Kapitel 26: Verrat - Teil 2

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Es war, als würde ein frischer Frühlingswind Rin Verran entgegen wehen. Doch auch dieser Wind konnte die Hitze nicht mildern, die in seinem Körper aufstieg. Irgendwas war falsch. Irgendwas war furchtbar falsch, aber als er den Kopf hoch, vergaß er alles, woran er eben noch gedacht hatte. Blaugrüne Augen blickten ihn erstaunt an. Augen wie Teiche, in denen man sich verlieren und versinken konnte. Ihr Gesicht war wunderschön, umrahmt von blonden Haaren, die ihr offen auf die Schultern fielen. Nur ein Teil von ihnen wurde von einer goldenen Spange in einem Dutt zusammengehalten.

Ungläubig streckte er die Hand aus, zitternd. Arcalla? Aber wie...? Kurz bevor er ihre Wange berühren konnte, wich sie jedoch zurück als wäre sie erschrocken. Ihre Lippen bewegten sich. Sie sagte etwas, aber Rin Verran konnte es nicht hören. Wollte es nicht hören. Er wollte sie nur küssen, auf diese weichen, etwas dunkleren Lippen. Wollte ihren Körper dicht an seinem spüren, ihre Wärme. Wollte mit den Fingern durch ihre Haare und über ihre Haut fahren, während sie unter ihm erschauerte. Er war nicht mehr er selbst.

Wie ein Wolf, der seine Beute gestellt hatte, stolperte Rin Verran ins Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Er verstand nicht, was vor sich ging. Aber er wollte es auch nicht verstehen. Sein Kopf war wie in einem dichten, dickflüssigen Nebel. Etwas unbeholfen streckte er seine Hand wieder nach ihr aus, ergriff sie diesmal fest am Handgelenk und zog sie dicht an sich. Sie trug nur ein dünnes Kleid, fast schon ein Nachthemd, in den Farben der Dul-Gilde. Ohne nachzudenken umarmte er sie und zwang ihr einen Kuss auf die Lippen.

Gleich darauf krümmte er sich unter Schmerzen zusammen und ließ Arcalla los. Sie hatte ihm das Knie zwischen die Beine getreten und schrie etwas. Warum tust du mir das an? Keuchend richtete er sich wieder auf, ging erneut auf sie zu. Schleppend. Doch jeder Schritt, den er ihr näher kam, war ein Schritt näher an sein Ziel. Er wollte etwas sagen, aber seine Zunge war viel zu schwer. Warum tust du mir das an?

Rin Verran war bis auf einen Schritt an Arcalla ran gekommen. Die junge Frau war in eine Ecke des Zimmers geflüchtet und hielt etwas in der Hand, mit dem sie ihn wohl schlagen wollte, sobald er noch näher kam. Blitzschnell schoss Rin Verran vor, riss es ihr weg und schleuderte es irgendwo hinter sich zu Boden. Arcalla schrie wieder etwas, hob ihre Hand als wolle sie aus irgendeinem Grund die goldene Spange aus ihrem Dutt ziehen. Die Angst und Panik in ihren Augen war unübersehbar. Rin Verran hielt mitten in der Bewegung inne.

Sie hat Angst von mir, durchfuhr es ihn. Ein einziger klarer Gedanke in dem Chaos, das seinen Kopf bevölkerte. Was tue ich eigentlich? Das ist falsch. Ich mache ihr Angst. Ich will das nicht. Unter größter Anstrengung gelang es ihm, einen Schritt zurück zu weichen. Was ist nur los mit mir? Sein Körper hörte überhaupt nicht mehr auf ihn. Der Drang, Arcalla einfach zu nehmen, zu küssen und mit ihr anzustellen, was er wollte, war so übermächtig, dass es fast schon weh tat. Stöhnend fiel er auf die Knie, atmete scharf ein und aus, aber die Hitze wollte nicht weg gehen. Die schmutzigen Gedanken wollten nicht weg gehen. Sie ist genau vor mir. Ich muss nur...

Plötzlich wurde die Tür zum Zimmer aufgestoßen. Rin Verran schaffte es gerade noch, seinen Kopf zur Seite zu drehen, bevor er eine Eisenstange auf sich zukommen sah und kurz darauf das Bewusstsein verlor.

Als er wieder zu sich kam, befand er sich in der Heilerhütte. Mit Entsetzen erinnerte Rin Verran sich an das, was er am Abend getan hatte. Er wollte sich aufsetzen, wurde aber von etwas daran gehindert. Ungläubig starrte er auf die Seile, die ihn ans Bett fesselten. Seine Arme und Beine und auch sein Oberkörper waren mit ihnen umwickelt. Auf seiner rechten Handfläche prangte ein roter Schnitt. Er spürte eine heftige Verzweiflung in sich aufsteigen. Was habe ich gestern nur getan? Warum?

War das wirklich Arcalla?, war sein zweiter Gedanke, den er aber sogleich verwarf. Natürlich nicht! Er hatte davon gehört, dass es Mittel gab, mit denen man so ein unkontrollierbares und heftiges Verlangen bei Menschen auslösen konnte, doch wie war sowas an den Phönix-Hof gekommen? Wo hätte er es zu sich nehmen können? Oder... War es ihm gegeben worden? Mit aller Deutlichkeit erinnerte er sich an das Weinglas, das Rin Raelin ihm hingehalten hatte.

Grüner Habicht und Roter DracheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt