„Das war total lecker, Frau Reus", kam es respektvoll von Will neben mir. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst mich Franzi nennen." Mama schaute ihn gespielt böse an und Will begann zu grinsen. „Der Curryreis und der Pudding waren total lecker, Franzi." Diesmal betonte er das Franzi besonders. „Das ist ja auch Majas Lieblingsessen, wusstest du das nicht?" Papa schaute Will misstrauisch an. Ja, Mama hatte natürlich mein Lieblingsessen gemacht. Und woher sollte Will wissen, was mein Lieblingsessen war? Was dachte Papa denn schon wieder? „Also, das sollte man aber....", begann Papa und wurde sofort von Tessa unterbrochen, die zwischen den beiden Futterstühlen ihrer Töchter eingekeilt mir gegenüber saß. „Dat is doch egal. Hauptsache is doch, dat genug auf den Teller kommt und dat es einem schmeckt." Sie zwinkerte mir grinsend zu und ich lächelte sie dankbar an. Keine Ahnung, was mit Papa los war, aber egal was Will sagte, fand er immer etwas zu kritisieren. Selbst beim Wetter war es nicht wechselhaft, sondern regnerisch mit starker Bewölkung. So kannte ich Papa überhaupt nicht. So war er weder bei Tessas Leo noch bei Luca gewesen. Was hatte er bitte gegen Will? Der gab sich doch wirklich jede Mühe besonders freundlich und umgänglich zu sein und beantwortete jede Frage, die ihm gestellt wurde. „Wie läuft es denn so mit dem Studium?" Papa wandte sich an mich. Ja, auf die Frage hatte ich schon gewartet. „Prima", antwortete ich aus vollem Herzen, denn ich hatte gestern das erste Ergebnis meiner ersten Prüfung bekommen. „Ich habe in der ersten Musikprüfung eine 1,0 geschafft." Man war ich stolz darauf. Will schaute mich überrascht an. „Warum hast du mir das denn auf der Fahrt noch nicht erzählt?" Er strich mir sanft über den Arm und lächelte. „Ich habe dir doch gleich gesagt, dass du das schaffst." Ja, das hatte er, als er mich beim Powerlearning unterstützt hatte. Dummerweise hatte ich nämlich bei dem ganzen Komponieren völlig das Prüfungsdatum verpeilt und erst zwei Tage vorher bemerkt, dass ich ja eine Prüfung hatte. „Tja, das würde mir ja zu denken geben." Wieso war Papa so schnippisch? „Das ist ja wirklich toll. Ich bin stolz auf dich", wandte er sich wie ausgewechselt an mich. Musste ich das verstehen? Es war schon komisch, wie er uns beide gemustert hatte, als er hereingekommen war. „Und du studierst auch?", wandte er sich wieder an Will, der den Kopf schüttelte. „Nein, ich..." „Kein Studium!" Papa kratzte sich am Kinn „Das ist....." Er machte eine kurze Pause. „Sehr schade. Wie willst du denn dann jemals deine Familie versorgen?" Was war das denn für eine blöde Frage? Ich sah, wie Will sich versteifte. Da hatte Papa genau seinen wunden Punkt getroffen, denn Wills Vater hatte in Berlin studiert als er seine Mutter und die von Chris kennengelernt hatte und war nach seinem Studium einfach wieder zurück in seine Heimat gegangen, ohne sich um seine Familien zu kümmern. So weit ich es wusste, gab es nicht einmal mehr einen Kontakt zu ihm nach England. „Ich bin gelernter Tontechniker und versorge meine Familie damit sogar sehr gut. Was haben sie denn studiert? Wie man Fußballerinnen so lange antreibt bis der Körper kaputt ist?" Er schaute Papa provozierend an. Damit hatte der wohl nicht gerechnet, denn er schnappte nur nach Luft. „Nee, das einzige, was der alte Mann studiert hat, waren die Tabellen im Kicker und seine Gegenspieler", gackerte Phil. Schön, dass ihn das alles hier so belustigte. Zwar waren Will und ich kein Paar, aber trotzdem wollte ich, dass er sich hier wohl fühlte. Und Papa machte gerade alles, um das zu verhindern. „Von meinem Fußball lebst du aber recht gut, Großmaul. Kann ja nicht jeder ein Genie sein", giftete Papa. „Eben, Schnutzelchen", versuchte Mama Papa zu besänftigen und schaute entschuldigend zu Will, der sich wieder leicht entspannte. „Du hast also schon Frau und Kinder?" Sein Seitenblick fiel zu mir. „Und was machst du dann hier mit Maja?" „Nein, ich unterstütze nur meine Mutter. Und Tessa hat mich zum Geburtstag eingeladen." Wie gut, dass Will auch muffeln konnte. „Deine Mutter hat also keinen Job?" Manno, Papa war echt peinlich. Und ich sah, wie Will kräftig durchatmete. Das gab hier gleich Streß. Das musste ich verhindern. „Wills Mutter ist krank und ist gerade in Lüdenscheid in einer Therapie. Eigentlich ist sie aber gelernte Schneiderin und Kostümbildnerin am Theater", übernahm ich schnell die Erklärung. „Was hat sie denn? Hoffentlich nichts wirklich schlimmes." Mama schlug sich vor die Stirn. „Sorry, absolut unangebrachte und dämliche Frage. Wenn es nicht schlimm wäre, wär sie ja nicht in Therapie." Sie schaute Will entschuldigend an. „Sie hat seit Jahren Bulimie", brachte er dann doch noch ganz leise heraus. Tessa schaute geschockt. „Das ist ja furchtbar." Ihr Blick ging zu ihrem leer gefegten Teller. Der Gedanke ihr Essen wieder herzugeben war für sie unvorstellbar. „Hast du gesagt Lüdenscheid?" Mama schaute mich fragend an und ich nickte. Sie schaute zu Will. „Warum fährst du sie dann nicht einfach morgen besuchen? Der Geburtstag ist doch erst abends. Und bis Lüdenscheid ist doch nicht weit. Das sind nicht einmal 50 km. Da brauchst du gerade einmal etwas mehr als eine halbe Stunde. Wenn du magst, kannst du gerne mein Auto haben." Er riss überrascht seine Augen auf. „Ähm, ist das wirklich so nah?" „Klar, Lüdenscheid ist die letzte Autobahnabfahrt vor der geilsten Stadt der Welt", lachte Tessa. „Könnte ich mir vielleicht auch ein Fahrrad ausleihen?" Will schaute Mama fragend an. Wieso das denn? Sie hatte ihm doch ihr Auto angeboten. Meins konnte er auch gerne haben. „Ach, du bist wohl auch einer von diesen verbohrten Umweltaktivisten, die kein Auto fahren", schnaubte Papa abwertend. Ich fragte mich echt, was Will ihm getan hatte? Außer ihn nicht zu erkennen. War das Papas Problem? „Nein, ich habe nur keinen Führerschein", kam die prompte Antwort und Will setzte sich mit durchgedrückten Schulter aufrecht hin. Seinen Kopf hatte er stolz erhoben, ehe er Papa mit einem funkelnden Blick bedachte. „Und da fahre ich lieber mit dem Rad als mit einem gefälschten Führerschein." Oh oh, scheinbar hatte er Papa doch erkannt und es sich nur nicht anmerken lassen. Das fand ich super, denn die meisten schalteten sofort in den unterwürfigen Fanmodus, wenn sie Papa erkannten. Das gefiel mir echt. Trotzdem war das jetzt brenzlig. Ich musste mir sofort etwas einfallen lassen. „Benni wollen wir noch eine Runde kicken", kam mir Tessa zuvor und sprang schon von ihrem Stuhl auf, genau wie der Kleine. „Du spielst doch heute auch mit, Maja?" Das war nicht wirklich eine Frage, sowie mein Bruder mich bettelnd anschaute. „Und du auch", sein Blick wanderte zu Will. „Der ist kein Fußballer", knurrte Papa angepisst. „Der kann nur an Reglern herumschieben und taugt höchstens als Stadionsprecher." „Schnutzelchen, lass das mal nicht Nobbi hören", verwarnte Mama ihn. „Ich habe früher auch bei Eintracht Südring Fußball gespielt. Keine Angst", verteidigte sich Will. Da war ich echt gespannt. „Okay, dann Maja, Will und ich gegen Papa und Benni", teilte Tessa schon ein, während wir in den Garten marschierten.
„Ist das da eine Flutlichtanlage? Hat dein Alter Angst, dass sonst der Pöbel in seinen Garten kommt?" Will schüttelte den Kopf bei dem Anblick unseres Garten, der einem Fußballfeld entsprach. Ich schüttelte den Kopf. „Nee, Papa war nur der Meinung, dass es beim Fußballspielen abends zu gefährlich ohne richtiges Licht ist." „Lass mich raten, er hat sogar einen eigenen Greenkeeper, der das in Schuss halten muss." Wieder schüttelte ich den Kopf. „Nee, um den Rasen kümmert er sich selbst." „Echt jetzt?" Will starrte mich überrascht an. „Bestimmt habt ihr auch ein Profifitnessstudio im Keller." Ich zuckte mit den Schultern. Ja, dort war so ziemlich alles zu finden, wenn man denn danach suchte. Mein Ding war es ja nicht. Was würde er wohl zum Schwimmbad und der Sauna sagen? Das musste ich ihm ja nicht gleich auf die Nase binden. „Los jetzt ihr Quatschtanten, kommt wir zeigen es jetzt Paps", riss Tessa uns aus unserem Gespräch. „Ihr seid doch ein Dreamteam und mit meiner megamäßigen Unterstützung kann gar nichts schief gehen." Warum hatte ich eigentlich gerade das Gefühl, dass sie nicht vom Fußball sprach, als sie mir zu zwinkerte?
DU LIEST GERADE
Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9 ✔️
Teen FictionMaja hat ihre große Liebe in Luca schon sehr früh getroffen. Jedenfalls glaubte sie das. Mittlerweile ist sie sich da nicht mehr ganz so sicher. In letzter Zeit kommt es immer öfter zum Streit und nicht selten ist das Studium der Auslöser. Hat sie w...