Kapitel 86

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Papa fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare. „Man Maja, versteh doch, dass ich einfach Angst um dich habe, wo du jetzt hier in Berlin bist. Da bin ich nicht da, um auf dich aufzupassen." Er schloss kurz seine Augen. „Das habe ich ja nicht einmal in Dortmund geschafft, sonst wäre das doch mit Luca und dem Studium nicht so schief gelaufen. Ich möchte einfach nicht, dass du wegen irgendeinem Kerl wieder dein Studium schmeißt. Ich bin so stolz auf dich, dass du doch noch den Umschwung zu dem neuen Studiengang gefunden hast." Er schaute mich mit durchdringendem Blick an. „Eine gute Ausbildung ist so wichtig." Ich nickte. „Das weiß ich. Und ich verspreche dir, dass ich mein Studium hier in Berlin abschließe. Ich will schließlich von niemandem abhängig sein." Ja, das meinte ich genau so, wie es mir tief aus meinem Herzen herausgeplatzt war. Ich wollte auf eigenen Füßen stehen und unabhängig sein. Papa schaute mich zweifelnd an. „Aber was ist, wenn Will dich drängt auf Tour zu gehen?" Papa hob beschwichtigend seine Hand. „Also nicht, dass du denkst ich zweifele an deinem Talent oder so. Du singst wirklich wunderbar. Aber das ist halt kein vernünftiger Job." „Deshalb werde ich ja auch Lehrerin. Das Singen ist nur mein Hobby. Und mehr wird es auch nie sein. Und Will weiß das auch und sieht das genauso." „Mensch, meine kleine Biene. Ich habe einfach nur Angst, dass er dich unterbuttert. Der Kerl ist doch schon viel älter und hat mehr Erfahrung." „So wie du älter als Mama bist und auch schon mehr Erfahrung hattest?" Manchmal musste man den Gegner mit den eigenen Waffen schlagen. Dafür erntete ich nur ein Brummen. „Manno, ich habe doch schon Tessa an Leo verloren. Aber die ist wenigstens noch in Dortmund. Und ich will dich nicht auch noch verlieren und dann noch, ohne dass ich in der Nähe bin. Du kannst diesen Kerlen einfach nicht trauen.", schnaubte Papa „Ich will doch nur das Beste für dich, meine kleine Biene."  Ich sah ihm an, dass er besorgt um mich war. Seine Augen glitzerten verdächtig.  Dafür liebte ich meinen Papa. Trotzdem musste ich ihm ein für alle Male etwas klarmachen. „Will ist das Beste für mich. Ich bin wirklich so glücklich, wie ich es noch nie war. Bitte Papa, akzeptiere das und bitte akzeptiere Will als den Mann, den ich liebe und der an meine Seite gehört. Hör auf ständig an ihm herumzunörgeln und nimm ihn in der Familie auf, wie du es auch mit Leo gemacht hast. Bitte Papa. Ich möchte mich wirklich nicht zwischen euch beiden entscheiden müssen. Ihr seid doch die beiden wichtigsten Männer in meinem Leben." Bei dem Wort entscheiden war Papa zusammengezuckt. „Ist es wirklich schon so weit, dass du das machen würdest?" Papa schaute mich schockiert an. Ich nickte. „Wenn du mir keine andere Wahl lässt." Er schüttelte seinen Kopf. „Dieser kleine Mistkerl hat meiner Tochter echt ihr Herz gestohlen." Sein Blick wurde ernst. „Natürlich werde ich ihn genauso akzeptieren wie ich Luca akzeptiert habe. Trotzdem musst du mir aber versprechen, dass du wirklich dein Studium nicht aus den Augen verlierst und es mit eurer Beziehung langsam angehst. Ihr müsst ja nicht gleich zusammenziehen oder heiraten und Kinder bekommen." Ich musste schmunzeln. An alle drei Sachen dachten Will und ich ja mal so überhaupt nicht. Wir genossen es einfach zusammen zu sein, ohne die großen Pläne für die Zukunft. Uns machte das Jetzt glücklich. „Papa!" „Was?" Er schaute mich irritiert an. „Will und ich entscheiden, wann und ob wir heiraten oder Kinder bekommen, uns sterilisieren lassen oder was auch immer machen." Das musste klargestellt werden, damit er sich nicht einbildete, dass er da ein Mitspracherecht hatte. Nee, das war ganz alleine mein Leben und ich bestimmt, was damit passierte. Papas Blick wechselte zu schockiert. Das Wort sterilisieren hatte ihn sogar zusammenzucken lassen. „Papa, ich will einfach nur, dass du begreifst, dass das mein Leben und meine Entscheidungen sind. Und nein, ich habe nicht vor mich sterilisieren zulassen. Ich bitte dich nur Will genauso herzlich in unserer Familie aufzunehmen, wie alle anderen auch." Er nickte und zog mich in seine Arme. „Ich will doch nur das es dir gut geht und du glücklich bist", nuschelte er in meine Haare, ehe er sich wieder von mir löste. „Ist es zu viel verlangt, wenn ich dich bitte wenigstens hier wohnen zu bleiben, damit ich das gute Gefühl habe, dass wenigstens Phil auf dich aufpasst?" Ich verzog mein Gesicht. Er hob beschwichtigend seine Hand. „Ich weiß, du brauchst keinen Aufpasser, aber irgendwie beruhigt es mich halt. Aber natürlich kann ich auch verstehen, dass das Großmaul ziemlich nervig sein kann." Eigentlich nervte mich Phil überhaupt nicht. Wir waren die perfekte WG. Ich konnte Papa ja auch etwas entgegen kommen und ihn beruhigen. „Ich verspreche dir, dass ich hier wohnen bleibe." Erleichterung war sofort auf seinem Gesicht zu sehen. Er legte zufrieden seinen Arm um meine Schulter. „Pass einfach auf dich auf, meine kleine Biene." „Das mache ich, Papa." Ich drückte ihm einen Schmatzer auf die Wange „Na, was ist das denn hier los?" Mama kam ins Wohnzimmer marschiert und musterte Papa und mich auf dem Sofa. „Ach, wir haben uns nur ein Bisschen über Will unterhalten", grinste ich. „Das ist ein echt lieber Kerl, den du dir da ausgesucht hast. Nicht wahr, Schnutzelchen?" Ja, Mama hatte den totalen Durchblick. Ich war gespannt, wie Papa jetzt reagierte. „Ja, er scheint ganz in Ordnung zu sein." Na, das war doch schon einmal ein Anfang. Ein Lächeln schlich sich in mein Gesicht und Mama zwinkerte mir zu. Scheinbar ahnte sie wohl, worum Papa und mein Gespräch sich wirklich gedreht hatte. Klar, sie war ja auch mal Tochter. Und so wie ich das mitbekommen hatte, war Opa damals auch alles andere als begeistert von Papa gewesen als Mama ihm eröffnet hatte, dass sie schwanger mit Zwillingen war, ihren Job bei Hertha aufgeben und nach Dortmund ziehen würde. Aber auch Opa hatte sich damit abgefunden und hatte akzeptiert, dass es letztlich nur darauf ankam, dass sie glücklich war. Väter sind manchmal echt komisch. Irgendwie tun sie sich mit der Konkurrenz im Leben ihrer Töchter schwer. So ein Blödsinn. Papa würde doch sowieso immer der wichtigste Mann in meinem Leben sein. Sowie Opa bei Mama. Er musste sich den Platz nur mit Will teilen. 

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt