Kapitel 58

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Chris umarmte mich zur Begrüßung als ich wie verabredet am Montag vor seiner Tür stand. Wir wollten heute zusammen mit Will an weiteren Liedern arbeiten. „Das war am Samstag ein echter Erfolg. Du warst einfach der Hammer." Seine Augen leuchteten förmlich vor Begeisterung, noch mehr als die von Luca, wenn er von einer bestandenen Prüfung erzählt hatte. In meinem Inneren begann es zu kribbeln. Wenn er mich so anschaute, dann schmolz ich dahin wie ein Eis in der Sonne. Diese Augenfarbe war so.....so unglaublich. Und diese Wärme, die seine Augen ausstrahlten. Jeder Blick war wie eine liebevolle Umarmung. „Ich habe uns auch schon diesen wundervollen Tee gekocht, den du mir geschenkt hast." Ich folgte Chris in die Küche. In der Luft lag wirklich der Duft der Teemischung und auf dem Tisch standen zwei Tassen, die vor sich hin dampften.  Zwei Tassen?! „Kommt Will heute gar nicht?" Also nicht das mich das stören würde. Ohne ihn hatte ich Chris mal ganz für mich. „Nee, der musste sich um seine Mutter kümmern." Es sah so aus, als überlegte er kurz. „Dir kann ich es ja erzählen. Du gehst ja nicht damit hausieren. Er selbst redet nämlich nicht gerne darüber." Wow, das hörte sich ja geheimnisvoll an. „Seine Mutter hat Probleme mit der Ernährung. Sie rutscht immer wieder in die Bulimie. Und heute hat er einen Termin mit ihr beim Arzt." Schockiert schaute ich ihn an. Das erklärte dann auch, warum Will so gegen meine Figur gestänkert hatte. „Das war schon als Kind ein Problem. Da hat er dann auch oft bei uns gewohnt, wenn sie zu irgendwelchen Kuren war." Das war ja gruselig. „Deshalb wohnt er auch jetzt noch bei seiner Mutter?" Das machte ihn ja fast schon wieder sympathisch. Chris schüttelte seinen Kopf. „Nee, das hängt mehr damit zusammen, dass seine Ex ihn erst mit einem anderen Kerl in ihrem Bett betrogen und ihn dann aus ihrer gemeinsamen Bude gejagt hat. Das ist jetzt ein paar Monate her. Sabine und er waren zu dem Zeitpunkt schon ein paar Jahre zusammen." Ich musste sofort an Luca und mich denken. Wir waren ja auch schon ein paar Jahre zusammen. Ich konnte gut nachvollziehen, wie verletzt er sein musste. Egal, trotzdem war es jetzt genug mit dem Mitleid. Ich war hier mit Chris zusammen.....alleine. Das kam nicht all zu oft vor, also sollte ich lieber meine Chance nutzen. Mitleid konnte ich noch ein anderes Mal haben. Wie stellte ich am besten den Themenwechsel an? „Also Samstag war ein echter Erfolg. Aber setze dich erst einmal hin, sonst kippst du mir nachher noch aus den Latschen, wenn du die Neuigkeit hörst." Ich zog mir den Stuhl hervor und setzte mich. Ich spürte wie mein Mund ganz trocken wurde. Was waren das wohl für Neuigkeiten, die mich so beeindrucken sollten? Ich nahm schnell einen Schluck aus der Tasse. Tee beruhigte immer irgendwie meine Nerven. „Stell dir vor, am Samstag war ein Moderator von Jam FM da. Und dem hat unser Auftritt so gut gefallen, dass er uns eingeladen hat zu ihm ins Studio zu kommen." Von dem Radiosender hatte ich schon einmal gehört. Wenn mich nicht alles irrte, hatte Phil den in seinem Auto eingestellt. „Ist das nicht super? Er will unseren Song auch dort promoten." Chris fuhr sich ganz aufgeregt mit seinen Händen durch die Haare. „Das ist genau das, was wir brauchen." Nee, ich brauchte garantiert keinen Radiomoderator und noch viel weniger einen, der mich dort im Studio Löcher in den Bauch fragte, während keine Ahnung wie viele tausende Leute ihm dabei zuhörten. Allein bei dem Gedanken wurde mir schon ganz übel. „Von so einer Chance habe ich schon immer geträumt." Chris lächelte mich an. „Du wirst sehen, wenn wir erst einmal dort im Radio waren, werden auch die Plattenlabels auf uns aufmerksam und dann geht es ab in ein richtiges Plattenstudio." So wie er strahlte ging es mir durch und durch. Dieses Lächeln ließ ein warmes Gefühl in mir aufsteigen und mein ganzer Bauch begann zu kribbeln. „Weißt du, ich träume schon eine Ewigkeit davon Erfolg als Musiker zu haben. Seit ich mit meiner Mutter mit sechs in einem Konzert in der Waldbühne war, wollte ich später Erfolg als Musiker haben. Das war schon immer mein großer Traum. Weißt du wie dicht wir daran sind, dass er sich erfüllt?" Nein wusste ich nicht, aber ich wollte ja auch nur Musiklehrerin werden. Trotzdem wirkte Chris Freude irgendwie ansteckend auf mich. Er würde sich wirklich super auf der Bühne machen. „Aber du warst doch schon mit Earthwing unterwegs. Das heißt, du bist erfolgreich." Chris schüttelte seinen Kopf und winkte ab. „Das war ja nur das eine Konzert hier. Ich rede aber von einer eigenen Tour bei der mein Name ganz oben steht." Er zwinkerte mir zu „Und deiner natürlich. Zusammen sind wir die neuen Sonny und Cher. Du wirst sehen, uns wird die Welt zu Füßen liegen." Sonny und Cher? War das nicht dieses Ehepaar? Ja okay, das war ein Gedanke mit dem ich mich anfreunden könnte. Vielleicht war es ja doch gar nicht so schlimm in so ein Radiostudio zu gehen, wenn Chris bei mir war. Bestimmt schaffte er es mich zu beruhigen und übernahm den ganzen Smalltalk. Wahrscheinlich musste ich nur singen. Das bekam ich hin. Dort im Studio waren ja nicht so viele wie im Club, die mich anstarren konnten.Und für Chris würde ich mich zusammenreißen. Ich wollte doch seinen Träumen nicht im Weg stehen. „Wann ist denn das da im Studio?" Bestimmt hatte ich ein paar Tage oder vielleicht sogar Wochen, um mich seelisch darauf vorzubereiten. Vielleicht konnte ich mir ja auch schon ein paar Standardantworten zurecht legen. Bestimmt würde mir Phil auch helfen. Ja, so würde das garantiert klappen. „Morgen Nachmittag. So und jetzt gehen wir beide erst einmal ordentlich feiern." Morgen Nachmittag! Nein, das war viel zu schnell. Ich brauchte noch Zeit. In meinem Kopf rotierte es. Hatte Chris eben gesagt, wir beide gingen jetzt erst einmal ordentlich feiern? Das war dann ja so etwas wie ein Date. Ja, das war definitiv ein Date für mich. Mein Herz fing an zu galoppieren. Chris und ich ganz alleine. Wozu sollte ich da noch einen Gedanken an den Radiosender verschwenden. Wenn er so mit mir feiern gehen wollte, dann musste er ähnlich wie ich empfinden. Bei dem Gedanken durchströmte mich sofort ein Glücksgefühl. „Wollen wir in die Kulturbrauerei?" Ja, die hatte ich nämlich schon einmal vorsichtshalber gegoogelt für genau so einen Fall. Will hatte ja gesagt, dass Chris auf intellektueller stand. Und eine Location in der schon das Wort Kultur vorkam, konnte da ja auf keinen Fall falsch sein. „Nein, gerne ein anderes Mal, aber heute lade ich dich ins Grace ein. Heute gönnen wir uns ein bisschen mehr. Na los, auf geht's" Hatte er gerade ein anderes Mal gesagt? Das bedeutete ja......nein, ich traute mich vor lauter Glück gar nicht den Gedanken zu Ende zu denken. Das war genau der Moment, in dem mir endgültig klar war, dass ich total in Chris verknallt war....jedenfalls würde es Tessa so nennen.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt