Kapitel 13

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„Was machst du denn hier?" Verwundert starrte ich Phil an, der an mein Auto gelehnt stand, als wartete er auf jemanden. „Ich warte auf dich." Wie, er wartete auf mich? Warum denn das? „Ich will mit dir reden." „Das heißt ich möchte", korrigierte ich ihn, so wie ich das auch immer bei Mari tat. „Nee, möchte würde ja bedeuten, dass es nur ein Wunsch ist, den man abschlagen kann. Ich will bedeutet aber, dass ich den festen Willen habe, von dem ich auch nicht abweichen werde." Großmäuliger Klugscheißer. Da hatte Papa doch eindeutig recht. „Ich habe jetzt aber keine Zeit", versuchte ich ihn abzuschütteln und öffnete mit der Fernbedienung mein Auto, um mich schnell hinter das Steuer zu setzen und abzuhauen. „Na umso besser, dass ich Zeit habe, denn dann begleite ich dich jetzt." Verflixt, das ging nicht. Noch ehe ich etwas sagen konnte hatte er sich schon auf meinem Beifahrersitz manifestiert und angeschnallt. Manno, was sollte ich denn jetzt machen. Mein Blick fiel wieder auf die Uhr. Die Zeit war äußerst knapp und zu spät kommen, kam überhaupt nicht in Frage. Also startete ich den Motor und fuhr los. Vielleicht konnte ich ihm ja erzählen, dass das nur ein vorübergehender Studentenjob war. Genau. Das würde er bestimmt schlucken. Und da man mich noch nicht exmatrikuliert hatte - auch wenn das nur noch eine Frage der Zeit war - so log ich ihn doch nicht an. Noch war ich eine Studentin, die einen Job hatte. Wortlos bog ich aus unserer Seitenstraße in die Hauptstraße ab und machte mich auf den Weg zum Stadion. Nur die Musik aus dem Radio war zu hören. Vorsichtig lugte ich zur Seite und schaute direkt in die Augen meines Bruders, die mich anstarrten. „So, und jetzt hau raus, was los ist." „Wie kommst du denn darauf, dass etwas los ist?" Unwissend stellen hatte doch noch nie geschadet. „Du warst gestern schon so komisch und heute hast du nur noch im Essen herumgestochert. Also ist mit Sicherheit was los. Hat es was mit dem Erbsenzähler zutun?" Wieso nannte er denn Luca auch so? „Soll ich ihn mir mal richtig vorknöpfen?" „Spinnst du? Mit Luca ist alles bestens", empörte ich mich. „Okay, wenn er es nicht ist, dann ist es das Studium. Also, was ist da los?" Manno, warum war der so helle, dass er das gleich herausbekam. Und seit wann interessierte er sich für mich und meine Probleme? Ich schluckte einmal und entschloss mich, einfach nicht zu antworten. Da er nicht weiter nachbohrte, schien das ja zu wirken. Blöderweise fuhr ich aber gerade auf den Parkplatz der Fanwelt. Das warf garantiert gleich die nächsten Fragen auf. Nachdem ich eingeparkt hatte, stellte ich den Motor aus. Noch ehe ich mich versah, hatte Phil sich meinen Autoschlüssel geschnappt. „Manno, was soll das?", fauchte ich ihn an, als er die Tür verriegelte. „Ich will jetzt Antworten, sonst kommst du hier nicht raus. Und du kannst gleich einmal damit anfangen, was du hier beim BVB willst." Die Antwort ein Hochzeitsgeschenk für Lucy kaufen, wäre wohl ziemlich unglaubwürdig. Ich schaute auf die Uhr im Display. Verflucht, in zwanzig Minuten ging meine erste Tour los und ein Blick in das entschlossene Gesicht meines Bruders sagte mir, dass er das durchaus ernst meinte. „Ich arbeite hier als Stadionguide und wenn ich da nicht gleich pünktlich erscheine, werde ich dort genauso rausgeschmissen wie aus der Uni", platzte es aus mir heraus und mir lief eine Träne über die Wange. „Du bist was?" Phil schaute mich mit großen Augen an. „Stadionguide", schniefte ich. „Das meinte ich nicht, sondern das mit der Uni. Wieso das denn? Hast du den Prof mit Bananenschalen beworfen, oder was?" Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich bin dreimal durch eine Prüfung gerasselt. Diese ganze Mathematik habe ich nicht gepackt." Wozu noch lange um den heißen Brei herumreden. „Warum hast du dann nicht mit Max oder mir gesprochen? Wir hätten doch jemand gefunden, der dir Nachhilfe gibt." „Ich hatte Nachhilfe", gab ich kleinlaut zu. „Tessa und Lucy haben mir Genia empfohlen, die hat einen Mathemaster. Und in der Nachhilfe habe ich auch alles gekonnt, aber in der Prüfung war es weg." Ein Schluchzen schlüpfte aus meiner Kehle. Ehe ich mich versah, wurde ich von Phil in seine Arme gezogen. „Diese beiden Mistbiester haben mich echt nicht eingeweiht. Und so wie es aussieht, hast du unseren Alten auch noch nichts gesagt. Weiß Luca Bescheid?" Ich schüttelte den Kopf. „Also nur Tessa, Lucy und ich?" Ich nickte. „Und wie sieht dein weiterer Plan aus?" „Ich arbeite hier erst einmal als Stadionguide, damit keiner etwas mitbekommt und suche mir einen Ausbildungsplatz, ehe ich es ihnen erzähle." Phil atmete einmal tief durch. „Das ist ein ganz schönes Brett. Aber wieso Ausbildungsplatz? Warum nicht ein anderes Studium? Es gibt doch noch genug Möglichkeiten?" „Welche? Niederländische Kunstgeschichte?" „Na nun sei man nicht so verächtlich. Van Gogh hat es auch in sich. Nee, aber da gibt es auch noch andere Sachen. Zum Beispiel Sprachen. Du warst doch immer gut darin. Oder Soziale Studiengänge. Oder Musik. Du warst doch früher ständig in der Musik AG." Okay, das hörte sich wirklich gar nicht dumm an. Klar hatte ich früher gerne Musik gemacht. Erst hatte ich mit der Blockflöte angefangen und dann war die Gitarre und das Keyboard dazugekommen. Ich hatte aber schon ewig nicht mehr gespielt. Wahrscheinlich konnte ich nicht einmal mehr Noten lesen. Aber Sprachen waren eine noch viel bessere Idee. Denn zwischen Englisch und Französisch hatte ich bei der Wahl des Leistungskurs geschwankt und mich letztlich für Englisch wegen der Informatik entschieden, deshalb war ich auch die, die mittlerweile immer die englischen Stadiontouren übernahm. „Mit einem Ausbildungsplatz musst du doch sowieso bis nächstes Jahr warten, aber einen Studiengangswechsel bekommst du garantiert noch durch." Wieso war ich da nicht schon vorher drauf gekommen? Vielleicht konnte ich dann ja Dolmetscher oder so etwas werden. Da gab es doch beim BVB bestimmt auch Bedarf für, so viele ausländische Kontakte wie sie hatten. Ich schaute wieder auf die Uhr. „Ich muss jetzt aber los." Phil grinste mich an. „Ist noch ein Platz in deiner Gruppe frei? Ich wollte mir den Kasten schon immer mal anschauen." „Tempel", korrigierte ich ihn. „Dann halt Tempel. Und in den nächsten Tagen schauen wir uns mal das Studiengangsverzeichnis zusammen an." Ich nickte. „Aber Papa...", schoss es mir heraus. „Der alte Mann wird von mir nichts erfahren, genau wie alle anderen. Ich halte dicht." Spontan umarmte ich ihn. Tessa hatte echt recht. Wenn man Probleme hatte, konnte man sich auf Phil verlassen. Vielleicht avancierte er gerade zu meinem neuen Lieblingsbruder. „Na dann zeig mir mal euren Tempel." Erlegte seinen Arm nachdem wir ausgestiegen waren um meine Schulter und lief mit mir Richtung Fanshop. Ein gutes Gefühl breitete sich in mir aus. Vielleicht gab es ja doch noch eine Möglichkeit weiter zu studieren. Mit Phil an meiner Seite würde ich sie auf alle Fälle finden, wenn es sie denn gab. Der kleine Hoffnungsschimmer am Horizont strahlte mir entgegen.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt