Kapitel 17

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„Bienchen, du siehst wunderschön aus." Luca beugte sich zu mir und gab mir einen Kuss auf die Wange, während wir weiter durch den Ort liefen. Sofort schoss eine Welle von Freude durch mich. Mit meinem neuen Dirndl hatte ich also alles richtig gemacht. Natürlich hatte ich die Schleife auch richtig gebunden. Zum Glück hatte eine Anleitung dazu beigelegen. Aber Luca war natürlich auch darüber begeistert gewesen. Immer wenn wir in Bayern waren, fiel mir erst auf, wie sehr er an seiner ursprünglichen Heimat hing. Die ersten Male hatte ich es einfach als Bedrohung gesehen und verdrängt, aber so langsam wurde mir klar, dass durchaus die Möglichkeit bestehen könnte, dass er irgendwann wieder hierher ziehen würde wollen. Ich war mir noch nicht ganz sicher, ob ich mich damit anfreunden konnte, denn meine ganze Familie lebte ja im Pott, aber...... nee, eigentlich stimmte das gar nicht. Ein Teil lebte ja auch in Berlin..... und trotzdem hatten wir Kontakt. Ich ließ meinen Blick schweifen. Ehrlich gesagt war die Natur hier ja auch ganz schön. Ach egal. Das war eine Frage, mit der ich mich beschäftigen konnte, wenn es soweit war. Ein weiterer Scan der Umgebung sagte mir, dass wir gerade außerhalb des Ortes waren. Wieso??? Luca blieb vor einem Haus stehen. Karwendelbahn stand auf einem Schild an der Häuserwand. „Was machen wir hier?" Luca schaute mich überrascht an und schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „Mensch Bienchen, das weißt du ja noch gar nicht. Die Trauung findet oben auf dem Karwendel statt. Das ist eine Überraschung von Andi für Dodo. Ich habe das auch erst gestern Abend erfahren", fügte er entschuldigend hinzu. Ich schaute zu den dünnen Seilen, die aus dem Haus hinauf zum Berg führten. „Aber wir fahren nicht mir der Seilbahn da hoch?" Ich hörte meine eigene Panik in meiner Stimme. „Wenn du nicht rauflaufen willst, schon." Rauflaufen, das war doch eine Option. Ich würde aber bestimmt nicht in diese kleine Gondel steigen, die da gerade an diesem dünnen Seil herunter geschaukelt kam. Es war ein Wunder, dass sie nicht schon auf die Erde gestürzt war. „Wie lange müssen wir laufen?" Der Berg sah zwar ziemlich hoch und schroff aus, aber das war garantiert nicht so schlimm. Wenn wir sofort losliefen, waren wir bestimmt in einer Stunde oben. Das war dann immer noch pünktlich zur Trauung. Warum fing Luca an zu lachen? „Biene, das ist locker eine vier Stunden Tour und bestimmt nicht in Trachtenklamotten. Das mit dem Laufen war ein Scherz." Nee, war es nicht. Vier Stunden. Meine Hoffnung bröselte langsam dahin. „Ich steige in das Ding nicht ein. Das hängt nur an so einem lächerlichen Bindfaden", protestierte ich. „Der lächerliche Bindfaden ist ein Stahlseil mit einem Durchmesser von sechs Zentimeter. Du steigst doch auch in ein Flugzeug. Das hat nicht einmal eine Absicherung mit einem Seil." „Nee, das hat ja auch Turbinen." Luca verzog sein Gesicht. „Ja, und die können ausfallen und dann macht das Ding plumps." „Aber da ist noch ein Pilot mit seinem Team, die notlanden können." Luca schüttelte wieder den Kopf. „Ja, und die Mehrzahl aller Unfälle im Verkehr finden durch individuelle Fehlentscheidungen der Menschen statt. Außerdem ist auch ein Begleiterin der Kabine mit an Bord." Ich verschränkte meine Arme vor der Brust. „Ich fahre da auf keinen Fall mit hoch." Luca schnaufte tief durch und schaute mich sauer an „Mensch Biene, jetzt mach hier nicht so ein Heckmeck. Wir sind das Kranzlpaar und müssen da oben sein, bevor die anderen kommen. Los jetzt. Du wirst es auch nicht bereuen. Der Ausblick ist wirklich atemberaubend." Was interessierte mich denn der Ausblick. Atemraubend war schon alleine der Gedanke in diese Klapperkiste an einem Bindfaden einzusteigen. Ich hatte nämlich langsam das Gefühl schon alleine bei dem Gedanken keine Luft mehr zu bekommen. „Auf wen wartet ihr denn?" Max, den schickte der Himmel. Bestimmt verstand er, warum ich da nicht einsteigen wollte. „Ja, hallo, ihr zwei", begrüßte uns auch LR gutgelaunt. Bestimmt wusste sie noch nicht, was da auf sie zukam. „Wir sollen mit der Seilbahn da hochfahren. Das ist doch Wahnsinn", weihte ich sie ein. Gleich würde ich Verbündete haben. „Ja, klar. Das ist echt eine so schöne Idee. Auf dem Berg zu heiraten." Wieso war LR so begeistert? Blöde schweizer Gene. Max legte mir seinen Arm um die Schulter. „Maja, das ist doch alles eine ganz sichere Sache. Die Bahn hängt an einem dicken Stahlseil und bewegt sich auf Grund der Hangabtriebskraft fort. Da kann also gar nichts passieren. Wir gehen da jetzt rein, und du stellst dich deinen Ängsten." Wie bitte? Der hatte doch einen Knall. Und das war mal mein Lieblingsbruder? „Ja los, stell dich nicht so an, Biene. Wir haben keine Zeit mehr für so ein Kindergartentheater." Luca zog ungeduldig an meiner Hand. Nicht mit mir. Wütend konnte ich auch und entzog sie ihm. Das konnte er vergessen. Kopfschüttelnd stampfte er los. „Dann bleib halt unten." „Na los, komm. Luca hat recht. Das ist echtes Theater." LR griff auch nach meiner Hand, genau wie Max. Waren die denn alle verrückt? „Ich fahre da nicht hoch", zickte ich sie an und drehte mich um. „Dann halt nicht, du Angsthase", kam es schnippisch von meiner Schwägerin zurück und die beiden folgten Luca und ließen mich stehen. Na vielen Dank auch. Enttäuscht und wütend schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper. „Wat isn Kleene? Du stehst hier ja inne Ecke mit eem Hängejesicht." Chris legte mir seinen Arm um die Schulter. „Leokardia, Max und Luca sind schon hochgefahren. Die verstehen nicht, dass ich Angst habe mit der Gondel zu fahren", schniefte ich. „Na sone Miesepimpel, Ick versteh dir jut. Du och, ne Dani" Er drehte sich zu seiner Frau um, die gerade zusammen mit Phil um die Ecke bog. „Was versteh ick?" Sie schaute ihren Mann fragend an. „Na dit man de Buchse voll hat, wenn man mit so eene Klapperbüchse den Berg hochfahren soll." „Oh ja.", nickte sie sofort. „Das ging mir früher auch so." Erleichtert atmete ich auf. Dann war das nämlich normal und kein Kindergartentheater. „Ich habe mir dann mal eine Doku über die Funktion so einer Seilbahn angesehen und seitdem habe ich keine Angst mehr. Und wenn mich Chris in den Arm nimmt sowieso nicht." Sie lächelte ihren Mann an, der sofort den Arm um ihre Taille legte. Toll. Mein Kerl war aber schon irgendwo zwischen hier und dem Gipfel.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt