Kapitel 124

310 54 20
                                    



„Hallo, da seid ihr ja endlich." Papa umarmte mich stürmisch und drückte mir einen dicken Schmatzer auf die Stirn, ehe er mich auf Armeslänge von sich hielt. „Mensch du siehst ja immer noch total mager und k.o. aus, meine kleine Biene." Vorwurfsvoll wanderte sein Blick zu Will und Phil. „Du......ähm ihr", verbesserte er sich schnell „... solltet besser nach Dortmund ziehen, wo Mama und ich ein Auge auf dich haben." Ging das Thema jetzt wieder los? Das Ganze hatte doch nur mit mir und nicht mit Berlin zu tun. Ich war die, die zu dumm war alles unter einen Hut zu bekommen. Ein leises Stöhnen entwich mir. „Hattet ihr denn einen guten Flug? War das Essen ordentlich?" Wieder scannte sein Blick mich. Na super. Das konnte ja noch gut werden. Wahrscheinlich würde er alle fünf Minuten mit etwas Essbarem vor mir stehen. „Ja, war supi", mischte sich Phil ein, der meinen verzweifelten Blick wohl wahrgenommen hatte. „Wir haben auch gelernt, dass das Flugzeug ohne den Piloten fliegen kann", kicherte er und boxte Will gegen die Schulter, der peinlich berührt zu Boden blickte. „Mann, Phil", fuhr ich meinen Bruder an, während Papa verständnislos schaute. „Ich war halt etwas nervös, als ich  den Piloten gesehen habe wie er mit der Stewardess redet und Kaffee trinkt", klärte Will Papa kleinlaut auf. Etwas nervös war eine absolute Untertreibung. Will hatte komplett verspannt in seinem Sitz gesessen und nach vorne gestarrt. Seine Gesichtsfarbe war ungefähr so weiß gewesen wie die Flugzeuginnenverkleidung und er hatte die Armlehnen umklammert, dass die Fingerknöchel weiß hervorgetreten waren. Es war ein Wunder, dass er nicht noch hyperventiliert hatte. Mit Panikattacken kannte ich mich ja mittlerweile aus. „Dafür gibt es doch den Co-Piloten mit an Bord. Und außerdem muss doch immer ein weiterer Flugbegleiter da ins Cockpit, wenn der Pilot eine kleine Pause macht. Das ist doch so, seit dieser eine Typ das Ding damals in die Berge hat krachen lassen. Obwohl früher vor 9/11 war das ja überhaupt kein Problem, da konnte man ja einfacher ins Cockpit. Aber sie haben die Türen ja wegen eventueller Entführungen so abgesichert. " Danke, Papa. Die letzten Sätze hättest du dir auch sparen können. Wir mussten ja auch noch wieder zurückfliegen. Ich sollte schnell das Thema wechseln, sonst fing er noch mit Otto Lilienthal und seinem tödlichen Absturz an und stellte die Flugfähigkeit insgesamt in Frage. „Wo ist überhaupt Mama?" Irgendwie hätte ich sie eigentlich auch am Flughafen erwartet, um ihre Küken in Empfang zu nehmen. Da war sie schon eine ziemliche Glucke. „Die weiß nicht, dass ihr kommt", grinste Papa schelmisch. „Ist eine Überraschung. Felix hat mich nämlich angerufen." Er schaute vorwurfsvoll zu Phil. „Er war wohl der Meinung, dass es wichtig wäre, dass wir auch Bescheid wissen." Sein Blick wich wieder einem stolzen Grinsen „Und dann habe ich alles organisiert. Mama denkt, ich mache nur unseren Großeinkauf. So, jetzt aber ab ins Auto." Er schnappte sich meinen Koffer und marschierte durch die Flughafenhalle los Richtung Parkplatz. Wir folgten ihm. In mir machte sich irgendwie ein komisches Kribbeln breit. Also nicht so ein vorfreudiges, weil ich in weniger als einer Stunde mit Will Hand in Hand durch den warmen Sand laufen würde und die Wellen eine ganz eigene Musik dazu spielten. Nein, es war so ein unangenehmes Kribbeln im Nacken als würde ich von jemandem beobachtet. Ich drehte mich unauffällig um und scannte eimal die Leute, die hier überall herumstanden. So ein Quatsch. Wer sollte mich hier schon beobachten? So bekannt war ich ja glücklicherweise nun wirklich nicht. Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. Scheinbar stieg mir der Erfolg wohl genau in diesen. Egal. Ich beeilte mich hinter meinen drei Lieblingsmänner hinterher zu kommen. „Alles okay, Snugglebee?" Will schaute mich prüfend an, als ich wieder zu ihnen aufgeschlossen hatte. Ich nickte schnell. „Ja, ich dachte nur meine Schleife wäre aufgegangen." Mein Blick ging zu den Flipflops an meinen Füßen. Will grinste nur und legte seinen Arm um meine Schulter. „Jetzt bist du wohl die, die aufgeregt ist, weil sie gleich ihre Familie sieht. Du bist so süß, Snugglebee." Er drückte mir einen Kuss auf mein Haar als sich vor uns die automatischen Türen des Flughafengebäudes öffneten. Sofort waren wir von warmer Luft umhüllt, die nach Sonne und Meer roch. Mein Herz schlug ein paar Takte schneller. Ja, so war es mir schon immer gegangen, wenn wir hier angekommen waren. Es war so ein bisschen wie nach Hause kommen. „Wow!!!" Will deutete aus dem Fenster als Papa losfuhr. Wir saßen beide auf der Rückbank und ich kuschelte mich an seine Schulter, während Phil auf dem Beifahrersitz thronte. „Da sind ja Palmen. Die kenne ich nur aus dem Botanischen Garten", gab er beeindruckt von sich. Ein Blick ging auch zur Seitenscheibe hinaus. Aber ich schaute nicht zu den Palmen, sondern zu der Person, die dort gerade mit einem Koffer über den Zebrastreifen schob. War das nicht Tom? Also die Statur passte definitiv und unter dem Cap lugten ein paar rötliche Haare hervor. Aber nee, das konnte ja gar nicht sein. Das war ja Quatsch. Klar hatte ich ihn auf dem Flughafen getroffen. Aber er wollte doch nach England und nicht nach Ibiza. Hatte er das gesagt? Nee, das hatte ich nur angenommen. Aber was sollte er denn hier??? Ich schaute noch einmal genauer hin. Bestimmt irrte ich mich und das war überhaupt nicht Tom. „Ist die kalt, Snugglebee? Du hast ja Gänsehaut." Will zog mich etwas fester an sich und rieb mir über die Arme. Das fühlte sich super an. Was machte ich mir überhaupt einen Kopf über Tom? Der konnte doch sein, wo er wollte. Trotzdem war es schon komisch, dass er in letzter Zeit ständig irgendwo auftauchte, wo ich auch war. Blödsinn! „Schau mal, da hinten ist schon das Meer", lenkte ich meine dummen Gedanken wieder in eine andere Richtung. Will folgte sofort meinem Fingerzeig mit seinen Augen. Sein Blick schien jede Kleinigkeit in der Umgebung aufnehmen zu wollen. Und seine Augen glänzten wie bei Mari oder den Windelpupsen, wenn sie etwas Neues in ihrer Welt entdeckten. Mein Herz macht eine kleinen Hüpfer ihn so begeistert zu sehen. Ich würde dafür sorgen, dass ihm die Insel genauso ans Herz wuchs wie mir. Ja, ab sofort war es meine Aufgabe ihm die Zeit hier unvergesslich zu machen. Und mir auch.....unser erster gemeinsamer Urlaub auf Ibiza.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt