Kapitel 24: Wiedersehen - Teil 4

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Rin Verran erwachte von einem seltsamen Gefühl der Gefahr, das sich plötzlich in seinem ganzen Körper ausbreitete. In einem Moment schlief er noch und im nächsten schlug er beunruhigt die Augen auf. Es war immer noch Nacht. Die Vorhänge aller Fenster waren zugezogen und die Kerzen und Lampen gelöscht. Nur das fahle Mondlicht fiel durch einen schmalen Spalt zwischen den schweren Stoffbahnen direkt auf jemanden, der auf einem Stuhl am Fuß seines Bettes saß.

Erschrocken wollte Rin Verran sich aufsetzen, doch er hatte vergessen, dass sein rechter Arm gebrochen war. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn und er schaffte es gerade noch, sich stattdessen mit der linken Hand abzustützen. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich gefangen hatte, aber die ganze Zeit über regte die Gestalt auf dem Stuhl sich nicht. Erst, als er Anstalten machte, den Mund zu öffnen, erhob sie sich.

»Du solltest vorsichtiger sein.« Die Stimme war tief, gehörte eindeutig einem Mann. Doch sie klang auch dumpf. Rin Verran kniff die Augen zusammen, um zu sehen, ob es jemand war, den er kannte, doch es war zu dunkel. Der schmale Lichtstrahl fiel nur auf eine Seite des Oberkörpers und nicht aufs Gesicht. Selbst die Farbe der Kleidung konnte er nicht richtig ausmachen.

»Wer seid Ihr?«, fragte er, wachsam. »Warum seid Ihr hier? Was wollt Ihr?« Er stockte. Ist das vielleicht derjenige, der die Fallenmarkierungen entfernt hat? Mein Verfolger? Aber warum steht er dann so ruhig da? Hätte er mich nicht schon lange töten können? Seine Augen wanderten langsam in Richtung Habichtfeder, die an seinem Nachttisch lehnte. Es würde zwar schwierig sein, mit der linken Hand zu kämpfen, aber bestimmt würde er es schaffen, den seltsamen Mann zur Seite zu stoßen, um hinaus auf den Flur zu rennen. Wie ist er überhaupt hier rein gekommen? Sind im Krähen-Palast nicht überall Wachen? Besonders nachts?

»Du brauchst dich nicht vor mir zu fürchten«, sagte der Mann auf einmal, der seinen Blick anscheinend bemerkt hatte. »Ich bin nicht hier, um dir zu schaden.«

»Ach ja?« Rin Verran sah ihn misstrauisch an. »Warum seid Ihr dann mitten in der Nacht hierher gekommen? Das tun nur Menschen, die etwas zu verbergen haben oder Böses wollen. Wer seid Ihr?«

Der Mann schwieg eine Weile, bevor er antwortete: »Man nennt mich Yodha.«

Er sagte es so, als würde er erwarten, dass Rin Verran etwas damit anfangen konnte, aber dieser schaute ihn nur verständnislos an. »Ich kenne Euch nicht.«

Im selben Moment trat der Mann ein Stück zur Seite, sodass der Lichtstreifen auf sein Gesicht fiel. Oder jedenfalls dachte Rin Verran das im ersten Moment, doch in Wirklichkeit war es eine schwarze Maske, die unter einem Kapuzenumhang zu sehen war. Graue Linien deuteten die Nase und den Mund an und waren auch um die Löcher für die Augen aufgezeichnet. Die Augen selbst lagen jedoch im Schatten, sodass Rin Verran absolut keine Möglichkeit hatte, auf die wahre Identität dieses Mannes zu schließen. Es war offensichtlich, dass Yodha nur eine Art Deckname war.

»Zieht die Maske ab«, verlangte Rin Verran. Sein ganzer Körper war angespannt.

»Das kann ich leider nicht tun«, antwortete Yodha.

»Warum nicht?« Rin Verran gefiel das alles nicht. Er kommt nachts ins Krankenzimmer, an all den Wachen vorbei. Dann setzt er sich auf einen Stuhl und beobachtet mich im Schlaf, bis ich aufwache. Das alles ist doch nicht normal!

»Das kann ich leider nicht sagen.«

Will er mich verarschen? »Was willst du von mir?« Er beschloss, den Mann nicht mehr formell anzusprechen. Wer sich heimlich in sein Zimmer schlich und sich weigerte, seine Identität preiszugeben, verdiente diese Art von Respekt nicht.

»Die Frage ist nicht, was ich von dir will, sondern was du von mir willst.«

»Warum sollte ich etwas von dir wollen?« Allmählich war Rin Verrans Geduld am Ende. Er wollte den Fremden gerade anschreien, er solle von hier verschwinden, als dieser auf einmal sagte:

Grüner Habicht und Roter DracheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt