11. Kapitel (Albus): Lüge und Wahrheit

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“Nein. Aber wer hat hier wen verletzt? Muss ich dich wirklich daran erinnern? Anscheinend. Bitte: Wobei, welche Gefühle sollte ich bei dir denn bitte verletzen? Du hast doch gar keine! Also, wer ist hier wem egal? Sag es mir!” In Gellerts Stimme lag so viel Zorn, so viel Schmerz, so viel Enttäuschung, dass es mir wehtat. Darum zögerte ich einen Moment, bevor ich antwortete: “Du bist mir nicht egal, nur… ist es einfach eine Tatsache, dass ich dich nicht mehr liebe - dich nicht mehr lieben kann.” Bei Merlins Kristallkugel, ich war wirklich ein schrecklicher Lügner. Und er, Gellert Grindelwald, wusste das ganz genau. Seine zweifarbigen Augen bohrten sich in meine. “Das glaube ich dir nie im Leben.”, erwiderte er heiser und sah wieder zum Blutpakt. Ein entschlossenes Glitzern trat in seinen Blick. Er wich zurück, bis er auf gleicher Höhe mit mir war und starrte den Blutschwur an. “Gut. Dann wollen wir mal.”, murmelte er. “Was tust du?”, flüsterte ich. Daraufhin sah er mich stahlhart an. “Wonach sieht es denn aus, Albus? Ich sorge dafür dass dieses… Ding keinen von uns umbringt. Und jetzt sei still.” Nun… Vermutlich sollte ich wirklich ruhig sein. Also tat ich wie mir geheißen und schwieg. Mit einem tiefen Atemzug schlug Gellert die Augen nieder, bevor er sie flackernd schloss, ich konnte ihm fast ansehen, wie sehr er sich konzentrierte. Was tat er da bitte? Oh… natürlich. Okklumentik. Warum war ich da nicht gleich draufgekommen? Unnötige Frage. Das Einzige, was zählte, war, dass sich immer mehr flirrendes Silber in dem Rot sammelte. Nein. Nein. Nein. Auf einmal erschienen wie aus dem Nichts zwei weiße Lichtblitze sie stießen in die Phiole, durchbohrten das Glas. Kurz geschah nichts. Dann…
Knack!
Die Risse im Glas vergrößerten sich, spalteten sich, wurden immer mehr. Noch während ich sie mit verständnislosem Entsetzen ansah, sog Gellert scharf den Atem ein, ihn schüttelte es. Ein weiteres, scharfes Knacken war zu hören, und nun flackerte das rote Licht, das Silber verblasste, der Blutpakt fiel, traf auf den Boden er… er… zerbrach. In der selben Sekunde blinzelte Gellert, strich sich mit allen zehn Fingern durch die Haare. “Lass mich das nie wieder tun.” “Was?”, rief ich. “Der Blutpakt war etwas Grausames, Albus. Er hätte und hat alles getan, um ja zu verhindern, dass du oder ich ihn umgehen. Aber schlussendlich… war meine mentale Kraft stärker. Nur lass mich das nie wieder tun. Allerdings, einen Vorteil hat es, dass er fort ist.”, er drehte sich um. “Du kannst dich jetzt mit mir duellieren.” Schon war er disappariert, tauchte hinter mir wieder auf, zog mich an sich und strich mir mit dem Elderstab über die Kehle. “Was tust du nun, Liebling?” “Kann ich denn was tun?”, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. “Ohh, keine Ahnung. Vielleicht.”, er lachte leise. “Und was?”, fuhr ich ihn. Es war wahrlich nicht leicht, normal zu atmen, wenn einem ein Zauberstab daran hinderte. Wirklich nicht. “Mhmm… Du könntest dich zum Beispiel ergeben. Oder einfach abwarten, was ich tue. Ach Liebling, ich liebe es, Kontrolle zu haben.” Erneut ließ er sein wahnsinniges, kaltes Lachen hören. So anders als das Lachen, das ich damals so geliebt hatte. “Nenn mich nicht Liebling, Gellert!”, zischte ich und warf den Kopf zur Seite, um mich auf diese Weise seinem Griff zu entwinden. Zwecklos. Absolut zwecklos. “Warum soll ich dich denn nicht Liebling nennen, Liebling?”, er klang beinahe unschuldig, als er die Frage stellte und unterdessen den Elderstab ein wenig nach unten wandern ließ. “Weil es absolut unangemessen ist. Du versuchst gerade, mich zu töten, Gellert.”, antwortete ich. “Aber, aber Liebling.”, ich konnte sein Lächeln an seiner Stimme hören, als er mir den Elderstab noch ein bisschen fester an den Hals presste. “Wer redet denn von töten? Du? Ach, so ist das. Du möchtest von mir getötet werden, habe ich das richtig verstanden?” Bitte was?! Schaudernd rang ich nach Atem. “Unsinn! Du willst es doch!” “Nein. Ich habe nie gesagt, dass ich dich jetzt töten werde. Mhm. Allerdings hast du mich gerade auf eine hervorragende Idee gebracht. Wie wäre es, Liebster, wenn ich dich nach Nurmengard entführe? Also mir gefällt die Idee schonmal.” “Du hast wirklich nicht mehr alle Zauberstäbe im Regal! Du hast gesagt, wir duellieren uns, und dann tun wir das auch!” Blitzschnell vollführte ich eine hundertachtzig-Grad Drehung und funkelte ihn dann mit gezücktem Zauberstab an. Gellert zog die Augenbrauen hoch. “Bei den sieben Buckeln des Elderstabs, wer hätte es gedacht? Dass du in der Lage bist, dich gegen mich zu wehren? Glückwunsch, Al-Liebster. Mein Liebling.”, er neigte das Kinn, steckte den Elderstab weg und musterte mich wie irgendeine neue, rätselhafte, chemische Reaktion. “Wie habe ich das jetzt zu verstehen? Denn ob du es glaubst oder nicht: Ich bin in der Tat in der Lage, gegen dich vorzugehen! Ja, ich habe dich geliebt! Aber ich habe es getan. Nun tue ich es nicht mehr!”, schon wieder harte Worte. Nur, dass dieses Mal seine Antwort anders ausfiel. “Tatsächlich, Albus? Das trifft sich doch hervorragend. Ich nämlich auch nicht!” WAS?! Nein! Denn ja, bei Merlins Bart, natürlich hatte ich gelogen! Seit jenem Sommer im Jahr 1899 war er, Gellert Grindelwald, der einzige, dem mein Herz gehörte. Und jetzt… das. Nein. Mooment, nachdenken. Wenn schon ich gelogen hatte, so hätte er es doch auch tun können, nicht wahr? Ich schluckte, verengte die Augen und fixierte ihn. “Du lügst, Gellert. Du lügst genauso, wie ich gelogen habe.” “Ich weiß, dass du gelogen hast, Albus. Aber ich tue es nicht.”, erwiderte er. Kalt. Gelassen. Emotionslos. Nein! Es durfte einfach nicht wahr sein! Halt.
War da nicht gerade ein Flackern in seinen Augen gewesen?
Ein winziger Hauch Verunsicherung?
“Ich glaub dir das nicht. Weil ich weiß, dass du lügst. Vergiss es einfach, dass du mich in dieser Sache belügen kannst. Dazu kenne ich dich zu gut, Gellert.” Auf meine Aussage hin lachte er ein drittes Mal sein kaltes, wahnsinniges Lachen. “Ha! Der war zu gut! Du mich kennen? Das ich nicht lache! Woher willst du eigentlich wissen, ob irgendetwas von dem stimmt, was ich dir erzählte habe? Woher willst du das wissen?” Seine Worten schmerzten wie ein Schwerthieb. “Willst du damit sagen, dass du nur gelogen hast?!”, rief ich entsetzt. Meine Stimme überschlug sich fast. Er lächelte milde. “Nicht nur. Aber doch mal hier und da.. Und dann da nochmal… Und hier…” Mir war, als hätte er mir die Luft zum Atmen genommen.
Gelogen.
Wenn es stimmte, was er da sagte, dann, wurde mir klar, dann… Dann wusste ich nichts über ihn.
Nichts.
Absolut und rein gar nichts.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt