollte mir ja egal sein, also bekamen sie ein freundliches Danke zu hören, begleitet von meinem nettesten Lächeln. Mittlerweile hatte ich mich auch an die laute Musik gewöhnt. Glücklicherweise war es mehr Rock Pop als dieser Punk-Mist von Earthwing. „Eine Cola, extra groß ohne Eis und ein bisschen zackig." Was war das denn bitte? Ich schaute auf und genau in das Gesicht von dem Frauenhasser. Also bei der Ansprache war es mir doch ein besonderes Vergnügen mich nicht sonderlich zu beeilen und das ohne Eis zu überhören. Genüsslich langsam ließ ich also ein paar mehr Eiswürfel als üblich in das normalgroße Colaglas gleiten. „Wie dämlich bist du denn? Ich habe gesagt ohne Eis und extragroß", meckerte er sofort los. Ich zeigte ihm mein Unschuldsgesicht und griff nach einem anderen Glas. Natürlich ohne besondere Eile, auch wenn mir die Leute hinter ihm Leid taten. „Wäre das okay?" fragte ich freundlich. „Ja, aber zackig." Na, wie er wollte. Ich zapfte also schnell. Dann hatte er halt das halbe Glas voll Schaum - sein Pech, nicht meins - und reichte es ihm. „Das macht acht Euro fünfzig wegen der Sonderwünsche." Marcel hatte mir zwar gesagt, dass das Personal alle Getränke kostenlos bekam, aber das hieß ja nicht, dass ich mich an den Idioten erinnern musste. „Ich gehöre zum Personal", knurrte er. „Das kann ja jeder sagen." Mit der Antwort hatte er wohl nicht gerechnet. „Jetzt mach hier nicht solche Faxen. Ich muss los, gleich geht der Liveact los. Oder muss ich erst Marcel holen?" Ich legte kurz meinen Finger ans Kinn und tat so, als überlegte ich ernsthaft. Dann schüttelte ich den Kopf. „Nein, du bekommst die Cola auch so, ohne Beziehungen." Das letzte Wort betonte ich besonders und erntete dafür ein Schnauben. Perfekt! Botschaft angekommen! „Und jetzt blockiere hier nicht weiter die zahlenden Gäste mit deinen Extrawünschen." Ich hörte ein lautes Lachen „Wow, die neue Maja gefällt mir richtig gut. Dem hast du es aber gegeben." Nessa stand neben mir und umarmte mich. „Wo kommst du denn her?" Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie hinter die Theke gekommen war. „Ach ich bin eigentlich jeden Samstag hier, genau wie der da, wenn er nicht gerade irgendwelche Tiere rettet." Sie zeigte über den Tresen, wo Phil stand und mich breit angrinste. „Sis, du schlägst dich hier wirklich gut." Bildete ich mir das nur ein, oder sah er dabei wirklich stolz aus? „So, jetzt machst du aber mal Pause und ich übernehme für dich." Nessa schob mich beiseite und wandte sich schon dem nächsten Durstigen zu. Ich zuckte mit den Schultern. Na dann machte ich halt Pause. Zusammen mit Phil lief ich in Richtung der kleinen Bühnen, auf der es sich gerade jemand auf einem Barhocker gemütlich machte. Der Typ kam mir bekannt vor. Aber wieso? Die ersten Töne auf seiner Gitarre erklangen. Ja klar, das war der Typ vom Earthwings Konzert, der das Vorprogramm gemacht hatte. Wie hieß er noch mal? „Ich bin Christoph", stellte er sich gerade vor. Ja, genau, so hieß er. Durch die ganze Aufregung war ich noch gar nicht dazu gekommen ihn auf meine Playlist zu bringen. Spätestens nach dem ersten Lied war mir aber klar, das ich sein neuer Fan war. Er hatte eine total interessante Stimme und beherrschte die Gitarre perfekt. Ob ich vielleicht nachher Gelegenheit hatte ihn einmal anzusprechen? Vielleicht trat er ja hier auch öfter auf, wenn ich arbeitete? „Der Kerl ist richtig gut und jedesmal reißt er die Leute so mit", brüllte mir Phil begeistert ins Ohr. Na das beantwortete ja meine Frage schon einmal. Dann spielte er also öfter hier. Das war gut. Da ergab sich bestimmt irgendwann die Gelegenheit mit ihm zu sprechen. Nach dem fünften Lied war dann aber auch Schluss und Christoph verabschiedete sich mit donnerndem Applaus und der DJ übernahm wieder. „So, ich muss dann auch mal wieder an die Arbeit", verabschiedete ich mich von meinem Bruder. „Komm ich begleite dich noch bis zur Theke." Er legte seine Arm um meine Taille und schob mich durch die Leute. „Pass doch mal auf!" fuhr ihn jemand an, der dort bei einigen Mädels Hof hielt. Boah, diese Aufreißer, die sich wie halbe Götter aufspielten, fand ich nur zum Gruseln. Genau wie die aufgetakelten Weiber, die sie anhimmelten. Ja, davon hatte ich in der kurzen Zeit hier schon genug mitbekommen.
Als der Typ sich zu uns umdrehte, blieb mir mein Mund fast offen stehen. Das war ja Mika! „Mensch Reus, kannst du nicht mal aufpassen, wo du hinläufst! Oder hast du es so eilig mit deiner neusten Eroberung eine Runde auf dem Klo zu schieben?" Was....was war das denn für eine Ansprache? „Plattfisch halt die Klappe und kümmere dich um deinen eigenen Dreck", kam auch schon die Retoure von meinem Bruder. Mikas Blick ging zu mir und ich hatte das Gefühl, dass ihm sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. Jedenfalls soweit ich das bei den Lichtverhältnissen beurteilen konnte. „Das...das ist...ist ja....Maja, was machst du denn hier in Berlin?", wandte er sich an mich und ein freundliches Lächeln tauchte in seinem Gesicht auf. „Ist Luca auch da?" Das Lächeln war wieder verschwunden und einer gewissen Anspannung gewichen. Ich schüttelte den Kopf. Irgendwie brachte ich es nicht fertig die Worte wir sind getrennt über die Lippen zu bekommen. „Nicht!" Da war wieder sein Lächeln. Phil schob mich einfach weiter ohne eine weitere Erklärung oder Verabschiedung Richtung Theke und Mika folgte uns. Den Mädels um ihn herum schenkte er keine weitere Beachtung. Das waren bestimmt nur Kommilitoninnen von ihm. „Was machst du denn hier, Maja?" „Arbeiten", antwortete Phil für mich und bei der Schlange von Durstigen, die sich schon wieder gebildet hatte, beeilte ich mich lieber hinter den Tresen zu kommen. Nicht dass Marcel noch unzufrieden war und mich feuerte. Ich zapfte am laufenden Band irgendwelche Getränke und kassierte. Keine Ahnung, wie spät es schon war, als Marcel neben mir auftauchte. „Du kannst jetzt Feierabend machen. Deinen Anteil vom Trinkgeld bekommst du dann beim nächsten Mal ausgezahlt." Beim nächsten Mal?! Das hieß ja, das er mit mir zu frieden war und mich weiter beschäftigte. Erleichtert lief ich in die Umkleide und holte meine Tasche, um dann nach Phil zu suchen. Er hatte mir vorhin versprochen auf mich zu warten und zusammen mit mir nach Hause zu gehen. Ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass es bereits fünf Uhr morgens war. Hoffentlich war er wirklich noch da, denn alleine wäre mir doch gerade etwas mulmig hier durch die Gegend zu meinem Auto zu laufen. „Maja, ich habe extra auf dich gewartet, um dich nach Hause zu bringen." Das war aber Mika und nicht Phil. „Das ist schön für dich, Plattfisch, aber das ist mein Job als großer Bruder. Also mach dich vom Acker und lass meine Schwester in Ruhe." Phil schob ihn einfach zur Seite. „Das kann ja Maja wohl selbst entscheiden", empörte sich Mika und lächelte mich an. „Klar, kann sie das. Und deshalb kommt sie ja jetzt auch mit mir mit." Phil legte seinen Arm wieder um meine Schulter. „Wuhu, den ersten Tag hier und schon prügeln sich die Club-Casanovas um die Schlampe." Auf Grund des Tonfalls wusste ich gleich, wer da hinter uns lang gelaufen war. Ich drehte mich um und sah den verächtlichen Blick von Will-ich-hasse-alle -Frauen. Wie gut, dass Phil so auf Mika fixiert war, dass er es nicht mitbekommen hatte. „Komm lass uns gehen. Ich bin müde", wandte ich mich an meinen Bruder, ehe es hier noch Streß wegen mir gab und Marcel es sich doch noch anders überlegte. „Wir können ja mal telefonieren", warf ich dann noch Mika zu, der breit grinste. Es war ja schon ziemlich nett, dass er hier extra auf mich gewartet hatte. Vielleicht wäre es ja ganz nett sich mal mit ihm zu treffen. Bestimmt irrte sich der Frauenhasser nur mit seinem Casanova. So war Mika garantiert nicht. Der Kerl war nur neidisch, dass Mika mehr mit Frauen ins Gespräch kam, genau wie Phil. Aber das war ja auch kein Wunder, bei seinem Benehmen, dass die Frauen da nur wegliefen. Aber egal, ich wollte jetzt nur noch ins Bett und schlafen. Mir taten einfach meine Füße weh und ich war müde.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt