Kapitel 142

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„Ich dachte schon, ihr seid seit ein paar Jahren aus dem Doppelten-Lottchen-Alter heraus." Papa stand kopfschüttelnd vor mir und schaute zu Tessa, die ihn nur angrinste. Ja, wir hatten uns für die All-White-Party die selben weißen Hotpants und T-Shirts gekauft. Und selbst unsere Haare glichen sich ziemlich, denn die Strähnchen die wir uns hatten färben lassen, waren mittlerweile ziemlich ausgeblichen und benötigten mal wieder eine Auffrischung. Vielleicht sollte ich zeitnah einen Abstecher nach Dortmund machen. Schlagartig fiel mir der Auftritt in der Waldbühne ein. Mist, ich musste dringendst zum Friseur. Was sollten die Leute denn sonst denken? „Du siehst total heiß aus", flüsterte mir Will ins Ohr. „Da werde ich dich keinen einzigen Moment aus den Augen lassen." Ich musste schmunzeln. Als wenn er das überhaupt tun würde. Da könnte ich auch verschleiert in einer Burka herumlaufen. Mein Blick ging zu Phil, der sich gerade zu unserer kleinen Susi gebückt hatte und ihr die Ohren kraulte. „Mm meine Süße, wir werden uns beide gut vertragen, wenn deine Mama und Papa schon nach Hause müssen." Bei dem Gedanken übermorgen die kleine Maus hier zu lassen, tat mir das Herz weh, auch wenn ich wusste, dass Phil sich gut um sie kümmern würde. Und es waren ja nur noch zwei Wochen bis sie mit ihm nachkam. Die würden sich aber ziehen. Nee, würden sie nicht, weil ich mehr als genug zutun hatte. Zum einen war da die Vorbereitung auf das Konzert und zum anderen die auf die Prüfung. Ja, ich hatte mir vorgenommen wenigstens eine Prüfung erfolgreich zu bestehen. Und das würde ich auch schaffen. „Können wir dann?" Papa schaute sich um, ob wir alle vollzählig waren. „Ich bleibe noch kurz hier und warte auf meine Begleitung." Die Blicke der ganzen Familie lagen auf Phil, dessen Gesicht sich leicht rötlich verfärbt hatte. „Was?!", fragte er mit einem bockigen Ton. „Begleitung?" Papa schaute ihn irritiert an. „Seit wann hast du so was? Du hast doch sonst nur Betthäschen." „Schnutzelchen!" Mama schaute Papa warnend an. Der zuckte aber nur mit den Schultern. „Häschen hüpf, Häschen hüpf." Mari hüpfte wie ein kleiner Hase durch die Gegend und Chrissie und Allie versuchten sie sofort zu kopieren. „Danke, Paps!" Meine Schwester schaute Papa grummelnd an und machte sich dran die erste ihrer Töchter einzufangen. Leo kümmerte sich um die andere. „Dann lasst uns jetzt schnell gehen. Ich habe Hunger", warf ich ein. Ich hatte so das Gefühl, dass Phil seine Begleitung nicht unbedingt unter den Augen seiner Familie begrüßen wollte. Wir setzten uns alle in Bewegung. „Hast du eine Ahnung, wer das ist?" Neugierig schaute mich Tessa an. Ich schüttelte meinen Kopf. Ich hatte zwar eine Vermutung, war mir aber nicht wirklich sicher. Der Gedanke, dass Phil dazu bereit war, jemanden mit zu der Party zu bringen, gefiel mir aber richtig gut. Ich war gespannt, ob ich mit meiner Vermutung richtig lag....
„Hallo, darf ich euch Blanca vorstellen." Phil war an unseren Tisch getreten. „Das ist meine Familie." Er stellte uns alle namentlich vor. Und ja, ich hatte mit meiner Vermutung richtig gelegen. Tessa beugte sich zu mir. „Wo hat er die denn aufgegabelt? Die ist ja gar nicht so eine Sexmaus, wie das, was er sonst abschleppt. Müssen wir uns etwa Sorgen um ihn machen?" 
Ja, schon das äußere Erscheinungsbild entsprach absolut nicht den Mädels, die er sonst im Club abschleppte. „Das ist die Tierärztin, bei der wir mit Susi waren", klärte ich meine Schwester auf. „Echt?!" Tessa schaute mich mit großen Augen an, ehe sie zu kichern begann. „Dann müssen wir uns definitiv Sorgen machen. Der hat doch nicht nur wegen Susi seinen Urlaub verlängert. Und ich dachte das ist so eine olle Viehdoktorin, wenn er immer von ihr erzählt hat." Auch Papa und Mama musterten Phils Begleitung kurz und lächelten sie dann an. „Herzlich Willkommen in der Familie Reus", begrüßte Papa sie ganz förmlich, während Mama aufstand und ihr die Hand reichte. „Hallo Blanca, ich bin Franzi und das ist mein Mann Marco. Setz dich doch zu uns." „Gerne. Ich möchte mich auch für die Einladung bedanken. Es ist mal eine sehr schöne Abwechslung." „Die hast du dir auch mehr als verdient." Phil lächelte in ihre Richtung und schob ihr den Stuhl zurecht. „Seit wann macht der auf Gentleman?" Tessa stupste mich grinsend in die Seite. „Blanca leitet die Tierarztpraxis ganz alleine", erklärte Phil sofort. Man konnte fast meinen, er wäre davon beeindruckt, so wie er schaute. „Ja, Personal kann ich mir im Moment noch nicht leisten. Ich habe die Praxis erst seit März." „Dann sind Sie also fertig ausgebildeteTierärztin mit eigener Praxis?" Selbst Papa schien beeindruckt. „Paps überlegt schon, ob er genug Babykonten angelegt hat", gluckste Tessa neben mir. „Bitte Du, nicht Sie. Ich bin ja noch nicht so alt." Diese Blanca schenkte Papa ein gewinnendes Lächeln. „Aber du sprichst sehr gut deutsch als Spanierin", brachte sich jetzt auch Mama mit ins Gespräch ein. „Ich habe in München studiert und bin erst wieder im Frühjahr hierher nach Ibiza gekommen. Meine Familie lebt hier." Irgendwie tat mir Blanca fast leid, denn jeder aus der Familie stellte ihr Fragen. Die Drillinge nach Tieren, Papa, Mama und Tessa eher nach ihrem Leben. So war das halt, wenn man das Los zog, die erste Frau zu sein, die der Familiencasanova seiner Familie vorstellte. Ich lehnte meinen Kopf an Wills Schulter und folgte der Unterhaltung, während ich meinen Bruder beobachtete. Ja, er war definitiv verschossen, so wie er Blanca immer wieder verliebte Blicke zuwarf. Irgendwie freute mich das richtig für ihn. Er hatte auch mal endlich sein Glück verdient. Und eine Tierärztin passte garantiert zu ihm.
„Dat is doch nicht zu glauben." Tessa sprang auf. „Dat is doch dein Lied, dat die gerade spielen." Ja, aus den Boxen scholl wirklich mein Song. „Los, da müssen wir tanzen." Meine Schwester griff sowohl Leos als auch meine Hand und zog uns hoch. Schnell griff ich noch nach Will, der auch mit aufsprang. Wir liefen zur Tanzfläche, wo sich schon so einige Paare zur Musik bewegten. Will zog mich in seine Arme und ich schmiegte mich an ihn. Leo und Tessa bewegten sich eher wie bei einem Konterangriff im gegnerischen Strafraum, der jederzeit vom Schiri abgepfiffen werden konnte. Mit Sicherheit wegen Tätlichkeit gegen die anderen Tanzenden. Mein Blick glitt weiter über die Tanzfläche. Die Leute tanzten zu meinem Lied. Mein Lied! So wie es aussah, gefiel es wohl den Spaniern hier auf Ibiza sehr gut. Das war unglaublich! Genauso unglaublich wie der Anblick zwei Meter von uns entfernt. Da tanzte Phil eng umschlungen mit Blanca. „Was grinst du denn so zufrieden, Snugglebee?" Will musterte mein Gesicht. Ich deutete mit meinem Kopf zu Will. „Da hat Ibiza scheinbar nicht nur uns Susi gebracht, sondern Phil auch endlich mal die Liebe."

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt