„Ich glaube es ja nicht. Wieso habe ich eigentlich nicht gewusst, dass ein Star bei mir Tee kauft." Wiebke begrüßte mich mit einem dicken Grinsen im Gesicht. „Deine Auftritte am Wochenende auf dem Bergmannstraßenfest waren echt der Wahnsinn." Ja, ich war wirklich bei dem Straßenfest aufgetreten, auch wenn es einen ziemlichen Streß bedeutet hatte. Wir hatten jeweils am Freitag, Samstag und Sonntag den letzten Auftritt auf der Hauptbühne. Der letzte Auftritt hieß, er war erst um 22.00 Uhr beendet und wir hatten noch genau eine Stunde, um jeweils in einen der Clubs zu kommen. Also außer am Sonntag. Da war nur das Essen bei Oma und Opa ausgefallen. Obwohl nicht wirklich. Sie hatten uns einfach besucht und wir hatten uns auf dem Fest durch so einige Stände gefuttert. Oma war ganz begeistert gewesen, dass sie mich auch mal live erleben konnte. Denn in einen der Clubs hatte sie sich dann doch noch nicht getraut. Sie meinte, sie käme nicht durch die Alterskontrolle. Was natürlich Quatsch war. Bei Marcel würde sie sogar einen Ehrenplatz in der Lounge bekommen. Trotzdem war es schön, dass die beiden dann auch mal dabei gewesen waren. „Bekomme ich von dir auch eine Autogrammkarte, die ich hier aufhängen darf?" Wibke schaute mich mit einem Bettelblick an. Ich wühlte schnell in meiner Tasche und zog eine von denen heraus, die mir Franky am Wochenende in die Hand gedrückt hatte. Ja, in beiden Clubs war mein Job nicht mehr damit getan nur zu singen, sondern eine Autogrammstunde wurde gleich noch mit angehangen. „Danke. Das kommt noch in einen schönen Rahmen und dann mache ich es hier hinter der Kasse an." Wibke deutete mit ihrer Hand auf eine gut sichtbare Stelle. „Ich schwöre dir, wenn ich den Leuten sage, dass du hier immer deine Teemischungen kaufst, dann sind die bald ausverkauft." Ich musste über ihre Begeisterung schmunzeln. „Dann sollte ich mir wohl noch schnell einen Vorrat anlegen." Wibke winkte ab. „Quatsch, für dich hebe ich immer eine Reserve auf. Schau mal, hier habe ich auch eine neue Mischung mit Salbeihonignote. Die ist gut für die Stimme." Sie reichte mir einen Beutel und ich nahm den Duft in mir auf. „Den probiere ich auf alle Fälle mal." Ich reichte ihr den Beutel wieder und musterte die anderen Sorten interessiert. Ja, so ein Teeladen war für mich wie für andere ein Schreibwaren- oder Buchladen. Hier entdeckte ich immer noch etwas neues, was ich unbedingt kaufen musste. „Ananas, Melonen, Papayatee?" Das hörte sich irgendwie total lecker an. So nach Sommer. Ich schnappte mir die Tüte und lief damit zu Wibke. „Hast du schon den Artikel über dich heute in der Zeitung gesehen?" Welchen Artikel bitte? „Ach natürlich hast du das", winkte sie lässig ab. „Wenn ich ehrlich bin, lese ich keine Zeitung",gab ich kleinlaut zu. „Echt nicht?" Wibke schaute mich überrascht an und begann unter ihrem Tresen zu kramen. „Hier schau." Sie reichte mir die aufgeschlagene Tageszeitung. Dort sprang mich sofort ein Foto von mir auf der Bühne vom Straßenfest an. Daneben prangten groß die Worte Shootingstar aus dem Kiez Wieso wusste ich von dem Bericht nichts? Hätten die mich nicht erst fragen müssen, bevor sie ein Foto von mir veröffentlichen durften? Egal, die Zeitung war ja sowieso schon im Umlauf, also wozu sollte ich mir jetzt darüber noch Gedanken machen. Schnell überflog ich den Artikel. Er war sehr positiv geschrieben. Der Autor hob besonders hervor, welche Gute-Laue- und Urlaubsstimmung ich mit meiner Musik erzeugte und wie begeistert das Publikum war. Erstaunlicherweise erwähnte er auch meine Auftritte in den Clubs und das bereits ein Album erschienen war. Ehrlich gesagt, fragte ich mich, woher er das wusste. „Das bringt dir bestimmt noch mehr Auftritte." Wibke lächelte begeistert als ich ihr die Zeitung zurückreichte. Ich bezahlte und schnappte mir meine Teetüten, die ich in meinem Weidenkorb versenkte und schlenderte weiter den Gang entlang. Irgendwie mochte ich dieses Marktambiente. Ich schaute mir die ganzen Auslagen an. Ich sollte mir auf alle Fälle noch eine Zeitung kaufen und den Bericht über mich als Kopie an alle aus der Familie schicken. Papa würde damit garantiert halb Dortmund stolz nerven. Ich lief schnurstracks zum Zeitungsstand und stellte mich dort an. Mein Blick ging zum gegenüberliegenden Stand. Das war doch Tom, der dort stand. Was machte der denn hier? Ich schaute noch einmal hin. Nee, da stand ein älterer Herr. Dann hatte ich mich wohl geirrt. Scheinbar brauchte ich doch etwas mehr Schlaf, wenn ich schon Sachen sah, die gar nicht da waren. „Wat darf et denn sein?" Ups, ich war ja schon an der Reihe. „Zehn BZ bitte" Wozu kopieren? Ich konnte ja auch jedem gleich ein Original schicken. Der Verkäufer schaute mich irritiert an. „Zehn? Willste die Wohnung streichen, oder wat?" Hä? Wieso sollte ich streichen wollen? Plötzlich änderte sich sein Blick und er schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „Der Shootingstar aus dem Kiez." Er hatte den Artikel dann wohl auch gelesen. „Wenn de mir een Autogramm uff dit Wurschtblatt jibst, denn kriegste sogar zwanzig von mir jeschenkt." Ohne meine Antwort abzuwarten begann er schon nach einem Stapel Zeitungen zu greifen. Ich buddelte wieder eine von meinen Autogrammkarten aus der Tasche. „Kannste da och für Timo ruffschreiben? Dit bin nämlich icke. Und dit Autogramm häng ick hier uff." Schnell schrieb ich noch die Widmung auf die Karte und malte ein kleines Herz dazu, ehe ich die Karte gegen den Stapel Zeitungen eintauschte. „Firma dankt. Wenn wieda wat über dir drinsteht, heb ick jleich een paar von den Dingern uff. Musste dir denn nur abholen." Ich nickte grinsend und verabschiedete mich. Das nannte man dann wohl meine eigene Presseabteilung oder mein eigenes Lektorat. Ein Kicherer entschlüpfte mir. Das war doch alles total bekloppt. Ich, die kleine Maja aus Dortmund stand in Berlin in der Zeitung. Ein total kribbeliges Gefühl machte sich in mir breit. Das musste ich unbedingt gleich Will zeigen. „Komm, ich trage deinen Korb. Der ist mit die vielen Zeitungen doch viel zu schwer." Wie aus dem Nichts war Tom neben mir aufgetaucht. Dann hatte ich mich also doch nicht geirrt. Aber was machte er schon wieder hier?
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Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9 ✔️
Teen FictionMaja hat ihre große Liebe in Luca schon sehr früh getroffen. Jedenfalls glaubte sie das. Mittlerweile ist sie sich da nicht mehr ganz so sicher. In letzter Zeit kommt es immer öfter zum Streit und nicht selten ist das Studium der Auslöser. Hat sie w...