Kapitel 145

312 50 16
                                    


Ich drehte mich um und schob mir mein Kissen unter dem Kopf zurecht. Meine Augen kniff ich fest zusammen und ich atmete tief durch. Bei meiner nächsten Drehung im Bett schaute ich auf die Uhr. Es war gerade einmal ein Uhr. Vor zweieinhalb Stunden waren wir ins Bett gegangen und seitdem versuchte ich einzuschlafen. Diesmal ließ ich meine Augen einfach offen und starrte durch den dunklen Raum. Meine Gedanken spielten in meinem Kopf Pingpong und wollten einfach nicht zur Ruhe kommen. Verflucht! Immer wieder erklang auch Jasis Stimme. Du bist Nummer eins in den Charts. Das musste doch ein Irrtum sein. Bestimmt war das ein Berechnungsfehler durch einen Computer, der spann. Das gab es doch oft genug. Oder jemand hatte da etwas manipuliert. Nee, das war Quatsch, das müsste dann ja ich sein. Also konnte ich das ausschließen. Vielleicht waren ja auch nur ein paar Server ausgefallen und nur meine Verkäufe wurden gewertet und die anderen kamen dann nachträglich dazu. Genau, so musste das sein. Trotzdem tauchte in meinem Kopf die Zahl auf, die Jasi genannt hatte. Das war eine utopische Zahl. Wieso sollten so viele Leute mein Album herunterladen und kaufen? Egal, ich sollte jetzt nicht über solchen Mist nachdenken, sondern lieber schlafen. Morgen früh musste ich fit sein, wenn Sina wieder zum Lernen kam. Es reichte schon, dass wir durch Jasis Besuch überhaupt nicht dazu gekommen waren. Das Beste wäre, wenn ich jetzt aufstand und lernte. Schlafen konnte ich ja scheinbar sowieso nicht. Dann war die Zeit wenigstens nicht verschwendet. Aber wenn Will mich dabei erwischte, war er garantiert gleich wieder besorgt. Das wollte ich ja auch nicht. Er hatte sich schon genug Sorgen gemacht in seinem Leben. Da musste ich ihn nicht auch noch mit welchen belasten. Nee, das wollte ich auf keinen Fall. Also drehte ich mich erneut vom Rücken auf die Seite. „Was ist denn los, Snugglebee?", ertönte Wills verschlafen Stimme neben meinem Ohr und er schlang seinen Arm um meine Taille. „Geht es dir nicht gut?" Seine Stimme klang schon wacher und vor allem besorgt. Mist! Ich wollte doch nicht mein Muffeltier aufwecken. Schließlich musste er morgen früh zur Arbeit und er brauchte seinen Schlaf. „Mm, alles okay. Ich kann nur irgendwie nicht einschlafen", beruhigte ich ihn schnell. „Ach Snugglebee! Dir geht das Gespräch mit Jasi durch den Kopf." Ich nickte nur. „Du hast Angst vor den ganzen Sachen, die jetzt auf dich zukommen könnten, stimmt's?" Wieder nickte ich. Es war schon fast beängstigend, wie gut Will mich kannte. Ihm könnte ich nie etwas vormachen. Er konnte mich einfach lesen. Will setzte sich im Bett etwas auf und zog mich mit sich, so dass mein Kopf an seiner Brust landete. Sanft strich er mit seinen Fingern durch mein Haar. „Snugglebee, das ist unglaublich, was du da in so kurzer Zeit mit deiner Stimme erreicht hast. Da träumen andere ein Leben lang von. Schau dir doch Chris an. Der freut sich schon, dass er überhaupt in den Charts ist." Ich schüttelte mit dem Kopf. „Das muss alles ein Irrtum sein. Chris ist viel besser als ich. Bestimmt haben die sich nur bei ihren Berechnungen geirrt." Will grunzte leise. „Ach Snugglebee, du schätzt dich selbst immer viel zu schlecht ein. Was mache ich nur mit dir, damit du einsiehst, was du für ein Talent hast? Die Leute lieben deine wundervolle Stimme. Deine Stimme geht einem einfach unter die Haut. Das ist weder ein Zufall noch ein Fehler, dass du da stehst, wo du stehst. Trotzdem weiß ich, dass dir das Angst macht." „Hast du Jasi zugehört? Ich soll was weiß ich wie oft im Fernsehen auftreten." Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Das waren alles keine kleinen Sendungen, sondern die am Samstag Abend! Und hast du gehört, was Jasi gesagt hat, als ich ihr erklärt habe, dass ich keine Zeit habe noch nach Dortmund zu Pia zum Haarefärben zu fahren?" „Ja, das du so ein Star bist, dass die Sender sie auch für dich einfliegen lassen, wenn du willst." Trotz der Dunkelheit sah ich das Schmunzeln in Wills Gesicht. „Das ist doch Wahnsinn!", empörte ich mich. Wills Hand strich sanft über meinen Arm, um mich zu beruhigend. „Du bist jetzt einfach ein Star, den alle unbedingt bringen wollen. Wenn du in deiner Garderobe weißblau gepunktete Orchideen willst, dann bekommst du sie, genau wie das Sprudelwasser aus unserem heimischen Wasserhahn, wenn du darauf bestehst. Das ist so im Musikbiz. Du entscheidest doch, wie es weitergeht. Und du bist es auch, die entscheidet, ob du einfach auf dem Boden bleibst oder abhebst. Nur weil alles möglich ist, muss man ja nicht alles bis an die Grenzen ausprobieren. Obwohl sich Pia garantiert freut, wenn sie mal nach Berlin darf. Und dir spart es die Zeit, die du für etwas anderes einsetzen kannst." Oh ja, die Zeit konnte ich mehr als gut zum Lernen gebrauchen. Ich knabberte auf meiner Innenlippe. Vielleicht sollte ich das mit Pia wirklich in Anspruch nehmen. War ja dann sozusagen eine Win-Win-Situation für uns beide. Und sie konnte sogar noch damit Werbung machen. Mir fiel aber schon der nächste riesige Brocken ein, der auf meinem Herzen lag. „Und dann die Tour!" Bei dem Gedanken an die ganzen Städte, die Jasi aufgezählt hatte, wurde mir speiübel. „Ja, das hörte sich ziemlich beeindruckend an. Warst du schon einmal in Barcelona, Madrid und Sevilla?" Ich überlegte kurz. „Wir waren als wir ganz klein waren mal mit Papa zu einem Spiel in Madrid. Aber da kann ich mich nicht mehr so richtig daran erinnern. Nur, dass das Stadion riesig war." „Und jetzt wirst du das Stadion halt füllen und die Leute begeistern. Genau wie dein Vater. Nur mit der Gitarre und der Stimme und nicht dem Fußball." Bei dem Gedanken an die vielen Leute drehte sich mir der Kopf. „Ich bin dann aber alleine und Papa war da mit einundzwanzig anderen." Will strich wieder beruhigend mit seiner Hand über meinen Arm. „Du bist doch nicht alleine. Du hast Fiete, Teddy, Mike und Tom. Und nicht zu vergessen einen megamäßigen Tontechniker an deiner Seite." Ich drehte meinen Kopf zu ihm. „Du kommst mit?" Das war meine allergrößte Angst gewesen, dass er nicht seinen Job im Studio aufgeben würde. Schließlich hatte er das bei Chris ja auch nicht gemacht. „Na meinst du, ich lasse dich da alleine durch die Gegend jetten. Natürlich komme ich mit. Einer muss ja auf dich aufpassen." Er räusperte sich kurz. „Also natürlich nur, wenn du das willst." Ob ich das wollte? Natürlich wollte ich das. Ich drehte mich zu ihm und küsste ihn ungestüm. „So, bist du jetzt beruhigt? Können wir jetzt schlafen?" Ich nickte und Will rutschte zusammen mit mir wieder tiefer in die Kissen. Sofort ploppte in meinem Kopf der nächste Gedanke auf. Ich schoss kerzengerade hoch. „Wie soll ich das denn alles mal so eben neben dem Studium schaffen?" Will zog mich wieder in seine Arme zurück auf seine Brust. „Snugglebee, das besprechen wir am besten mit deinen Eltern und Phil, wenn sie übernächste Woche kommen. Genau wie den Rahmen der Tour und alles andere", brummte Will. Ja, das war eine prima Idee. Phil und Mama kannten sich mit dem Studium aus und Papa mit der Öffentlichkeit. Beruhigt lauschte ich Wills Herzschlag und meine Augenlider wurden immer schwerer. Übernächste Woche würden wir das mit den drei klären. Übernächste Woche! Das waren nur noch vierzehn Tage maximal. Meine Augen waren schlagartig offen. Bis dahin musste ich alles für die Prüfung gelernt haben. Und ich musste einen Hausputz gemacht haben, damit hier alles ordentlich war, wenn sie kamen. Verflucht! Wie sollte ich das denn ohne Nachtschichten schaffen.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt