Kapitel 20: Briefe - Teil 4

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Als Rin Verran und Rin Raelin zum Phönix-Hof zurückkehrten, war Rin Jadna die einzige, die sich wirklich freute. Es war offensichtlich, dass sie immer noch nichts von ihrer Verlobung mit Ghan Idos wusste. So konnten sie allerdings auch nicht herausfinden, ob Ghan Kedron Rin Baleron bereits benachrichtigt hatte oder nicht. Würde er das überhaupt tun? Sie waren sich so sicher gewesen, dass er sich strikt an den Kodex und alle moralischen Grundsätze der Gilden halten würde. Eigentlich hätte er Rin Baleron schon lange eine Brieftaube schicken müssen. Immerhin hatten die zwei Brüder ziemlich lange vom Rand des Silbermistel-Waldes bis zur Feuerkorn-Steppe gebraucht.

»Schaut, was ich für euch gebacken habe!«, rief Rin Jadna aufgeregt und holte zwei eingewickelte Brötchen aus dem Korb, die sie ihnen in die Hände drückte. Sie hatten sich am Fuchsbaum zusammengesetzt und erzählten sich gegenseitig, was in der Zwischenzeit passiert war. Es fiel Rin Verran und besonders Rin Raelin zwar schwer, ihre Schwester anzulügen, aber es war nur zu ihrem Besten. Niemand außer ihnen durfte wissen, von wo der Brief in Wirklichkeit kam. Wrun Lilath würde so viel abstreiten können, wie sie wollte: Niemand würde auf die Idee kommen, dass der Brief gefälscht war. Zumal vielen bekannt war, dass sie und Ghan Idos sich in der Gämsen-Pagode ungewöhnlich nah gestanden hatten.

»Danke!« Rin Verran biss sofort ein Stück des Brötchens ab. Er hatte nicht in Erinnerung, dass Rin Jadna gut backen oder kochen konnte, aber es schmeckte wirklich gut.

»Mutter hat es mir beigebracht, während ihr weg wart«, erklärte Rin Jadna fröhlich. »Sie meinte, es wird mir in Zukunft bestimmt helfen. Sie hat aber nicht gesagt, bei was.« Sie lachte und umarmte ihre beiden Brüder. »Wahrscheinlich dabei, euch beide satt zu kriegen!«

Rin Raelin wirkte etwas überrascht von ihrer plötzlichen Umarmung und kämpfte sich heraus. Dabei war nicht zu übersehen, dass er eine Hand absichtlich über seine linke Seite hielt. »Bestimmt«, meinte er bitter und wusste gleichzeitig, dass seine Mutter damit wahrscheinlich eher gemeint hatte, dass sie Ghan Idos mit den Brötchen satt kriegen würde. Bei dem Gedanken daran wurde ihm schlecht.

»Ihr seht beide so betrübt aus«, bemerkte Rin Jadna. »Was ist passiert?«

»Nichts«, antwortete Rin Raelin hastig.

»Es war ein langer Weg vom Dorf hierher zurück«, meinte Rin Verran und grinste. »Wir sind einfach nur etwas müde.«

Rin Jadna schien etwas darauf erwidern zu wollen, als ihre Augen sich auf einmal auf etwas hinter ihnen richtete. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. »Schaut, wer euch auch begrüßen möchte! Bao Jenko!« Rin Raelins Kopf ruckte so heftig herum, dass seine Schwester ihn überrascht ansah. »Stimmt etwas nicht?«

»Man könnte meinen, er hätte verstanden, dass er sich seine Freunde besser aussuchen soll«, presste er hervor. »Aber nein, jetzt kommt er auch noch selber zu uns! Was ist sein Problem!«

»Was redest du da?« Rin Jadna sah ihn fragend an und als er nicht antwortete, wandte sie sich an Rin Verran. »Was redet er da?«

»Wir haben uns mit ihm gestritten, bevor wir aufgebrochen sind«, erklärte er seufzend.

»Wirklich? Das hat er mir gar nicht erzählt.« Sie schaute von ihren zwei Brüdern zu Bao Jenko, der immer langsamer wurde, je näher er ihnen kam. »Er hat beinahe täglich gefragt, ob ich Briefe von euch bekommen habe. Eigentlich hat er sich auch Sorgen um euch gemacht. Ich weiß nicht, worum es bei eurem Streit ging, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas war, was er absichtlich gemacht hat. Er kann doch keiner Fliege was zu leide tun. Ihr solltet ihm verzeihen.«

Du weißt wirklich nicht, worum es ging, dachte Rin Verran mit einem schlechten Gewissen. Aber selbst wenn du es wüsstest, würdest du wahrscheinlich immer noch so reden. Du gehst immer vom Guten im Menschen aus. Bao Jenko hat es uns wirklich nicht absichtlich verschwiegen, aber...

Grüner Habicht und Roter DracheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt