„Sie ist was?" Will schaute mich schockiert an. „An Krebs im Februar gestorben", wiederholte ich also noch einmal ganz ruhig mein Wissen. Schlagartig verfinsterte sich Wills Gesicht. Es war fast, als ob eine Jalousie gefallen wäre. „Ja, da hat William-Superarschloch wohl die nächste Frau auf dem Gewissen." Will schüttelte wütend seinen Kopf. „Das tut mir echt leid für Tom, aber ich muss dafür sorgen, dass Tanja nicht die nächste wird. Er soll uns einfach in Ruhe lassen und sich wieder auf die Insel verziehen." So hatte ich Will noch nie erlebt. Klar wusste ich, dass er immer Angst um seine Mama hatte. Das war bei seinen Erfahrungen ja auch kein Wunder, aber trotzdem war er doch sonst der mitfühlendste Mensch in Person. Wie konnte es sein, dass er da so dicht machte? „Wenn Tanja wegen dem wieder zurückfällt, würde ich es mir nie verzeihen. Sie ist doch alles, was ich habe." Eigentlich sollte ich gerade sauer werden, dass ich scheinbar nichts war. Aber mir war schon klar, wie er das meinte. Ich hatte eine riesige Familie und würde wahrscheinlich niemals in die Situation geraten, nur eine Person noch meine Familie nennen zu können. Jedenfalls hoffte ich das. „Und Tom hat nicht mal mehr das. Er hat mir erzählt, dass seine Großeltern auch schon alle tot sind und er jetzt ganz alleine da steht. Er hat also nur noch dich und Chris, von dem er nicht einmal wusste. Er hat nur euch als große Brüder." Mir war schon klar, dass das ein ziemlich gemeiner Schachzug war. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es nicht nur für Tom gut war, wenn er Familie bekam, sondern auch für Will, wenn da noch jemand war, der auch zu ihm gehörte, außer Tanja und Chris. „Wie hättest du dich denn gefühlt, wenn Tanja etwas passiert wäre und du niemanden gehabt hättest? Und dann hättest du erfahren, dass es da Chris gibt. Wärst du nicht auch zu ihm, um ihn kennenzulernen?" Natürlich war das gerade ziemlich fies in die Psychokiste gegriffen. Aber ich wüsste sonst nicht, wie ich Will dazu bringen sollte, sich Tom zu öffnen. Will starrte wieder einfach nur auf das Meer. „Mensch Muffeltier, er hat in England alles verkauft, nur, um zu dir zu kommen. Weißt du welche Hoffnungen er in dich setzt? Es ist noch nicht einmal ein halbes Jahr her, dass er seine Mutter verloren hat." Wills Blick ging zu mir. In seinen Augen sah ich Betroffenheit......und Unsicherheit. „Snugglebee, was soll ich denn machen? Klar, tut mir Tom leid. Aber da ist auch noch Tanja." Ich rutschte auf seinen Schoß und schlang meine Arme um ihn. „Tanja muss ja erst einmal nichts von Tom erfahren. Außerdem habe ich das Gefühl, dass sie in Dortmund einen echten Neustart geschafft hat. Meine Mama passt da schon auf, dass da nicht wieder etwas schief läuft, da kannst du drauf vertrauen." Ja, Mama und Tanja waren in der kurzen Zeit nicht nur durch ihre Zusammenarbeit verbunden, nein, sie hatten sich auch so zu richtig guten Freundinnen entwickelt. Das hatte Mama mir gerade erst gestern erzählt. Sie trafen sich auch privat und Tanja hatte zusammen mit Mama das Segeln für sich entdeckt. „Wusstest du, dass Tanja sogar mit Mama segeln geht?" Will schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Nee, echt? Eigentlich hasst sie doch alles, was mit Wasser zutun hat. Sie hat sich früher sogar geweigert, mit mir mit einem Haveldampfer zu fahren, weil sie angeblich seekrank wird." Will schmunzelte. „Du hast recht. Franzi kann manchmal echt überzeugend sein." Ich schüttelte den Kopf. „Nicht manchmal, immer. Frag mal meinen Papa." Will fing an zu lachen. „Ja, Marco tanzt so ziemlich nach ihrer Nase, auch wenn er es nicht zugeben würde." Apropos Papa. „Hast du Papa von Tom erzählt? Oder warum ist er mit Leon wie zu Karneval herumgelaufen?" Wills Gesicht wurde wieder ernst. „Ja, ich habe mit Marco gesprochen, weil du doch ständig so nervös warst und das Gefühl hattest, verfolgt zu werden. Er wollte wohl ein paar Bodyguards für dich engagieren, aber das hat nicht so schnell geklappt. Und weil ihr so lange weg wart, wollte er sich mit Leon selbst darum kümmern. Man, wir haben uns echte Sorgen gemacht." Will fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare, so wie er es immer tat, wenn er sich sorgte. „Sowohl Tessa als auch Lucy und du, ihr habt überhaupt nicht auf unsere Nachrichten geantwortet." Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass ich welche bekommen hatte. Wahrscheinlich, weil wir so in das Gespräch mit Tom vertieft waren. „Wie wolltet ihr uns denn da in Eivissa überhaupt finden?" „Marco hat zusammen mit Leon da irgendwen angerufen, der euch orten sollte." Aha, mal wieder die Pott-Mafia am Werke. „Aber von ihren Verkleidungen wusste ich auch nichts." Will grinste breit, ehe sein Gesicht wieder einen besorgten Ausdruck annahm. „Mensch, Snugglebee, ich hatte so eine verschissene Angst, dass da draußen irgendsoein Irrer ist, der es auf dich abgesehen hat." Ja, die Angst war ihm anzusehen und eine riesige Welle schlechtes Gewissen schlug über mir zusammen. „Das wollte ich doch nicht, Muffeltier." Ich schmiegte mich an ihn und spürte seinen schnellen Herzschlag an meiner Brust. „Ich war ja nicht alleine.", versuchte ich ihn noch zu beruhigen. „Tessa und Lucy waren ja auch da." Er schüttelte seinen Kopf. „Man, man, man. Ich darf mir gar nicht ausmahlen, was mit eurer Aktion passieren hätte können, wenn Tom wirklich ein Irrer gewesen wäre und nicht mein Bruder." Ein Grinsen stahl sich in mein Gesicht. Er hatte Tom das erste Mal so genannt. Das war doch ein gutes Zeichen. „Wie soll ich denn jetzt überhaupt mit ihm umgehen? Ich war doch noch nie großer Bruder." Da war wieder diese Unsicherheit in seinem Blick. „Nee, aber du warst schon ein ziemlich guter kleiner Bruder. Also wirst du ein noch viel besserer großer", zwinkerte ich ihm zu. „Sei einfach du und gib Tom eine Chance. Sei für ihn da. Dann läuft das schon." Will nickte und zog mich ganz fest an sich. „Womit habe ich dich nur verdient, Snugglebee!" „Das frage ich mich auch manchmal", rutschte es mir heraus und ich musste kichern. „Du kleines Biest bist viel zu viel mit Tessa in letzter Zeit zusammen", schmunzelte Will und begann mich zu kitzeln. Quietschend ließ ich mich rückwärts in den Sand fallen und zog ihn mit mir. Unsere Lippen fanden ziemlich schnell zusammen zu einem leidenschaftlichen Kuss. Plötzlich spürte ich etwas nasses, kaltes im Gesicht. Will und ich fuhren erschrocken auseinander und schauten in ein fröhlich grinsende Hundegesicht. Ja, Susi sah immer aus, als ob sie grinste. Was hatte Phil gesagt? Typisch Labrador. Ihr Kopf hatte sich zwischen uns gedrängt und ihre Zunge leckte abwechselnd durch unsere Gesichter. „Da ist wohl jemand eifersüchtig", kicherte ich. „Ach, ihr seid doch beide meine Mädchen." Will streichelte das aufgeregte Hundemädchen liebevoll. Sofort wurde ich bei diesem Anblick wieder von einem ganz warmen Gefühl in meiner Brust ergriffen. Will war einfach der liebevollste, fürsorglichste und verantwortungsvollste Mensch, den es gab. Deshalb war ich mir auch ganz sicher, dass er ein super Bruder für Tom werden würde. Ich würde ihn dabei auch unterstützen.
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Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9 ✔️
Teen FictionMaja hat ihre große Liebe in Luca schon sehr früh getroffen. Jedenfalls glaubte sie das. Mittlerweile ist sie sich da nicht mehr ganz so sicher. In letzter Zeit kommt es immer öfter zum Streit und nicht selten ist das Studium der Auslöser. Hat sie w...