Kapitel 116

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Will rollte sich leicht verschwitzt neben mich. In mir kribbelte und krabbelte immer noch alles. Er zog mich sofort wieder an sich und ich kuschelte meinen Kopf an seine nackte Brust. Sein Herz schlug noch ziemlich schnell. Es war so ein gutes Gefühl so neben ihm zu liegen und einfach mal an gar nichts zu denken und einfach zu entspannen. Entspannen?! Ich hatte keine Zeit zum Entspannen. Ich musste für die Prüfung lernen. Schließlich war sie schon übermorgen. „Alles gut, Snugglebee?" Will schaute mich besorgt an. Scheinbar hatte er wohl bemerkt, dass ich mich kurz verspannt hatte. Ich nickte nur. Nee, ich wollte ihn jetzt nicht mit meinen Sorgen zutexten. Es reichte schon, wenn ich mich damit rumschlug. „Marco hat mich heute im Studio angerufen." Komisch, was wollte Papa denn von Will? Das hatte doch bestimmt nichts Gutes zu bedeuten. Obwohl seit sie sich so gut verstanden, telefonierten sie ja ab und zu, beruhigte ich mich schnell wieder. „Bei ihnen ist alles okay, er hat nur gefragt, ob es okay wäre, wenn er und deine Mom in im August mit Mari zu uns kämen, weil die Drillinge dann im Ferienlager sind." Scheinbar hatte er wohl meine Beunruhigung gespürt. „Ich habe ihm gesagt, dass wir uns freuen würden und sie diesmal auch gerne bei uns wohnen können", fuhr Will fort. Das war super. In mir brandete Freude auf, meine Familie mal wieder um mich zu haben. Und dann schoss mir etwas durch den Kopf. Bei uns?! Das hieß ich musste einen Hausputz starten und....  „Haben wir überhaupt genug Bettzeug?" Ich schoss hoch aus dem Bett. Will zog mich wieder zurück in seine Arme. „Snugglebee, sie kommen im August und nicht heute. Und ja, wir haben genug Bettzeug. Wenn deine Prüfung durch ist, setzen wir uns hin und machen zusammen einen Plan, was wir noch besorgen und erledigen müssen. Okay?" Ich nickte. „So, und jetzt wird geschlafen, damit du am Donnerstag auch fit bist."  Wieder nickte ich und kuschelte mich an Will, der die Decke über uns zog. Ich schloss meine Augen und lauschte dem Atem von meinem Muffeltier. Das beruhigte mich immer und ließ mich in Sekundenschnelle einschlafen. Ich hatte aber keine Zeit zum Schlafen. Nein ich musste unbedingt noch lernen, sonst würde ich die Prüfung nicht packen und dann war alles umsonst. Papa würde auch bestimmt nachhaken, wie der Stand war, wenn er zu Besuch kam. Ich wollte wenigstens sagen können, dass ich die Prüfung bestanden hatte, auch wenn ich den Rest noch im nächsten Semester nachholen musste. Schlagartig öffneten sich meine Augen und starrten in die Dunkelheit. Ja, mittlerweile war es dunkel im Zimmer geworden. Ich schielte zu meiner Uhr. Es war schon 22.30 Uhr. Wills Atemzüge wurden immer gleichmäßiger. Das hieß, er schlief schon tief und fest. Sein Arm lag fest um meiner Taille. So gerne ich das normalerweise auch mochte, war es gerade ein Problem. Wie sollte ich aus dem Bett krabbeln, ohne dass er etwas merkte? Ich versuchte mich vorsichtig aus seinem Arm zu winden. Ein leises Grummeln ließ mich schnell innehalten. Okay, dann musste ich noch etwas warten. Wenn ich um 23 Uhr anfing, dann hatte ich bis um 4 Uhr noch fünf Stunden zum Lernen. Das war gut. Und wenn ich dann wieder ganz vorsichtig ins Bett krabbelte, dann konnte ich noch vier Stunden schlafen bis der Wecker klingelte. Vier Stunden Schlaf, das war gut. Mein Blick ging wieder zur Uhr.  22.40! Ich startete einen neuen Versuch aus dem Bett zu krabbeln. Diesmal funktionierte er auch. Will drehte sich nur zur Seite und schlief weiter. Ich warf noch einen letzen sehnsuchtsvollen Blick auf das kuschelige Bett und spürte die Müdigkeit in mir. Dafür war jetzt keine Zeit. Schlafen konnte ich wieder nach der Prüfung. Schnell schnappte ich mir meine Klamotten vom Boden und schlich ins Wohnzimmer um hineinzuschlüpfen. Mit einem innerlichen Stöhnen setzte ich mich auf das Sofa und griff nach dem Tablett, dass ich dort schon deponiert hatte. Ja, nachts lernte ich immer nur mit dem Tablett, weil ich auf keinen Fall Licht anmachen wollte, damit Will nicht wach wurde. Ich begann zu lesen. Verflucht, diese Lehrtexte in Pädagogik waren so trocken. Wie sollte man denn dabei die Augen offen halten? Ein Rascheln ließ mich hochschrecken und ich riss die Augen auf, während mein Herz losraste. Verflucht, wenn es dunkel war, machte mir jedes Geräusch Angst. Da reichte schon das Fahrstuhlgeräusch im Treppenhaus. „Snugglebee, was machst du denn da?" Die Deckenbeleuchtung flammte auf und Will lehnte mit verwuselten Haaren und verschlafenen Augen am Türrahmen. Erschrocken zuckte ich zusammen. Mist, ich hatte ihn doch auf gar keinen Fall wecken wollen. „Mir ist nur gerade etwas eingefallen und ich wollte schnell nachschauen", redete ich mich heraus. Will fand es garantiert nicht gut, wenn er erfahren würde, dass ich hier jede Nacht paukte, wenn er schlief. „Du meinst so wie in den anderen Nächten auch?" Er stieß sich vom Türrahmen ab und kam zu mir. „Snugglebee, du lernst schon den ganzen Tag. Irgendwann musst du auch mal schlafen. So geht das nicht weiter." Er ließ sich neben mich auf das Sofa gleiten und schaute mich besorgt an. „Ich muss aber lernen, sonst schaffe ich die Prüfung nicht." Will schüttelte seinen Kopf. „Du lernst den ganzen Tag. Irgendwann muss Schluss sein, sonst kippst du noch aus den Latschen.  Meinst du ich habe es nicht die anderen Nächte schon gemerkt, dass du dich aus dem Bett geschlichen hast?" Ja, eigentlich hatte ich das gedacht. „Ich wollte das eigentlich gestern schon ansprechen, aber da warst du so süß mit deinem Tablett in der Hand auf dem Sofa eingeschlafen." Mist, ich war eingeschlafen? Das hatte ich gar nicht gemerkt. „Ich muss aber nachts lernen, sonst reicht meine Zeit nicht. Am Wochenende habe ich doch immer keine Zeit durch die Auftritte.....und...." „Dann müssen wir Franky sagen, dass du etwas kürzer trittst", unterbrach mich Will. Ich schüttelte entschlossen den Kopf. „Nein, auf keinen Fall. Ich will Musik machen." Will atmete tief ein. „Okay, dann müssen wir trotzdem eine andere Lösung finden.  Kein Mensch kommt auf Dauer mit drei Stunden Schlaf aus." „Vier!", protestierte ich. Will schmunzelte kurz, ehe er mich wieder ernst anschaute. „Auch vier sind definitiv zu wenig. Zu wenig Schlaf ist genauso gefährlich wie zu wenig Essen. Und ich mache mir Sorgen, dass bei dir im Moment sogar beides der Fall ist. Du hast durch den Streß oder durch das unregelmäßige Essen schon abgenommen. Ich möchte einfach nicht erleben, dass es dir genauso schlecht wie meiner Mom geht." So besorgt und traurig wie er mich anschaute, zerschnitt es mir fast das Herz. Klar, hatte er schon so viel mit Tanja mitgemacht. Mist, warum hatte ich nicht früher daran gedacht? Ich wollte doch nicht, dass er sich um mich sorgte. „Ich passe schon auf, dass das nicht passiert", versuchte ich ihm so überzeugend wie möglich die Angst zu nehmen. „Das hat meine Mom auch jedes verschissene Mal zu mir gesagt", schnaubte er. Ich musste an Tanjas Anblick denken, als ich sie das erste Mal gesehen hatte. Nein, da war ich noch ganz weit von entfernt. Klar hatte ich vielleicht das eine oder andere Essen aus Zeitgründen ausgelassen. Aber das war doch etwas ganz anderes, als sich den Finger in den Hals zu stecken, weil man sich zu dick fühlte. War es das wirklich? Im Ergebnis irgendwie nicht. Und ehrlich gesagt fand ich es auch nicht so toll, wenn meine Hüftknochen so vorstanden. „Ich verspreche dir, dass ich ab jetzt immer darauf achte, dass ich das Essen vor Streß nicht vergesse." Ich beugte mich zu Will und küsste ihn auf die Lippen. Er begann zu grinsen und sah erleichtert aus. „Prima, dann können wir ja jetzt wieder ins Bett gehen und weiter schlafen, Snugglebee. Dann hast du morgen auch wieder viel mehr Kraft zum Lernen." Er schob seinen einen Arm hinter meinen Rücken und den anderen unter meine Oberschenkel. Mit einer fließenden Bewegung hatte er mich angehoben. „Wenn du nicht an mich gekuschelt bist, kann ich nämlich auch nicht schlafen", zwinkerte er mir zu. Ich musste schmunzeln. Das war die schönste Liebesbekundung überhaupt. Mein Blick schweifte noch einmal zu dem leuchtendenTablett auf dem Sofa. Ich würde den Stoff schon noch irgendwie in meinen Kopf bekommen. Optimistisch schmiegte ich meinen Kopf an Wills Schulter und drückte meine Lippen auf die stoppelige Haut an seinem Hals.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt