Kapitel 83

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"Maja, wo bleibt ihr denn so lange?" Papa schaute erst mich besorgt und dann Will neben mir missbilligend an. Für ihn stand wohl fest, wer an unserer Verspätung schuld war. Na ja gut, ganz falsch lag er mit seiner Vermutung nicht. Oder anders gesagt er lag zu fünfzig Prozent richtig. Die anderen fünfzig Prozent machte aber ich aus. Irgendwie hatten wir beide beschlossen gemeinsam zu duschen, wie sonst auch jeden Morgen. Aber irgendwie hatten wir heute dabei die Zeit aus den Augen verloren. „Entschuldigung, aber das war meine Schuld, dass wir so spät kommen. Im eigenen Bett zu schlafen ist nach so langer Zeit etwas besonderes für mich und da bin ich trotz Wecker einfach nicht wach geworden." Tanja schob sich lächelnd an mir vorbei und reichte Papa ihre Hand. „Sie müssen bestimmt Marco sein. Franzi hat mir ja schon so viel von ihnen erzählt. Und die Ähnlichkeit ihrer Tochter mit ihnen ist ja einfach unglaublich. Sie sieht Ihnen ja wie aus dem Gesicht geschnitten aus." Papa nickte erst etwas überfordert von Tanjas Geplapper, weil sie ihn gar nicht zu Wort kommen ließ, grinste dann aber stolz. Ja, das mit der Ähnlichkeit hörte er doch zu gerne und fühlte sich gebauchtätschelt. Ich musste daran denken, was Tanja noch im Auto zu mir gesagt hatte. So beschützende Väter sollten zu ihrem eigenen Wohl manchmal nicht alles wissen. Dabei hatte sie mir zu gezwinkert und dann gegrinst. Es ist echt lieb, dass du extra so früh aufgestanden bist, um uns abzuholen. Ja, Mama hatte ihr wohl schon eine Menge über Papa erzählt, aber anders als er vermutete. Oder Tanja hatte selbst einmal dieses Problem gehabte. „Hallo, ihr drei." Mama schob Papa beiseite und umarmte uns herzlich. Ihr folgte Oma, die erst mich und dann Will in ihre Arme zog, ehe sie Tanja die Hand reichte. „Hallo, ich bin Ramona. Sie haben wirklich einen netten Sohn. Wir freuen uns immer schon , wenn er am Sonntag mit Maja zu uns zum Essen kommt. Für uns gehörter schon zur Familie. Nicht wahr, Micha?" Oma drehte sich zu Opa um, der hinter ihr erschienen war und sofort nickte. „Ja, der Will ist ein ganz feiner Kerl. Und der ist auch für die richtige Mannschaft und lässt sich auch am Grill was beibringen", schoss Opa in Papas Richtung. Ja, der Grill war so ein Streitthema zwischen den beiden, weil jeder der Meinung war, seinen Technik zu grillen wäre die richtige. Und naja Fußball. Papa war halt BVB und Opa war absolut Hertha, genau wie Mama im Grunde ihres Herzens. Papa brummte nur etwas Unverständliches vor sich hin. „Vielen Dank, dass sie meinen Willi so in ihrer Familie aufgenommen haben." Tanja strahlte meine Großeltern an. „Willi?! Im Ernst?" prustete Phil los, der auch gerade hinter Opa aufgetaucht war. Ich spürte, wie sich Will neben mir versteifte. Ich wusste ja wie wenig er den Namen mochte. „Ja, mein Sohn heißt Willi. So steht es in seiner Geburtsurkunde." Tanja schaute Phil verständnislos an. „Maja und Willi. Da fange ich ja gleich an wie Flip zu hüpfen.", grunzte mein Bruder und verschluckte sich fast an seiner Spucke vor lachen. „Na dann kann ja gar nichts mehr schief gehen, wenn unsere Maja ihren Willi gefunden hat." Onkel Felix war auch gerade mit seiner Familie gekommen und umarmte mich zur Begrüßung. Bei dem Gewusel, dass hier plötzlich im Flur entstanden war, zog ich Will einfach mit mir mit ins Wohnzimmer von Oma und Opa. „Hallo, kleine Maja." Max saß zusammen mit seiner Leo auf dem Sofa und winkte mir zur Begrüßung zu. „Dein Auftritt gestern im Club war wirklich super." Er stand auf, um mich zu umarmen. Leokardia stand auch auf und musterte Will und mich. „Konntet ihr euch nicht einmal an Ostern etwas vernünftiges anziehen? Habt ihr die Sachen aus dem Altkleider Container?" Sie zeigte auf meine Haare. „Wenn du schon wie ein bunter Pumuckl herumlaufen musst, dann solltest du dir die Haare auch mal wieder färben." Okay, damit hatte sie recht. Das grün war schon ziemlich herausgefallen und sah jetzt irgendwie wie vergammelte Blätter aus. Trotzdem war das kein Grund uns hier so blöd anzumachen, nur weil sie einen Designerfummel trug, den ihre Mutter finanzierte. Denn im Gegensatz zu mir, war Leokardia nicht der Meinung selbst Geld verdienen zu müssen. Klar machte sie ein paar Entwürfe für das Label meiner Mutter. Aber wenn man ehrlich war, war das auch nur der Fall, weil Mama das Label gehörte. Auch wenn sie begabt dafür war, würde kein anderes Label sie anstellen. „Nö, ist Berlin Style, hat sich bloß noch nicht bis zu dir herumgesprochen. Und die Sachen sind wenigstens selbst bezahlt und passen zu unserem Budget", rutschte es mir auch prompt heraus. Leo riss ihre braunen Kulleraugen auf und schnappte nach Luft. „Du wirst immer mehr wie Tessa", entfuhr es ihr. Die Aussage machte mich irgendwie stolz, denn meine andere Hälfte war nicht auf den Mund gefallen und ließ sich so hin und her schieben wie ich. Wenn ich nur die Hälfte ihres Selbstbewusstseins hätte, wäre ich schon zu frieden. „Gibt ja schlimmeres." Tessa war neben mir aufgetaucht und schlug mir mir ein. Ich musste grinsen. Leo guckte aber auch dämlich. Oma pfiff einmal laut auf ihren Fingern und sofort herrschte Stille im Wohnzimmer, wo vorher noch ein lautes Stimmengewirr zu hören war. „So, dann lasst uns mal die Ostergeschenke suchen. Opa hat alles im Garten versteckt. Und beeilt euch mit dem Suchen, der Wetterbericht hat gleich eine kurze Husche angesagt." Das war dann wohl das deutliche Startsignal, denn meine kleinen Cousinen und Cousins düsten genauso flott in den Garten wie die Drillinge und allen voran Mariska. Papa folgte ihnen mit Chrissi und Alli und redete auf die beiden ein. Ich bezweifelte, dass sie verstanden, was er von ihnen wollte. „Soll ich dein Geschenk auch verstecken?" Will zwinkerte mir zu. Ich überlegte kurz und schüttelte den Kopf. Wir hatten beschlossen, dass dieses Jahr nur Süßkram für die Zwerge versteckt wurde. Aber natürlich hatte ich auch etwas für Will besorgt. Ich hatte das Geschenk gestern extra noch eingepackt, als Tessa und ich den Übernachtungsplan geschmiedet hatten. Schnell zog ich das Geschenk aus meinem Rucksack, der neben mir auf der Erde lag, und reichte es Will. „Für mich?" Erstaunt schaute er mich an. Ich nickte. „Hat der Osterhase bei mir abgegeben." Will beugte sich zu mir und küsste sanft meine Wange. „Der fleißige Kerl hat bei mir auch etwas für dich abgegeben." Er griff in seine Hosentasche und zog ein kleines Geschenkpäckchen heraus. Natürlich wartete ich wie immer mit dem Auswickeln und schaute wie Will das Papier abfetzte. „Wow, das ist ja ein neuer Flaschenhalter für das Fahrrad", grinste er mich an. Ja, sein alter war gerade vor ein paar Wochen kaputt gegangen und er hatte sich noch keinen neuen besorgt. „Wer hat hier einen Fahrradsattel bekommen?" Tessa lugte neugierig über meine Schulter. „Das ist ein Flaschenhalter für das Fahrrad", korrigierte Will sie sofort. „Sag ich doch, ein Fahrradsattel hält die Flasche auf dem Fahrrad." Ihr Gackern war so ansteckend, dass Will und ich auch lachen mussten. „Und was hast du bekommen?" Sie schaute auf das Geschenk in meiner Hand. Schnell öffnete ich es auch. Ich war schon ganz gespannt. Was war wohl in diesem kleinen Kästchen, das ich in meiner Hand hielt?

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt