Kapitel 105

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Den ganzen Rest der Woche hatten die Jungs und ich geprobt. Es hatte richtig Spaß gemacht. Vormittags war ich immer für ein bis zwei Stunden in der Uni und der Nachmittag gehörte dann der Musik. Und am Abend hatten Will und ich versucht noch ein paar Lieder fertig zu bekommen, damit wir demnächst das Album aufnehmen konnten. Franky hatte da schon ein bisschen Druck gemacht, dass es möglichst bald raus musste, um noch das Sommergeschäft zu nutzen. Okay, ich wusste, dass das so nicht weitergehen konnte, auch wenn es mir riesigen Spaß machte. Demnächst standen wieder die Prüfungen an und es wurde langsam Zeit, dass ich mit dem Lernen anfing. Ja, ich hatte das Studium in den letzten Wochen definitiv zu sehr schleifen lassen. Aber das würde sich ja ab Montag ändern. „Hallöle." Franky umarmte mich zur Begrüßung. „Und wie gefällt es dir hier? Der Laden ist nachher proppevoll. Es ist jetzt schon ausverkauft." Er deutete mit einer alles umfassenden Handbewegung auf den noch leeren Club. Ehrlich gesagt, sah das hier alles beängstigend riesig aus. Und wenn ich mir da noch die ganzen vielen Menschen vorstellte......spontan wurde mir übel.„Da hinten können wir ab nächster Woche einen Merch-Stand aufbauen. Das habe ich gerade mit Torte abgeklärt." Merch-Stand? Was wollte er da bitte verkaufen? „Ich habe da schon so einen Laden klar gemacht, der bedruckt T-Shirts, Hoodys und noch so ein paar andere Sachen. Wir brauchen nur noch ein cooles Foto von dir." Wie bitte? Von mir gab es keine coolen Fotos. Ich sah auf den Dingern immer eher aus, als wäre ich ein verschrecktes Reh im Scheinwerferlicht. Wer sollte überhaupt so etwas mit meiner Fratze kaufen? Oder anders gesagt, warum sollte das jemand kaufen? „Ich habe da aber schon mit deiner Managerin gesprochen. Sie hat wohl eine gute Fotografin an der Hand. Die kommt dann am Montag nach Berlin. Also halte dir den Tag frei." Ich nickte. Wenn Jasi die Fotografin stellte, dann konnte das doch nur Lisa sein. Das beruhigte mich irgendwie, denn sie schaffte es wirklich, von jedem tolle Fotos zu machen. Ihre Bilder waren echte Kunstwerke. Trotzdem zweifelte ich, dass irgendwer so etwas von mir kaufen würde. „Und Dienstag bis Donnerstag machen wir dann die Albumaufnahmen. Also haltet euch die Tage komplett frei." Franky hatte sich auch an Mike, Teddy, Fiete und Tom gewandt, die sich zwischenzeitlich zu uns gesellt hatten. „Wenn wir richtig Tempo geben, können wir dann auch nächsten Freitag schon das Album am Merch-Stand mit unter die Leute bringen." Frankys Grinsen wurde immer breiter. „Das wird der Hammer. Da sind wir gerade noch richtig on time für den Sommerhit. Ich sage euch, das Ding geht hier weg wie warme Semmeln. Und dann dauert es keine Woche bis wir auch bei Spotify und den anderen gerankt werden. Und dann boom...." Er deutete mit seinen Händen eine Explosion an. „Ich habe dafür ein Näschen, glaubt mir. Das wird der ganz große Knaller." Ich musste lachen. Ja, genau. Er hatte das Näschen dafür. Deshalb wurden in seinem Studio auch hauptsächlich Werbespots aufgenommen. „Das Ding geht aber so was von durch die Decke", begann auch Mike zu schwärmen. „Joa, hat echt Potential", überschlug sich Fiete fast in seiner sparsamen friesischen Art. „Man, die Weiber werden mir zu Füßen liegen, wenn wir erst auf Europa Tour sind. Italien, Spanien, Frankreich, England. Ich werde an jedem Ort ein gebrochenes Herz zurück lassen." Ja, Teddy setzte seine Prioritäten. Nur Tom sagte nichts. Aber auch das war normal, wie ich in den letzten Tagen festgestellt hatte. Er war der ruhigste von allen. Das fand ich ehrlich gesagt sehr angenehm. Auch wenn er nicht viel redete, kam er mir trotzdem irgendwie ziemlich vertraut vor. So als kannte ich ihn schon viel länger. Ich konnte aber nicht festmachen, woran das lag. „Ihr habt doch alle einen Knall", mischte sich jetzt auch Will ein und reichte mir die Thermoskanne mit dem Melissentee. „Das ist hier einfach nur ein Auftritt in einem Club und das wird es auch die nächste Zeit bleiben." Er legte seinen Arm um meine Schulter. „Maja macht das nur als Nebenjob. Das Studium geht vor." Da hatte er absolut recht. „So ein Quatsch. Deine Biene ist für die Bühne geboren und nicht, um ein paar Rotzlöffeln was beizubringen." Teddy hatte da seine feste Meinung „Komm, ich habe dir einen Raum besorgt", flüsterte mir Will ins Ohr und zog mich mit sich. Als die Tür hinter uns zu fiel, zog er mich in seine Arme und küsste mich. Ja, das war immer noch die beste Ablenkung von meinem Lampenfieber, das so langsam wieder begann einzusetzen. Als er sich von mir gelöst hatte, hielt er mich trotzdem noch mit seinen Armen umschlungen und strich mir sanft über den Rücken. „Du rockst das heute. Die Jungs sind ja auch da. Und ich auch." Ich nickte an seiner Schulter. Ja, heute musste ich nicht ganz alleine auf die Bühne und mich den 1500 Leuten stellen. Das beruhigte mich ein kleines bisschen, wenn auch nicht viel. Ich hatte immer noch Angst, dass mir einfach die Stimme wegblieb oder ich den Text vergaß. „So, ich muss jetzt aber wieder raus, den Rest vorbereiten." Will drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn und verschwand. Ich schaute mich in dem Raum um. Das musste wohl ein Lager- oder Abstellraum sein, bei so vielen Regalen, wie es hier gab. Ich schraubte den Verschluss von der Thermoskanne auf und goss mir vorsichtig den Tee ein. Ein leises Klopfen war an der Tür zu hören. „Herein!" Ganz langsam wurde sie geöffnet und Toms kupferfarbener Schopf erschien im Türrahmen. „Soll ich dir etwas Gesellschaft leisten?" Eigentlich war ich ja immer lieber alleine, aber heute.....wieso eigentlich nicht? „Gerne" Lächelnd schloss er die Tür hinter sich und kam zu mir gelaufen. „Du hast stage fright, nicht wahr?" Ich nickte. „Ja, ich habe tierisches Lampenfieber." Keine Ahnung warum, aber es machte mir nichts aus, ihm das zu sagen. Irgendwie hatte ich Vertrauen zu ihm. Damit gehörte er zu den wenigen, die überhaupt davon wussten. „Ich kann dich gut verstehen. Du musst versuchen ganz ruhig zu atmen. Und dann ein paar Relax Übungen machen." „Du meinst Entspannungsübungen?" Ich fand es immer niedlich, wenn er ein paar englische Wärter einfließen ließ, auch wenn er fast perfekt deutsch sprach. Das war genauso niedlich wie sein Akzent. Immerhin wusste ich ja jetzt schon, dass er eigentlich aus England kam. „Ja, Entspannung ist ganz wichtig. Wollen wir das zusammen machen?" Also bei Teddy wäre das garantiert eine zweideutige Sache gewesen, aber bei Tom hatte ich da gar keine Zweifel. Er meinte es so, wie er es sagte. Also nickte ich. Ja, das konnte ja nicht schaden. Mit Marcel zusammen hatte das Atmen ja auch geholfen und vielleicht hatte Tom ja zusätzlich ein paar neue Ideen, die mir halfen.
„Mensch, wo seid ihr denn? Es geht gleich los." Fiete hatte die Tür aufgerissen und war in den Raum gestürzt. Ich atmete noch einmal tief ein und öffnete meine Augen. Ja, jetzt konnte es losgehen. Ich würde das Ding rocken. Voll motiviert folgte ich Fiete zur Bühne. Mein Blick fiel in das Publikum, das schon erwartungsvoll davor stand. Oh mein Gott! Ich blieb abrupt stehen. Das waren unendlich viele Gesichter. In meinem Rücken fühlte ich zwei Hände, die mich sanft weiter schoben. „Du schaffst das." Tom, der hinter mir gelaufen war, zwinkerte mir aufmunternd zu. Mein Blick ging wieder zum Publikum und mein Magen fuhr Achterbahn. Aber nicht so eine einfache, sondern eine mit mehreren Loopings. Nein, ich konnte das nicht. Das waren viel zu viele Leute. Was sollten die denn denken, wenn ich hier mich plötzlich übergab? Mein Blick ging zu Will am Mischpult. Neben ihm stand Phil und hielt gleich zwei Handys in die Luft. Stimmt, heute wollte mich ja nicht nur Tessa unterstützen, Leo und Max wollten ja auch dabei sein. Nein, die konnte ich auf keine Fall enttäuschen. Ich machte ein paar Schritte und griff mir meine Gitarre. Heute gab es zum ersten Mal keinen Barhocker. Das sah ja irgendwie blöd aus, wenn alle standen und nur ich saß. Ich warf noch einen kurzen Blick auf das Plektron in meiner Hand und strich einmal mit meinem Finger über das Bild. Und dann war da auch schon der erste Akkord und ich tauchte ab in die Musik....

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt