Die Bresche war fertig. Nur drei Tage nach Rin Verrans Ankunft kam diese Nachricht von den Rebellen, die auf der Mauer Wache hielten. Als Wen Irdan, der wieder zu seiner Art Leibwächter geworden war, ihn mit nach oben nahm, war er geschockt über das Ausmaß an Zerstörung, das er sah. Es waren so viele Bäume gefällt worden, dass einige der Stämme sogar noch nicht weggebracht worden waren. Mehrere, aus dieser Entfernung fast schon winzige Gestalten waren dabei, sie zu zerlegen und auf Pferdekarren zu heben.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, meinte Wen Irdan ernst und wandte sich an Kar Moora, die etwa drei Schritte weiter stand und so tat, als würde sie die zwei Männer nicht beobachten. »Was denkst du?«
»Wenn wir die Rauchsäulen der Lagerfeuer sehen, werden wir wissen, dass wir nur noch ein paar Tage haben«, meinte sie ohne ihn anzusehen. »Ich hoffe, die Drachenklaue in der Küche stellt dieses brennende Zeug auch wirklich her und tut nicht nur so.«
»Sie tut ihr Bestes«, versicherte Rin Verran in Erwartung einer erleichterten Reaktion, doch stattdessen fuhr Kar Moora so ruckartig zu ihm herum, dass er beinahe einen Schritt zurückgewichen wäre.
»Wir wären auch ganz gut ohne deine Hilfe und die Hilfe dieser Mörderin ausgekommen!«, blaffte sie. »Hältst du uns für unfähig? Wir haben schon so vielen Angriffen standgehalten! Einer mehr macht da nichts aus! Und überhaupt! Warum kommst du immer wieder zurück als würdest du genau wissen, dass Meister Jhe dich verteidigen würde! Du hast ihn verraten! Alles, was er dir beigebracht hat, hast du vergessen, aber du hältst dich immer noch für den Besten der Besten, für den großen Retter dieser Welt! Dabei bist du Schuld daran, dass die Welt so geworden ist und jetzt verbündest du dich auch noch mit den Drachenklauen! Was für ein Mensch bist du bloß?«
Bevor Rin Verran auch nur den Mund öffnen konnte, um etwas zu erwidern, wütete Kar Moora weiter, während sie direkt auf ihn zu ging.
»Ich will dich nicht hier haben! Keiner will das! Frag jeden Beliebigen hier und er wird dir sagen, dass du am besten wieder in den Knochenbrecher springen sollst!«
»Niemand wird hier irgendwo reinspringen!« Wen Irdan stellte sich vor Rin Verran und hielt die junge Frau so in ihrem Sturmangriff auf. Er warf ihr einen warnenden Blick zu. »Und es wird auch niemand irgendwo rein gestoßen.«
»Er soll beweisen, dass er es verdient hat, hier zu sein!« Sie zeigte anklagend mit dem Finger an Wen Irdan vorbei auf Rin Verran. »Ich fordere dich zum Zweikampf bis zum ersten Blut heraus! Heute Abend! Wenn ich gewinne, wirst du die Gämsen-Pagode auf der Stelle verlassen!«
»Du denkst, du kannst mich besiegen?« Allmählich wurde Rin Verran wütend.
»So, wie du gegen Meister Jhe gekämpft hast, kann das jeder hier!«
Rin Verran presste die Kiefer zusammen. Ich bin nicht wie Raelin. Ich lasse mich nicht zu etwas provozieren. Und dennoch nagte diese Behauptung an seinem Stolz. Er wusste, dass er nicht der beste Schwertkämpfer war. Meister Jhe und viele andere hatten viel mehr Erfahrung als er, aber Kar Moora doch nicht! Sie war keine Erzwächterin und sie war noch jung. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie sich überschätzte. Oder war es andersrum und er unterschätzte sie? So oder so, mittlerweile waren einige Krieger der Sonne, die ihre Auseinandersetzung mitbekommen hatten, näher gekommen und warteten angespannt auf seine Antwort.
»Abgemacht«, sagte er schließlich und schlug in die Hand ein, die Kar Moora ihm hinhielt. Die junge Frau nickte nur grimmig und ging in Richtung der Treppe davon, die nach unten führte, während die anderen Krieger der Sonne sich leise tuschelnd wieder entfernten.
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee war«, flüstert Wen Irdan ihm von der Seite her zu.
»Warum?«
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Grüner Habicht und Roter Drache
AventuraBis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr wächst Rin Verran mehr oder weniger behütet in seinem Zuhause, dem Phönix-Hof, auf. Obwohl er nur der uneheliche Sohn des Gilden-Anführers ist, träumt er davon, ein berühmter Erzwächter und Krieger zu werden. In...