„Keine Angst, wir wollen jetzt garantiert keine Kinder. Ich kann dir noch nicht einmal sagen, ob ich überhaupt jemals welche will", versicherte ich Leo. Die schnaubte nur. „Das hätte Tessa auch gesagt. Und du siehst ja, was jetzt ist." Ja gut, das stimmte schon. Aber es war doch Blödsinn, den ganzen Sinn des Lebens an einem Kind fest zu machen. Und noch viel größerer Blödsinn war es, wenn man glaubte mit einem Baby die Beliebtheit zu steigern. Wenn das der Fall wäre, dann könnte ich gut darauf verzichten beliebt zu sein. „Und wieso willst du unbedingt jetzt schon ein Baby? Du bist doch gerade erst zwanzig und Max einundzwanzig. Ihr seid noch nicht einmal mit dem Studium fertig. Wieso wartet ihr nicht einfach, bis ihr euch etwas aufgebaut habt? Du willst doch auch Karriere als Designerin machen." Wieder schnaubte Leo nur, ehe sie ihren Mund dann doch öffnete. „Du fragst nicht wirklich, wieso." Sie schüttelte ihren Kopf. „Meinst du, ich habe Lust immer nur alleine in der Wohnung zu sitzen und zu warten bis Max mal wieder vorbeischaut?" Ihre Augen glitzerten gefährlich. „Er ist doch immer nur an der Uni oder in der Klinik." Sie machte eine kurze Pause. „Oder wer weiß wo und bei wem", schniefte sie plötzlich. Ich schaute sie schockiert an. Sie glaubte doch nicht wirklich, dass Max eine andere hatte? Also bei einem war ich mir total sicher. Nämlich dass Max nicht einmal eine andere anschauen würde, selbst wenn sie sich ihm nackt auf den Bauch band. So gut kannte ich meinen Bruder. Er war die Ehrlichkeit und Treue in Person. Außerdem hatte er Leo schon immer vergöttert und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Die beiden waren einfach füreinander bestimmt. „Max hat nur Augen für dich", verteidigte ich meinen Bruder. Wieder ertönte ein Schnauben. „Aber nur, wenn er gerade nichts anderes zu tun hat. Vor zwei Wochen, da habe ich ihn auch angerufen, weil meine App mir das Signal gegeben hat. Und da ist er auch erst fünf Stunden später gekommen", empörte sich Leo. Wovon redete sie? Wenn sie meinen Bruder wegen eines Notfalls anrief, würden seine Autoreifen schon qualmen, bevor das Gespräch beendet war. Aber Moment mal... „Was für eine App?" Leo schaute mich an, als wäre ich total unterbemittelt und hätte sie gefragt, was eins plus eins ergibt. „Na die Schwangerschafts App!" „Die Schwangerschafts App?" Ich kannte diese App von Tessa als sie mit meinen beiden Nichten schwanger war. Da hatten wir ab und zu nachgeschaut, welche Entwicklung sie gerade durchmachten und was sonst noch gerade alles so wichtig war. Aber was machte Leo damit? Und was signalisierte die bitte? „Ich denke, du bist noch nicht schwanger?" Leo schüttelte verständnislos ihren Kopf und schaute mich wirklich wie jemanden an, der für alles zu dumm war. „Nein, bin ich ja auch nicht. Deshalb habe ich ja die App, du Dummerchen." Okay, sie hatte nicht nur so geschaut, sie verlieh dem ganzen auch verbal Ausdruck. „Aha" Über meinem Kopf schwebten mindestens drei Fragezeichen. „Die App rechnet genau aus, wann der beste Moment zur Zeugung eines Kindes ist und gibt dann Signal." Okay, die Fragezeichen waren verschwunden. „Dann habt ihr also Sex nach App?", fragte ich schockiert. Das war ja fast wie nach Stoppuhr. Boah, war das gruselig. Wenn ich mir vorstellte, ich müsste mit Will schlafen, weil mein Handy piepte. Nee, das ging ja gar nicht. Sofort tauchten in meinem Kopf Bilder auf. Bei Will und mir ergab sich das immer einfach so. Wir knutschten und dann kam halt eins zum anderen. Ich konnte mir echt nicht vorstellen, dass man das so auf Knopfdruck machte. Das war doch krank. Wie sollte denn da das richtige Gefühl aufkommen. Das war doch nicht nur rein, raus. Da gehörte doch so viel mehr zu. Das hatte ich bei Will gelernt. „Natürlich, sonst wird das ja nie etwas mit dem Baby. Da muss man schon den richtigen Zeitpunkt treffen." Nee, musste man nicht. „Habt ihr denn nie einfach nur so Sex?" Leo schaute mich irritiert an. „Natürlich haben wir den. Wann immer Zeit dafür ist. Sonst kommen wir ja nie zum Erfolg." Ich bekam echt Mitleid mit meinem Bruder. Der musste sich ja wie ein Deckhengst vorkommen. Kein Wunder, dass er so selten zu Hause war, wenn sich dort nur alles um dieses eine Thema drehte. Ganz abgesehen davon, dass er ja auch dafür arbeiten musste, seiner Frau ihre doch gerne kostspieligen Wünsche zu erfüllen. „Vielleicht solltet ihr mal den Druck aus der ganzen Sache nehmen und es einfach dem Lauf der Natur überlassen", schlug ich vor. Wenn sie wieder auf Gefühle und Romantik setzen würden, dann wären sie garantiert auch lockerer. Also abgesehen davon, dass sie dann wahrscheinlich auch wieder Spaß an der ganzen Sache hätten, würde sich bestimmt auch die Blockade von Leos Eierstöcken und Max kleinem Freunden lösen. Wahrscheinlich zitterten die alle schon, wenn sie das Handy piepsen hörten. Ich musste ein Kichern unterdrücken, weil in meinem Kopf sich dieses Bild visualisierte, obwohl nur eine Nachricht von Leo einging, weil Max etwas zum Abendbrot mitbringen sollte. Obwohl wahrscheinlich schrieben sie sich gar keine anderen Nachrichten mehr. Nee, das war absolut nicht zum Lachen. „Dem Lauf der Natur!" Wieder hörte sich Leo verzweifelt an. „Da läuft nichts. Meinst du ich bekomme nicht die Blicke von allen mit. Ehe sie mir ins Gesicht schauen, schauen sie auf meinen Bauch. Ich komme mir wie eine Versagerin vor. Wir haben bald unseren zweiten Hochzeitstag." Den letzten Satz ließ sie in der Luft hängen. Ja und? Das war der zweite und nicht der zwanzigste Hochzeitstag. Außerdem bildete sie sich das mit den Blicken doch nur ein. Ich hatte ihr noch nie auf den Bauch gestarrt. Und meine Geschwister garantiert auch nicht. Das war doch Blödsinn. Die einzige, die sich hier Druck machte war sie. Ich war mir sicher, dass nicht einmal Max ihr Druck machte, schließlich war er doch angehender Mediziner und wusste am besten, dass es so nicht funktionierte. Ich war mir nicht einmal sicher, dass er überhaupt schon so dringlich ein Kind wollte. Nee, eigentlich machte sie ihm den Druck. Und wenn sie damit nicht aufpasste, vertrieb sie ihn wirklich noch. Obwohl nee. Das schloss ich aus. Max war der stille Dulder. Ja, seine Schuld war es höchstens, dass er sie nicht mal in die Schranken wies und auf den Boden der Realität zurückholte, weil er sie fast bis zur Selbstaufgabe liebte. „Das ist doch Blödsinn. Keinen Menschen, außer Max und dich, interessiert es, wann und ob ihr ein Kind bekommt. Das ist doch alleine euer Ding. Die Frage ist doch viel mehr, warum bist du so versessen auf ein Baby?" Die Frage musste ja mal gestellt werden.
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Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9 ✔️
Teen FictionMaja hat ihre große Liebe in Luca schon sehr früh getroffen. Jedenfalls glaubte sie das. Mittlerweile ist sie sich da nicht mehr ganz so sicher. In letzter Zeit kommt es immer öfter zum Streit und nicht selten ist das Studium der Auslöser. Hat sie w...