Kapitel 135

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Ich saß am Tisch und starrte vor mich hin. Mein Herz polterte in meiner Brust. Tessas uns Lucys Plan war doch vollkommen bescheuert. Und zu allem Überfluss vielleicht auch noch gefährlich. Wenn den beiden irgendetwas passierte, würde ich mir das nie verzeihen können. So langsam war ich mir nämlich nicht mehr sicher, ob Tom harmlos war und mich einfach nur verfolgte oder ob er geistig etwas gestört und damit gefährlich war. Obwohl geistig gestört musste man doch eigentlich auf alle Fälle sein, wenn man jemanden stalkte. Ein normaler Mensch würde das niemals tun. Welchen Grund sollte es auch für so etwas geben? Ich fuhr mir mit meinen Händen durch die Haare. „Okay, Showtime", grinste Tessa und fing an mich laut zu beschimpfen. „Wir haben schon seine Aufmerksamkeit", zischelte Lucy. „Mir reicht dein dämliches Ego-Getue. Du bist hier kein Superstar!" Mit einem lauten Geräusch schob Tessa ihren Stuhl schwungvoll zurück und sprang auf. „Los komm, wir gehen, Lucy. Soll die dusselige Kuh doch mal ihre Denkzentrale anwerfen." Auch Lucy sprang genauso geräuschvoll auf und beide dampften laut diskutierend, was ich doch für eine eingebildete Kuh geworden war,  in Richtung Tom ab. Sie liefen direkt an ihm vorbei. Und ihm dürfte unschwer entgangen sein, dass sie mich hier wohl sitzen ließen und ich sehen konnte, wie ich ohne Fahrer nach Hause kam. Ich blickte einmal kurz über den Platz. Ja, hier waren noch definitiv eine Menge Leute für die Mittagszeit. Das war gut und gehörte zu unserem Plan. Wenn etwas schief ging, waren doch hoffentlich wenigstens ein bis zwei darunter, die uns helfen würden. Ich biss mir noch einmal auf meine Unterlippe, ehe ich den Kopf in meinen Händen versenkte. Was hatte Tessa gesagt? Ich sollte Tränen fließen lassen, um Tom auch garantiert anzulocken. Das mit den Tränen laufen lassen war gar nicht so ein Problem, denn momentan fühlte ich mich mit dieser Situation gerade total überfordert und die ersten liefen mir ganz von alleine über die Wangen. Das war doch alles scheiße. Ich wollte nicht, dass Tom ein psychisch gestörter Stalker war. Ich hatte es immer toll gefunden, wenn wir uns unterhalten und Zeit miteinander verbracht hatten. Seine fürsorgliche Art mich wegen meines Lampenfiebers auch mit Tee zu versorgen. Seine hilfsbereite Art. Das konnte doch nicht alles nur gespielt gewesen sein. Bestimmt tat ich ihm Unrecht. Aber er war immer sofort zur Stelle, wenn es Probleme gab. Und das war nur möglich, wenn er mich verfolgte. Sofort raste mein Puls noch schneller. Nein, ich wollte nicht mehr dieses schreckliche Gefühl immer beobachtet zu werden haben. Nein, so wie es aussah, war er einfach ein mieser Stalker. Alle möglichen Begegnungen mit ihm mischten sich gerade in meinem Kopf und zu der bekannten Übelkeit kamen auch noch schlagartig Kopfschmerzen. „Bist du nicht gut?" Beim Ertönen der Stimme zuckte ich zusammen, obwohl ich sie ja erwartet hatte. Ich riss meinen Kopf hoch und starrte mit tränenverschleierten Augen in Toms besorgtes Gesicht. Er legte seine Hand auf meine Schulter. Diese sonst immer beruhigende Geste, trieb mich heute fast in den Wahnsinn. Es kostete all meine Beherrschung sie nicht einfach nur angewidert abzuschütteln. Aber das ging nicht, solange Tessa und Lucy nicht wieder hier waren. Alleine ihn zur Rede zu stellen war einfach zu gefährlich. „Pfoten da weg, Spacko", ertönte genau in dem Moment, als ich das Gefühl hatte es keine Sekunde länger auszuhalten, die Stimme meiner Schwester. „Du solltest dich artig und leise da auf den Stuhl setzen, wenn du kein Aufsehen erregen willst", folgte auch die bestimmte Anweisung von Lucy, die neben Tessa aufgetaucht war. Tom starrte die beiden total überrumpelt an. „Ihr....ihr....", begann er zu stottern. „Ja, wir sind wieder hier. Und jetzt platzier deinen Arsch da ganz flott auf dem Stuhl, du Arsch." Okay, Tessa war noch nie die Königin der vornehmen Wortwahl. Aber das war mir auch egal. Ich war nur erleichtert, dass die beiden jetzt hier waren. Tom ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber gleiten. Ich musterte sein Gesicht, ob ich irgendwelche wütenden Züge entdecken konnte, die dafür sprachen, dass er gleich irgendwie gefährlich werden könnte. Alles was ich aber entdeckte war ein Kerl, der total überrumpelt aussah. „So Freundchen, und jetzt erzählst du uns mal, warum du meine Schwester stalkst." Tessa hatte sich auch an den Tisch gesetzt und starrte ihn finster an. „Stalking!?" Tom riss eine Augen schockiert auf. „Ich stalke doch Maja nicht." Er schien fassungslos von dem Vorwurf. „Nicht?!" Tessa lachte hämisch. „Wie nennst du es denn, wenn du jemanden verfolgst und ihm damit Angst einjagst? Also ich nenne das Stalking." „Ich auch", stimmte ihr Lucy zu und musterte Tom auch finster.  „Aber...aber..." Er zog sich sein Cap vom Kopf und fuhr sich durch seine Haare. „Da fällt dir wohl nichts zu ein, dass du hier so herumstotterst." Tessa konnte manchmal wie ein Terrier sein, der sich festbiss. So verwirrt wie Tom zwischen ihr und Lucy hin- und herschaute, hatte ich schon fast Mitleid mit ihm. Aber nur fast, denn genau in diesem Moment wurden diese miesen Angstgefühle wieder in mir hochgespült. Was, wenn er uns hier nur etwas vorspielte. War das möglich? War er als Schauspieler gut genug? Natürlich war er das. Nicht umsonst hatte ich ihn für einen netten fürsorglichen Kerl gehalten. „Aber....aber...ich...", begann er wieder zu stottern und knetete das Cap  nervös in seinen Händen. „Deine Stotterei langweilt mich so langsam echt. Jetzt hier mal Butter bei die Fische. Wieso verfolgst du meine Schwester?" Tessa funkelte ihn sauer an. Wenn er wusste, was für ihn gut war, würde er jetzt ziemlich schnell seinen Mund aufmachen, denn meine andere Hälfte war ziemlich angefressen. Ich war mir nicht sicher, ob es nur an ihrer Sorge um mich lag oder an dem versauten Mittagessen, dass ihrer schlechten Laune sicherlich nicht zuträglich war. „Ich....ich...", begann Tom wieder zu stottern. Tessa stöhnte auf. Gleich platzte sie wirklich. Und das würde nicht sehr freundlich werden. Ich schaute in Toms blasses Gesicht und wieder ergriff mich Mitleid. Nein, so sah kein gewaltbereiter Stalker aus. „Wieso tauchst du überall auf, wo ich auch bin?" Ich fuhr mir mit meiner Hand durch mein Gesicht. „Und wieso machst du mir damit Angst? Was habe ich dir getan?", stellte ich ihm diesmal selbst die alles bewegenden Fragen.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt