Kapitel 88

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„Das war voll cool." Stella strahlte mich begeistert an und stöpselte sich genau wie Luna ihre Kopfhörer ins Ohr. Die beiden waren total begeistert von Wills Tonstudiotour. Und am meisten begeistert waren sie natürlich, dass sie sogar ihren Lieblingssong covern durften und der ganz professionell von ihnen aufgenommen wurde. Und genau den hatten sie jetzt gerade auf den Ohren und würden ihn wahrscheinlich die nächsten Stunden in Dauerschleife hören. Will hatte allen die Möglichkeit gegeben kurz etwas einzusingen. Selbst Papa hatte irgendein altes Lied geträllert. Ihn hatte es aber mehr fasziniert an den ganzen Reglern zu spielen. „Das ist echt gar nicht so einfach, was dein Freund da macht." Papa schien schwer beeindruckt von Wills Arbeit. „Die ganzen Regler und dann noch die Arbeit mit dem PC." Er fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken. „Da muss man echt was drauf haben. Das hätte ich nicht gedacht." „Na toll, wieder ein neues Lieblingsschwiegerkind", hörte ich hinter mir leise Leokardias Stimme. „Kommt lasst uns noch ein bisschen in den Britzer Garten gehen. Wir waren jetzt lange genug in dem Studio", schlug Mama vor. „Britzer Garten?" Papa schaute sie gelangweilt an. „Was sollen wir denn in irgendeinem Garten? Dann können wir ja auch gleich zu deinen Eltern in den Garten gehen." „Der Britzer Garten ist das ehemalige Bundesgartenschaugelände und kein Garten sondern ein Park. Da gibt es einen See, diverse Restaurants, einen Drachenberg, Wasserspielplätze und sogar Tiergehege und eine Eisenbahn, Schnutzelchen", klärte Mama ihn auf. „Na, dann lasst uns da hinfahren." Papa schien plötzlich begeistert. Mama schüttelte nur den Kopf. „Wir müssen nur einmal über die Straße, dann sind wir schon da." Mariska begann vor Freude zu hüpfen „Spielplatz, Eisenbahn" Da war wohl schon klar, was auf dem Programm stand. „Kann man da auch Fußball spielen?" Auch Bennis Interesse war geweckt. Mama nickte. „Na, dann los." Er klopfte grinsend auf seinen Rucksack. Scheinbar ging er nie ohne Ball aus dem Haus. „Dieser Franky scheint mir aber auch ein ganz vernünftiger Kerl zu sein." Mama hatte sich bei mir untergehakt. Ich nickte. So genau kannte ich ihn ja auch noch nicht. Aber er machte einen wirklich netten Eindruck. Und was Will von ihm erzählt hatte, ließ auch darauf schließen, dass es nicht nur ein Eindruck war, sondern dass er wirklich ein netter war. „Ich habe mir so ein Studio auch irgendwie viel dunkler und verruchter vorgestellt. So mit Drogengeruch in der Luft und irgendwelchen total abgefahrenen durchgeknallten Typen." Papa hatte wohl zu viele Hollywoodstreifen gesehen. „Aber das ist da ja alles total hell und modern eingerichtet. Und ich habe mit Franky schon gesprochen, dass wir den Vertrag checken lassen und es eventuell noch einige Änderungen geben wird. Das ist kein Problem für ihn." Das Zusammentreffen der beiden schien Papa beruhigt zu haben. „Eisenbahn fahren", quietschte Mariska. „Au ja", jubelten auch gleich Stella und Luna, die heute scheinbar gehfaul waren. „Ich wollte aber Fußball spielen", maulte Benni. Mama ließ den Blick über uns alle wandern. „Also ich fahre mit dem weiblichen Teil der Familie eine Runde mit der Bahn und der männliche Teil kann dann ja hier auf der großen Wiese kicken." „Aber Max und Phil haben doch überhaupt keine Ahnung." Benni traute seinen Brüdern nichts zu. Jedenfalls, wenn es um Fußball ging. Und damit hatte er ja auch recht. „Wir sind die Schiedsrichter", beruhigte Phil ihn grinsend und seine andere Hälfte nickte. Die beiden waren sofort wieder in ein Gespräch vertieft. Zwillinge halt. „Ich gehe dann hier etwas spazieren. Ich habe keine Lust auf so eine blöde Eisenbahn und auf Fußball auch nicht", kam es leicht schnippisch von Leo und sie schaute sauer zu ihrem Mann, der das aber gar nicht weiter zur Kenntnis nahm. „Ich gehe mit dir spazieren", bot ich mich an. Das war doch gleich eine gute Möglichkeit das Freundinnen-Gespräch zu führen, das ich mir vorgenommen hatte. Sie schaute mich etwas überrascht an. „Macht das mal", zwinkerte auch Mama mir zu. Dann war ihr wohl auch aufgefallen, dass da irgendetwas nicht rund lief. „Wollen wir zu der Tulpenausstellung gehen?" Ich hatte gerade ein Hinweisschild entdeckt. Oma hatte gerade an Ostern Onkel Alex und seiner Frau von dieser Tulipan vorgeschwärmt. Und so wie Leo Blumen liebte, sorgte es bestimmt erstens für bessere Laune und zweitens für eine entspanntere und offenere Haltung bei meinem geplanten Gespräch. Als Antwort auf meine Frage bekam ich nur ein kurzes Nicken und wir liefen schweigend nebeneinander her. Verflixt, wie sollte ich denn beginnen, ohne Leo unter Druck zu setzen. Vielleicht ganz unverfänglich. „Und wie hat es dir im Studio gefallen." „War ganz nett" Irgendwie klang das nicht überzeugend. „Wieso hast du eigentlich nichts aufgenommen?" Leo war die einzige gewesen, die sich geweigert hatte ans Mikro zu treten. „Weil ich nicht auch noch mithelfe damit dieser Kerl der neue Liebling der Familie wird", platzte es sauer aus ihr heraus. Wie bitte? „Sag mal spinnst du! Will ist nicht dieser Kerl, sondern mein Freund und er soll und will nicht der neue Liebling der Familie werden. Ich will einfach nur, dass ihr ihn akzeptiert. So wie ihr Luca akzeptiert habt. Und Leo. Und so wie alle dich akzeptiert haben." „Ich gehöre doch nur von kleinauf irgendwie dazu", schnaubte Leo. Das glaubte sie doch wohl selbst nicht. „Du bist doch Papas unangefochtener Liebling." Sie schüttelte ihren Kopf und ihre langen Locken flogen wild hin und her. „Das bin ich doch schon lange nicht mehr." Sie hörte sich verbittert an. „Na klar bist du das. Was meinst du wie oft ich schon eifersüchtig auf dich war, weil Papa dir mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat." Das war nicht nur eine Floskel, sondern stimmte wirklich. Eine zeitlang, als ihr Vater sich so dämlich benommen hatte, waren Papa und Mama ständig um Leo herum. Okay, ich hatte mich nicht wirklich zurückgesetzt gefühlt, weil ich ja immer Tessa noch hatte, aber ...... trotzdem war das damals irgendwie.....irgendwie....ach keine Ahnung.....komisch traf es wohl am besten. „Ja, das war einmal. Bei deinem Vater zählt der, der Enkelkinder bringt. Und wenn der auch noch Fußballer ist. Leo ist doch nun sein Liebling. Und so wie er heute mit Will umgegangen ist." Sie machte eine kurze Pause. „Ihr braucht nur noch ein Baby und schon seid ihr an der Spitze des Reus Kosmos." Man, hörte sich das zynisch an.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt