Die Frau, die in der Küche das Sagen hatte, hieß Feng Garadi, was nahelegte, dass sie mit Feng Rahni, der Heilerin im Krankenhaus, verwandt war. Sie sahen sich auch ziemlich ähnlich, aber Feng Garadi schien etwas älter zu sein. Sie war äußerlich freundlich und offen für alles, aber wenn es ums Essen ging, kannte sie keine Gnade.
»Du hast schon wieder nicht aufgepasst!«, wies sie Mahr Xero zurecht und deutete anklagend auf die ungleichmäßig dicken Karottenscheiben, die er soeben geschnitten hatte. »Die müssen viel dünner sein! Du kannst sie gleich weiter zerkleinern und dann für die Suppe beiseite legen.«
Rin Verran unterdrückte gerade noch so ein schadenfrohes Grinsen und spannte sich sogleich an, als Feng Garadi nun neben ihm auftauchte.
»Da ist immer noch Schale dran«, sagte sie und deutete auf die letzte Kartoffel, die er geschält hatte. »Die muss auch noch weg.«
»Ja«, antwortete Rin Verran zähneknirschend und warf Mahr Xero einen wütenden Blick zu, der nicht so gut darin war, seine Schadenfreude zu verbergen. Schon eine Woche schufteten sie in der Küche, während die anderen Schüler ihre Lektionen in den Duellen größtenteils beendet hatten und nun reiten lernten. Alle paar Minuten hörten sie das Wiehern von Pferden und Trommeln von Hufen, wenn sie über den Platz vor der Gämsen-Pagode und an der Steinplattform vorbei ritten. Rin Verran wünschte, er könnte dabei sein. Wahrscheinlich wünschte Rin Raelin sich das insgeheim auch, denn es hatte mehrere Tage gedauert, bis er sich überhaupt auf den hohen Pferderücken getraut hatte.
»Grins nicht so blöd«, zischte Rin Verran Mahr Xero zu.
»Als ob du das eben nicht getan hast«, entgegnete er mit dem gleichen unterdrückten Ärger. »Außerdem habe ich das volle Recht dazu, zu grinsen, wann ich möchte und wie ich möchte.«
Rin Verran fuhr mit dem Messer so heftig über die Kartoffel, dass er nicht nur die Schale, sondern auch einen Großteil der Knolle selbst abschnitt. »Was ist eigentlich dein Problem?«, fragte er. »Du warst derjenige, der mit allem angefangen hat! Warum hast du unsere Feier verpetzt!«
»Wenn ich es nicht getan hätte, hätte es ein anderer gemacht«, blaffte Mahr Xero. »Eure Feier war gegen die Regeln!«
»Ich habe noch nie von dieser angeblich existierenden Regel gehört!«
»Und du hast gestohlen!«
»Kann es sein, dass du einfach nur beleidigt warst, weil wir dich nicht eingeladen haben?«
»Das geht dich einen Scheiß an!«, fluchte Mahr Xero so laut, dass einige Küchenhelfer sich zu ihnen umdrehten. Schnell senkten beide wieder die Köpfe und konzentrierten sich voll und ganz auf ihre Aufgaben. Keiner von ihnen wollte länger als nötig hier feststecken.
»Das geht dich einen Scheiß an«, wiederholte Mahr Xero etwas leiser. »Wegen dir hat Meisterin Zha mir Finsterlicht weggenommen. Und denk nicht, ich hätte die Sache mit dem Chili- und Juckpulver vergessen, die deine Freunde angestellt haben!«
»Hast du beides verdient«, brummte Rin Verran und warf die letzte Kartoffel in den Topf. Eigentlich hättest du sogar noch mehr verdient! Es ärgerte ihn immer noch, dass Mahr Xero Arcalla Blumen geschenkt hatte, bevor er selbst die Gelegenheit dazu bekommen hatte. Und dann auch noch direkt vor seiner Nase! Auch wenn Mahr Xero wahrscheinlich nichts davon wusste.
»Sehr gut!«, erklang Feng Garadis Stimme hinter ihm und sie klopfte ihm auf die Schulter.
»Bin ich dann für heute entlassen?«, fragte Rin Verran hoffnungsvoll. Die Sonne hatte sich bereits hinter dem Windlilien-Hang versteckt und ein Schatten hatte sich über die Gämsen-Pagode gelegt.
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Grüner Habicht und Roter Drache
AdventureBis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr wächst Rin Verran mehr oder weniger behütet in seinem Zuhause, dem Phönix-Hof, auf. Obwohl er nur der uneheliche Sohn des Gilden-Anführers ist, träumt er davon, ein berühmter Erzwächter und Krieger zu werden. In...